Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

Wir brauchen in der Bildungslandschaft nicht nur Verände rungen an einzelnen Schularten. Es gibt Veränderungen in der Bildungslandschaft, die Sie bislang immer noch ignorieren. Es findet ein demografischer Wandel statt. Es gibt ein anderes Elternwahlverhalten als in den vergangenen Jahren. Während die Quote des Übergangs an die Haupt- und Werkrealschulen 1992 bei 40 % lag, betrug sie 2011 noch 20 %. Sie ignorieren diese Veränderungen nach wie vor. Ich weiß nicht, wie Sie es schaffen wollen, dass am Ende alle Bildungsabschlüsse in der Fläche erhalten werden können. Sie geben darauf keine Ant worten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf von den Grünen: So ist es!)

Wir haben bereits vor der Sommerpause die Eckpunkte zur re gionalen Schulentwicklungsplanung vorgelegt. Die Gesprä che dazu laufen. Die Kommunen sind dankbar und froh, dass dieser Prozess endlich angestoßen wurde. Diesen Prozess ha ben nicht Sie angestoßen, sondern wir. Ich verstehe wirklich bis heute nicht, wie Sie dieses Thema in den vergangenen Jah ren derart mutlos ignoriert haben. Sie haben nichts dafür ge tan, dass Bildungsabschlüsse in der Fläche erhalten werden können.

Wie gehen Sie denn zukünftig mit dem Hauptschulabschluss um? Sie haben eine Bestandsgarantie für die Gymnasien und die Realschulen ausgerufen. Aber der Haupt- und Werkreal schulabschluss – die Hauptschule – kommt bei Ihnen gar nicht mehr vor. Gibt es diesen bei Ihnen nicht mehr? Soll es den Hauptschulabschluss nach Ihrer Vorstellung in den kommen den Jahren nicht mehr geben?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der bleibt werthal tig, im Gegensatz zu Ihren Abschlüssen!)

Geben Sie endlich Antworten. Gehen Sie ehrlich mit der Si tuation um, anstatt hier ständig auf unseren bildungspoliti schen Ansätzen herumzuhacken.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es ist uns natürlich völlig bewusst, dass derzeit die Zufrieden heit an den Schulen nicht unbedingt die beste ist.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das kann man so sagen!)

Aber Sie von der Opposition tun natürlich alles dafür, dass das weiterhin so bleibt.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Auf uns haben die Lehrer schon immer gehört, gell?)

Aber wir stehen mit unseren Vorschlägen nicht allein da. Sie isolieren sich derzeit in Ihrer eigenen Partei. Wir brauchen ei ne klare Linie für die Zukunft. Wir brauchen langfristige Ant worten und kein Herumgeeiere, wie es derzeit bei der CDU stattfindet.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Auf Bundesebene und im Landesfachausschuss der CDU wur de schon vor Langem die Entscheidung getroffen, dass es zu künftig ein Zweisäulenmodell geben wird. Ihre Bundespartei und der Landesfachausschuss haben die Weichen in die Zukunft gestellt, aber Sie stellen die Gleise ständig wieder zurück in die Vergangenheit. Stellen Sie sich endlich der Debatte, und geben Sie einmal ehrliche Antworten. Wenn Sie einen Schul frieden vorschlagen – den hätten wir sehr gern –, können Sie nicht im Vorfeld sämtliche Antworten dazu ausschließen. Sie müssen dann auch offen in die Gespräche hineingehen und können nicht bereits im Vorfeld sämtliche Themen, die ange sprochen werden könnten, ausschließen. So können wir kei nen Schulfrieden in Baden-Württemberg erreichen, meine Da men und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Zum Abbau der 11 600 Lehrerstellen: Sie haben in Ihrer da maligen mittelfristigen Finanzplanung beschlossen, bis 2016 8 000 Lehrerstellen abzubauen. Wenn Sie vor Ort Gespräche führen – wir führen auch Gespräche mit Menschen, die Sie bereits getroffen haben –, sprechen Sie immer davon, Sie wür den auch Lehrerstellen abbauen, aber nur 8 000 und keine 11 600. Wenn Sie aber 8 000 Lehrerstellen abbauen und da bei alles beim Alten belassen, dann werden sich die Probleme nicht verringern, sondern die Probleme werden sich vergrö ßern, und Sie haben keine Antworten auf die Frage, wie Sie zukünftig mit dem Bildungssystem in Baden-Württemberg umgehen wollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Diese Antworten sind Sie den Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Sie sind die größte Oppositionsfraktion.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir sind doch abgewählt! – Abg. Volker Schebesta CDU: Da muss erst Herr Schmid sagen, wie er das machen will, was er auf dem Parteitag angekündigt hat!)

Sie, die größte Oppositionsfraktion, machen nichts als Angrif fe.

(Abg. Peter Hauk CDU: Im Augenblick sind Sie et was schuldig!)

Zum Schluss noch ein Punkt: Sie geben zum IQB-Leistungs vergleich eine Pressemitteilung heraus, in der Sie unsere bil dungspolitischen Maßnahmen dafür verantwortlich machen, dass die Ergebnisse beim IQB-Leistungsvergleich schlechter geworden sind. Das – das tut mir wirklich leid – ist völlig ab surd. Das ist ein Zeugnis Ihrer Bildungspolitik der vergange nen Jahre und kein Zeugnis unserer neuen Bildungspolitik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir haben bereits sehr viele Antworten gegeben, wie wir das Bildungssystem in den nächsten Jahren verändern wollen, da mit wir zukunftsfähig sind und die Ergebnisse wieder verbes sern. Glauben Sie mir: Niemandem, der hier auf der linken Seite des Saales sitzt, gefällt es, dass wir dabei noch Ihre Schulden mit abbauen müssen.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie bauen doch gar nicht ab! – Abg. Peter Hauk CDU: Sie machen doch neue Schulden!)

