Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP so wie Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Das ist einer der schlagenden Beweise dafür, dass unsere Mu sikhochschulen eine hohe Qualität aufweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Das soll auch so bleiben!)

Herr Kollege Birk, um eines vorwegzunehmen: Ihr Kommen tar war wieder ein Rückfall in alte Überheblichkeit nach dem Motto „Von Kunst verstehen Sie nichts!“. Die Klarinette im Musikverein habe ich geblasen, nicht Sie.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ein ehemaliger Dirigent der Stadtkapelle – Musikverein Mar bach –, Herr Deppert, war Professor an der Musikhochschu le in Stuttgart. Allein daran sieht man, dass die Musikhoch schulen nicht nur für sich genommen wichtige Einrichtungen sind, sondern dass ihr Wert weit ins Land hinausreicht und sie wertvolle Beiträge leisten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wissen wir! – Zuruf des Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich weiß nicht, ob Frau Nahles jemals eine Musikhochschu le in Baden-Württemberg besucht hat.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Eher nicht!)

Das würde ich – nicht wissend – in Abrede stellen.

In der Umgebung der Musikhochschule Trossingen gibt es 400 hochkarätige Konzerte pro Jahr. Dies wäre ohne die Qua lität der Musikhochschule Trossingen gar nicht möglich.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das soll auch so bleiben!)

In der Kurpfalz gibt es 100 000 Musik treibende Bürgerinnen und Bürger, deren Rückgrat die Musikhochschule Mannheim bildet.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das stelle ich vorweg, damit es jeder sieht. Da sind wir uns weitgehend einig. Deshalb muss man nicht mit Verbalattacken arbeiten, sondern sollte eher den Blick nach vorn richten und schauen, wo wir eine gemeinsame Basis haben.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Eine gemeinsame Basis haben wir in der Kunstkonzeption, zu der wir nach wie vor stehen. Sie ist ein gutes Werk. Wenn wir jetzt in die Diskussions- und Anhörungsphase mit den Musik hochschulen gehen – übrigens wollen wir natürlich nicht nur Rektoren, sondern auch Studierende, Hochschulräte, die Part ner der Musikhochschulen, die Abnehmer, Vereine, Kirchen musik, Jugendmusikschulen mit einbeziehen –, müssen wir einen Weg finden, wie wir zwei Dinge zusammenbringen: Ei nerseits gilt, was bisher in den Gesprächen mit uns von den Musikhochschulen akzeptiert war, nämlich dass auch sie ei nen Einsparbeitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten, und gleichzeitig wollen wir andererseits die hohe Qualität er halten und weiterentwickeln.

Herr Kollege Grimm, wir können uns schnell verständigen. Sie sprachen von Basisangeboten. Ich schlage vor, dass man sich auch hinsichtlich der Terminologie verständigt. Da bie tet sich das Referenzgutachten für die bayerischen Musikhoch schulen an, das Kernbereiche, Kernfächer identifiziert. Wenn wir uns darauf verständigen, dass wir anstreben, dass diese Kernbereiche, diese Kernfächer in allen Musikhochschulen angeboten werden, die Profilbildung über die Profilfächer er folgt und das weiter ausdifferenziert wird, und man schaut, wie man Kooperationen eingehen und Synergien nutzen kann, dann sind wir, glaube ich, auf dem richtigen Weg.

Wenn man Kernfächer und Profilfächer ins Verhältnis setzt, dann reden wir vom Verhältnis 1 : 5. Es gibt also jede Menge Profilbildung. Die Frage ist, ob die Ausprägungen, auch im klassischen Bereich, richtig gewichtet sind. Wir wissen, dass wir zu viele Pianisten für den Musikmarkt ausbilden. Wir wis sen aber auch, dass Gitarre das am meisten nachgefragte Fach in den Jugendmusikschulen ist und wir in ganz Baden-Würt temberg nur zwei Professoren für Gitarre haben. Also muss man auch darüber reden, wie die Fächer zu gewichten sind. Dann, finde ich, kommen wir ein ganzes Stück weiter.

