Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das hätten Sie gern!)

Dass jetzt die SPD gegenüber der eigenen Parteibasis etwas machen muss, das ist klar. Genau das hat der Finanzminister auf dem SPD-Parteitag versucht.

(Zuruf von der CDU: Das war trotzdem schlecht! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Großes Fragezeichen bei der CDU!)

Ich möchte ein zweites Rätsel ansprechen, das schon etwas schwerer zu lösen ist. Dies ergibt sich aus zwei Verlautbarun gen der vergangenen Woche. Am 16. Oktober verkündete Kul tusminister Stoch von der SPD in einer Pressemitteilung stolz, dass 108 Anträge für die dritte Tranche der Gemeinschaftsschulen vorlägen. Wörtlich sagte er:

Diese Zahl macht nicht nur die Attraktivität dieser neuen Schulart in den Kommunen deutlich, sie zeigt auch, dass die Gemeinschaftsschule bereits nach zwei Jahren im Land verankert ist.

Am 18. Oktober spricht sich der SPD-Landesvorsitzende Schmid auf dem Parteitag in Reutlingen für einen Schulfrieden aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was denn nun? Als eine den Schulfrieden fördernde Maßnahme kann die stolze Ankündi gung der dritten Tranche der Gemeinschaftsschulen wohl nicht gelten. Es stellt sich die Frage, warum Grüne und SPD immer wieder den Frieden bemühen, obwohl sie gleichzeitig den Ausbau der Gemeinschaftsschulen mit aller Macht vorantrei ben und dadurch Fakten schaffen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Noch mehr Fragezei chen bei der CDU!)

Das Friedensangebot, das Sie angeblich an CDU und FDP/DVP richten, sollten Sie in Wirklichkeit an die Eltern, an die Leh rer, an die Schüler, an die Schulleitungen und an die Schul träger richten, die einfach nur in Ruhe ihre Arbeit machen wol len und die verständlicherweise von der Schulstrukturdiskussi on genug haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Es rächt sich jetzt, dass Sie von Grün-Rot bei Ihren Reformen eben nicht – wie von der FDP/DVP gefordert – den evolutio nären Weg gewählt haben, sondern den revolutionären Weg,

(Lachen bei der SPD)

und dass Sie es vorgezogen haben, allen Ihre Konzepte über zustülpen, statt es mit seriöser Überzeugungsarbeit zu versu chen. Letztlich sind es doch die Menschen in Baden-Würt temberg, die mit Bildung zu tun haben, die unter Ihrer Bil dungspolitik leiden. Diesen Menschen sollten Sie ein Frie densangebot machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün-Rot.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ich darf daran erinnern: Die völlig überstürzte und unüberleg te Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung war ein Angriff auf das Schulsystem. Außerdem wurde unter Aus nutzung der demografischen Not vieler Gemeinden die Ge meinschaftsschule eingeführt. Darüber hinaus gab es den völ lig sinnfreien Kompromiss einer Rückkehr zu G 9 an 44 Gym nasien.

Nicht die Opposition ist daher der Adressat Ihrer Friedensbe mühungen, sondern die Bürgerinnen und Bürger, die unter Ih rer missglückten Bildungspolitik leiden müssen.

Unser Fraktionsvorsitzender hat es bereits betont, und ich möchte es an dieser Stelle unterstreichen: Selbstverständlich sind wir zu Gesprächen mit der Landesregierung bereit, auch ohne Vorbedingungen. Einen tragfähigen Frieden können Sie allerdings nur dann schaffen, wenn den einzelnen Bildungs regionen konsequent alle ihnen zustehenden Deputate zusam men mit der Entscheidungsverantwortung für die Einrichtung ihres Bildungsangebots übertragen werden. Dann würden die Verantwortlichen vor Ort ein der Nachfrage entsprechendes Schulangebot einrichten.

Es versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst, dass die dritte Tranche der Gemeinschaftsschulen nicht umgesetzt werden kann, damit nicht noch mehr Tatsachen vor Ort ge schaffen werden, die eine vernünftige regionale Schulentwick lungsplanung völlig ad absurdum führen würden.

Die Verantwortlichen vor Ort benötigen mehr Flexibilität und Entscheidungsfreiheit, aber keine starren Strukturvorgaben wie die vielerorts so gern propagierte Zweisäulenlehre,

(Zuruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

die schlicht das Aus für erfolgreiche Schularten wie die Real schule und die berufliche Schule bedeuten würde. Eine regi onale Schulentwicklung, die ihren Namen wirklich verdient, wäre deshalb nach Auffassung der FDP/DVP-Fraktion die wirksamste Frieden schaffende Maßnahme, die die Landesre gierung ergreifen könnte.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Echte Kern-Aussagen!)

Für die Landesregierung spricht Kul tusminister Stoch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Netter Ver such, aber leider ein nicht funktionierender Versuch.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Vom Finanzminister?)