Aber das gehört zur Verantwortung dazu. Denn wir denken nicht von Legislaturperiode zu Legislaturperiode, wie Sie das in den 57 Jahren zuvor getan haben, und stellen uns nicht wie Sie nicht der Verantwortung, die wir haben, sondern wir den ken nachhaltig und langfristig. Das gehört zum Geschäft da zu, auch wenn es nicht immer Spaß macht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Keinen Cent Schulden abgebaut!)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Dr. Fulst-Blei.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss vorab einmal zur Stilfrage kommen. Ich habe eines gelernt: Wenn ich mit einer Person ein Problem habe, und wenn ich sie persönlich anspre chen will oder namentlich benenne, dann kläre ich das Prob lem mit ihr direkt. Ich finde es schon äußerst skurril, dass die CDU einen Debattentitel wählt und darin einen Minister na mentlich benennt und angreift, von dem die CDU weiß, dass er in Indien ist und sogar CDU-Kollegen dort mit dabei sind. Das ist einfach skurril.

Meine Frage an Sie muss ich jetzt wirklich stellen: Ist das ei ne Frage von schlechtem Stil, oder haben Sie einfach nur Angst vor der Antwort, die Minister Schmid Ihnen heute ge ben könnte?

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wenn wir schon beim Thema Stil sind: Leicht machen Sie es einem wirklich nicht. Ich gebe ja zu, ich habe mich bei der letzten Debatte bedankt. Da hatte ich eine Rede in der übli chen Schärfe konzipiert. Ich habe während der Debattenbei träge der Kollegen Kern und Wacker die Hälfte meines Kon zepts streichen müssen, weil die Debatte zum Thema Ganz tagsschule erfrischend sachlich war.

Heute muss ich große Enttäuschung feststellen. Wir waren ge spannt – auch nach dem Angebot des Landesvorsitzenden der SPD am Wochenende –, was kommt. Die CDU hat die Debat te beantragt. Kommt eine Antwort zu der Frage nach dem Schulfrieden? Kommt eine Klarstellung, was die CDU eigent lich selbst will, was der Schulfriede in der CDU für die Zu kunft bewirken könnte? Es gibt einen Landesvorsitzenden, der reden will, einen Parteivorstand, der sich auf das Zweisäulen modell der Landesregierung zubewegt, und übrigens auch ei ne kommunale Basis; allein über 30 der Ihrer Partei angehö renden Bürgermeister haben die Gemeinschaftsschule selbst beantragt.

(Zuruf von der CDU: Warum wohl?)

Dem steht heute wieder das Bild einer CDU-Fraktion gegen über, die sich weiter als Kreuzritter der heiligen Dreigliedrig keit geriert.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Mit was denn?)

Wir stellen fest: Wir sind wieder beim Haudraufmodus ange kommen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Herr Schebesta, ich mache Ihnen ein Angebot.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es geht um Inhal te!)

Als Sozialdemokrat liegt mir das Miteinander wirklich am Herzen. Die Landesregierung hat jetzt über 1 000 Schulsozi alarbeiter gefördert. Wir stellen Ihnen einen davon für die CDU zur Verfügung. Was halten Sie davon? Das dient dem Klassenklima, und das hilft gegen Bildungsmobbing, habe ich gehört.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie auch et was zur Sache!)

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, es ist schon erstaunlich

(Zurufe von der CDU)

ganz ruhig! –: Wenn die SPD in den Bildungsbereich inves tiert, schreit die CDU nach Haushaltskonsolidierung. Wenn die SPD den Haushalt saniert, schreit die CDU nach mehr In vestitionen in die Bildung. Kolleginnen und Kollegen,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Herr Röhm –, mit Glaubwürdigkeit hat das, was Sie heute hier wieder praktizieren, überhaupt nichts zu tun.

Vor allem ist dieses Spiel doch durchschaubar. In der Tat: Wir, die SPD, übernehmen zusammen mit unserer grünen Partne rin Verantwortung. Wir gehen einen Weg, der nicht leicht ist, nämlich einerseits Modernisierung des Bildungssystems und andererseits Konsolidierung des Haushalts. Das ist in Anbe tracht der von Ihnen überlassenen Erblast kein leichtes Unter fangen.

Übrigens – Frau Boser hat es schon angedeutet –, wenn wir beim Thema Erblast sind: Herr Schebesta, Herr Wacker, ich erspare Ihnen meine üblichen Zahlen. Ich habe heute einmal neue mitgebracht. Wer in diesem Raum wollte eigentlich Lehrerstellen im folgenden Umfang abbauen?: 2014 1 993, 2015 1 854, 2016 1 670 sowie 2011 711 Lehrerstellen. Die sollten allein in dieser Legislaturperiode gestrichen werden. Kolleginnen und Kollegen, das sind alles Lehrerstellen, die Schwarz-Gelb streichen wollte. Sie hätten das Bildungssys tem damit bereits in dieser Legislaturperiode voll an die Wand gefahren, und heute tun Sie so, als ob Sie nicht in der Regie rung gewesen wären.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Die grün-roten Ansätze bleiben dagegen deutlich unter die sem Niveau. Das wird übrigens auch von der GEW und den Lehrerverbänden positiv anerkannt. Mit Blick auf die 11 600 Lehrerstellen bin ich in der Tat dem Finanzminister, dem Vor sitzenden der SPD hier im Land, sehr dankbar, dass er diese Zahl jetzt am Wochenende vom hohen Ross gestoßen hat, weil sie nämlich in der Diskussion in ihrer Wertigkeit schlichtweg