Schön an dieser Debatte – bei aller Leidenschaft und Aggres sion, die jetzt am Abklingen ist, worüber wir froh sind, denn es hilft ja nichts, parteipolitisch herumzustreiten; die Hoch

schulen und die Regionen erwarten, dass wir nach vorn blicken und lösungsorientiert miteinander diskutieren – ist, dass die Wertigkeit von Kunst und Kultur ungemein zugenommen hat. Wenn jetzt nicht nur der engere Kreis der Kulturschaffenden, sondern auch Vertreter der Wirtschaft und politische Vertreter aus den Regionen über die Bedeutung von Kunst und Kultur sprechen und sagen: „Das wollen wir weiterentwickeln“, dann ist die Tür für die Kultur und die Bedeutung von Kultur ganz weit offen. Das wollen wir für einen Blick und einen Schritt nach vorn nutzen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das haben wir jetzt noch nicht verstanden! – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard La sotta CDU)

Das können wir gern gemeinsam tun. Die Basis – die Kunst konzeption – ist vorhanden. Ich erkenne auch, dass es bei den Vorstellungen eine weitgehende Übereinstimmung gibt. Für uns gilt die Einsparsumme in Höhe von 4 Millionen €, die der Rechnungshof in den Raum gestellt hat. Ich sehe da auch bei Ihnen Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Wenn wir uns mit den Akteuren vor Ort auf den Weg machen, das weiterzuent wickeln, dann bin ich sicher, dass wir zu einer ganz guten Lö sung kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Minister Dr. Nils Schmid und Minister Andreas Stoch verlassen den Plenarsaal.)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Bauer.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Die zwei wich tigsten Leute der SPD gehen raus! Wenn das kein Zei chen ist!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke der FDP/DVP für die Gelegenheit, heute zu dem Thema, das uns in den Sommerwochen intensiv beschäftigt hat, Stellung zu nehmen und zu erläutern, welche Hintergründe und Überlegungen es vonseiten des Wissen schafts- und Kunstministeriums gibt, die Musikhochschulen in unserem Land weiterzuentwickeln.

Wir haben in Baden-Württemberg eine starke Musikhoch schullandschaft. Baden-Württemberg hat fünf von insgesamt 24 Musikhochschulen bundesweit und ist damit das Land mit den meisten Musikhochschulen. Wir haben in unserem Land eine weitere Besonderheit: Wir haben eine sehr dezentrale Musikhochschullandschaft; wir haben über das Land verteilt fünf verschiedene Musikhochschulen, die aber vergleichswei se klein sind. Wenn man sich das im bundesweiten Vergleich anschaut, dann sieht man: Unsere größte Musikhochschule – die in Stuttgart – liegt auf Position 12, die kleinste in Trossin gen auf Position 21 – heute schon.

Wir haben drittens – darauf bin ich sehr stolz – einen Kon sens, dass uns die Musikhochschulen viel wert sind. Wir ge ben viel Geld aus, um die Musikhochschulen und ihre Exzel lenz abzusichern. In unserem Haushalt zahlen wir über Glo balbudgets derzeit knapp 44 Millionen € an die Musikhoch schulen oder – der Rechnungshof hat es in seiner Beratenden

Äußerung geschrieben – im Durchschnitt pro Bachelorstudi enplatz 76 000 €. So viel Geld kostet sonst annähernd nur ein Medizinstudienplatz im Land.

Ich freue mich darüber, dass es einen Konsens gibt, dass uns unsere Musikhochschulen so viel wert sind. Unsere Aufgabe ist es, diese Qualität zu erhalten und sie im Rahmen der finan ziellen Möglichkeiten, die wir haben, weiterzuentwickeln. Diese Aufgabe ist eine Daueraufgabe, der sich diese Landes regierung stellt und der sich offensichtlich auch frühere Lan desregierungen schon zu stellen versucht haben.

Deswegen möchte ich heute auch ein wenig den Blick zurück werfen, bevor wir miteinander den Blick nach vorn werfen können. Seit Sonntag ist die Wahl vorbei. Es tut der Musik hochschuldebatte gut, dass wir taktische Motive nun beisei telassen können und uns in der Diskussion wirklich um den Kern der Auseinandersetzung kümmern können. Es lohnt sich, diese Auseinandersetzung zu führen. Sie ist – da bin ich mir sicher – alles andere als einfach. Denn es geht darum, sehr un terschiedliche Ziele zueinanderzubringen, die nicht einfach zueinanderzubringen sind. Es geht darum, hochschulpolitisch Exzellenz zu bewahren, die Qualität in den Vordergrund zu stellen. Es geht gleichzeitig darum, die kulturpolitische Ein bettung, die regionale Einbettung zu berücksichtigen. Drittens geht es darum, die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen zu respektieren. In diesem Spannungsverhältnis müssen gute und tragfähige Lösungen hervorgebracht werden.

Ich freue mich über die Bereitschaft, die Diskussion in den nächsten Monaten sachlich und mit konstruktiven Vorschlä gen zu führen. Ich versichere Ihnen: Als Kunstministerin kämpfe ich mit aller Leidenschaft und mit aller Kraft dafür, dass Kunst und Kultur in diesem Land den höchsten Stellen wert haben. Ich weiß, dass mit Kunst und Kultur die Stärke dieses Landes erhalten bleibt, die Kraft, Neues zu denken, die Fähigkeit, sich zu orientieren, die Fähigkeit, sich als Gesell schaft zu regenerieren, neue Wege zu gehen, sich auf Traditio nen zu besinnen. All das ist eine Kraft, aus der auch die Inno vationsfähigkeit Baden-Württembergs schöpft.

(Zuruf von der CDU: Sonntagsrede!)

Deswegen werde ich alles dafür tun, dass Kunst und Kultur in diesem Land einen hohen Stellenwert behalten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich weiß sehr genau und hoffe sehr, dass Ihnen klar ist: Der Kunst- und Kulturhaushalt macht 1 % des Landeshaushalts aus. Mit Einsparungen in diesem Bereich bringen wir also na türlich nicht die Masse zusammen, die eingespart werden muss, um unseren Haushalt zu konsolidieren. Im Kunst- und Kulturhaushalt geht es relativ gesehen um kleine Summen. Dennoch – lassen Sie mich das betonen –, auch wenn ich an erkenne und alles dafür tue, dass wir Kunst und Kultur sehr sorgfältig betrachten, bin ich auch davon überzeugt: Wir kön nen die Haushaltskonsolidierung nicht bewerkstelligen, wenn wir komplette Bereiche herausdefinieren und nicht darüber nachdenken, was diese Bereiche beitragen können.

Ich bin mir sicher, dass wir die gemeinsame Aufgabe, der künftigen Generation Spielräume zu überlassen, eigene Schwer punkte zu setzen und zu handeln, nur bewältigen können, wenn wir alle miteinander in allen Bereichen darüber nach

denken, was jeder Bereich – so wichtig er auch sein mag – zur Haushaltskonsolidierung beitragen kann. Dieser Aufgabe stel le ich mich – mit allem Respekt und bei aller Würdigung der besonderen Bedeutung von Kunst und Kultur.

Ich bin froh, dass sich die Musikhochschulen bereit erklärt ha ben, an diesem Vorhaben konstruktiv mitzuwirken, dass sie daran mitarbeiten, im eigenen Bereich ebenfalls sinnvolle und begründete Potenziale zu eruieren, die hierzu beitragen können, ohne die Qualität der Musikhochschulen zu gefährden. Ich bin dankbar, dass sich die Musikhochschulen bereit erklärt haben, diesen Weg mit uns zu gehen, und ich bitte Sie alle, ebenfalls diesen Weg mit der Landesregierung zu gehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich noch einmal einen kurzen Blick zurückwer fen. Kollege Dr. Schmidt-Eisenlohr hat es bereits angedeutet: Auch die alte Landesregierung war bereits mit dem Thema befasst. Die alte Landesregierung hat damals, in den Neunzi gerjahren, eine Kulturstrukturkommission einberufen. Diese Kulturstrukturkommission hatte die Aufgabe, Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Musikhochschullandschaft zu er arbeiten. Ende der Neunzigerjahre sind dabei drei Varianten diskutiert worden: erstens die Aufhebung einer Musikhoch schule im Land, zweitens die Herabstufung von zwei Musik hochschulen zu Außenstellen und drittens der Erhalt aller Standorte bei Reduzierung der Gesamtstudierendenzahl um 20 %.

Das waren die Alternativen, die in den Neunzigerjahren zur Diskussion standen. Die Landesregierung hat sich damals für die letzte Variante entschieden; sie hat die Studierendenzah len zurückgefahren und entsprechend den Landeszuschuss eingeschmolzen und gedeckelt. Im Jahr 2000 wurden die Stu dierendenzahlen an allen Standorten um 15 % reduziert, und die Landeszuschüsse wurden ebenfalls reduziert.

Was ist seither passiert? Inzwischen sind fast 15 Jahre ins Land gegangen, und in dieser Zeit sind die Studierendenzah len sukzessive wieder gestiegen. Es gab bei den Studierendenzahlen ein Wachstum um insgesamt 13 %; die Musikhochschule Mannheim beispielsweise ist in diesem Zeitraum sogar um 25 % gewachsen. Nicht gewachsen sind aber die Landeszuschüsse und somit die Globalbudgets. In den letzten Jahren ist also die Schere zwischen den Studierendenzahlen, die in die Höhe gegangen sind, und der finanziellen Ausstattung der Musikhochschulen auseinandergegangen.

Wir haben dieses Problem geerbt. Unsere Musikhochschulen leben Tag für Tag mit dieser Problematik. Ausdruck dieser Problematik sind – Kollege Schmidt-Eisenlohr hat darauf hin gewiesen – fehlende investive Spielräume, die Schwierigkeit, etwa Instrumente neu zu beschaffen, die Zunahme der Zahl der Lehrbeauftragten, weil die personelle Ausstattung mit an deren Methoden nicht mehr finanzierbar ist.

Unsere Musikhochschulen haben mich seit dem Tag, seit dem ich im Amt bin, gebeten, mich diesem Problem zu stellen, die ser Finanzierungsproblematik, die die Qualität der Musikhochschulen gefährdet. Sie haben mich von Anfang an darum gebeten, sie hinsichtlich der Prüfung durch den Rechnungs hof nicht alleinzulassen. Als ich mein Ministeramt angetreten habe, war der Rechnungshof bereits dabei, die Musikhochschu

len zu prüfen. Die Musikhochschulen haben mich gebeten, nicht zuzulassen, dass derselbe Schnitt, der im Jahr 2000 voll zogen wurde – nämlich überall zu senken und die Ausstattung überall mehr oder weniger gleichmäßig nach unten zu fahren –, nochmals vollzogen werde, da andernfalls die Qualität der Musikhochschulen im Land nicht gehalten werden könne.

Dies war der Hintergrund dafür, dass wir im Ministerium ei nen entsprechenden Prozess in die Wege geleitet haben. Der Rechnungshof beschreibt in seiner Beratenden Äußerung den Prozess der letzten zehn, 15 Jahre als „ungesteuerten Wachstumsprozess“, und er rekurriert darin immer wieder auf die Situation im Jahr 2000, auf die Zeit, in der das Kabinett zum vorerst letzten Mal einen Beschluss zum Thema „Studienplät ze und Kapazitäten in den Musikhochschulen“ gefasst hat, den Beschluss, die Studierendenzahlen auf einen Stand abzusen ken, der im Vergleich zu heute, wie gesagt, niedriger war.

Auch damals, zur Zeit der Kulturstrukturkommission – ich denke, einige von Ihnen waren damals schon im Landtag und kennen diese Debatte sehr gut –, wurde im Land bereits über Bedarfe diskutiert. Im künstlerischen Bereich über Bedarfe zu reden, ist außerordentlich heikel und sensibel. Wenn es um Kunst geht, ist es schwer, Bedarfe zu bemessen. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, Vergleiche anzustellen; ein Vergleichsmaßstab kann beispielsweise die Zahl von Orchesterstellen sein. Für Künstler, für angehende Künstler, bzw. immer, wenn es um Kunst geht, ist es eine gewisse Zumutung, wenn man in Kategorien wie Absolventen oder Märkten spricht.

Aber auch damals hat man die Diskussion bereits geführt. Es war damals richtig, diese Diskussion zu führen, und es ist auch heute notwendig, dass wir eine solche Diskussion führen.