Es war ein netter Versuch der Oppositionsfraktionen CDU und FDP/DVP, auf einen vermeintlichen Dissens zwischen den Regierungsfraktionen bzw. zwischen Regierungsmitgliedern hinzuweisen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ich bin gespannt, wie man den wegredet!)

Ich glaube, eines sollten wir vorweg klarstellen: Was uns, SPD, Grüne und alle Regierungsmitglieder, in erheblichem Maß verbindet, ist der Wille, das baden-württembergische Bil dungssystem bei all dem, was Sie über Jahre und Jahrzehnte hinweg nicht erreicht, nicht geschafft haben, in eine gute Zu kunft zu führen. Die Erkenntnisse, die wir aus der Bildungs forschung über die Qualität dieses Bildungssystems gewon nen haben, lassen für uns nur den Schluss zu, dass wir dieses Ziel gemeinsam verfolgen müssen; denn das, was Sie uns hin terlassen haben, ist leider nicht mehr up to date.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich schicke vorweg: Sowohl die Modernisierung des baden-württembergischen Schulsystems als auch die Konsolidierung der Landesfinan zen sind wichtige und für uns natürlich leitende Ziele. Inves titionen in Bildung sind wichtig für die Zukunft unseres Lan des und somit eine vordringliche Aufgabe der Politik. Eben so wichtig ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Es darf nicht sein, dass die Lösung dieses Problems immer wieder einfach auf die nächste Generation verschoben wird, wie es leider frühere Landesregierungen in Baden-Württem berg getan haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind überzeugt davon, dass der Ressourcenbedarf für Bildung und die Not wendigkeit des Sparens in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Wir sind überzeugt, dass dies gelingen kann, auch wenn das mit vielen Konflikten verbunden sein wird. Aber gerade um einen solchen fairen Interessenausgleich sind wir intensiv bemüht, und zwar mit allen Beteiligten.

Neben der Schaffung einer zukunftsfähigen Bildungsland schaft in Baden-Württemberg ist auch die Haushaltssanierung eine Zukunftsinvestition, weil sie nämlich die nachwachsende Ge neration vor erheblichen Zins- und Tilgungsleistungen schützt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deshalb steht die Landesregierung nach wie vor zu ihrem Ziel, im Zuge des erheblichen Schülerzahlenrückgangs einen Teil der durch Pensionierungen frei werdenden Lehrerstellen für die Haushaltskonsolidierung zu nutzen, sofern diese nicht für die Unterrichtsversorgung und für die Durchsetzung der sehr ambitionierten Ziele in Baden-Württemberg gebraucht wer den.

Die Lehrer-Schüler-Relation in Baden-Württemberg ist be kanntermaßen derzeit besser denn je. Frau Kollegin Boser hat es bereits erwähnt.

Die Entscheidung war und ist angesichts der demografischen Entwicklung und des damit verbundenen Rückgangs der Schü lerzahlen notwendig und richtig. Aktuell ist Baden-Württem berg mit rund 40 Milliarden € am Kreditmarkt verschuldet.

Das strukturelle Defizit liegt derzeit noch bei 1,25 Milliar den €. Selbst wenn es uns gelingt, die jährliche Lücke zwi schen Einnahmen und Ausgaben zu schließen, ist immer noch kein Euro des enormen Schuldenbergs abgetragen, den Sie, die die früheren Landesregierungen gestellt haben, uns hin terlassen haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Eines muss klar sein: Auch bei einem Haushalt des Kultusmi nisteriums, bei dem ca. 87 % auf Personalkosten entfallen, ist es unmöglich, dies auszublenden, wenn es um die Frage der Haushaltssanierung geht. Aber wir müssen – dafür stehe ich als Kultusminister –, wenn wir die Zukunft dieses Landes Ba den-Württemberg sichern wollen, mit dieser Frage der Ein sparungen im Bildungsbereich sehr verantwortlich umgehen. Daher hat diese Landesregierung, hat auch dieser Finanzmi nister und hat auch dieser Ministerpräsident Kretschmann deutlich gesagt: Wir werden von Jahr zu Jahr im Hinblick auf die aktuellen Daten entscheiden müssen, welche Einsparmaß nahmen wir auch im Bildungsbereich verantwortlich durch führen können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Hat er nicht gesagt!)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich auf ei nige Dinge hinweisen, die sich im Vergleich zu dem, was Sie in den vergangenen Jahren im Bildungsbereich produziert ha ben, deutlich – so glaube ich – sehen lassen können. Nehmen Sie den Bereich der beruflichen Schulen, den Sie so gern zi tieren. Im Bereich der beruflichen Schulen hatten wir zu Ih ren Regierungszeiten vor gut acht bis zehn Jahren noch einen strukturellen Unterrichtsausfall, ein Defizit, von 6 bis 7 %. Wir hatten zuletzt im Schuljahr 2011/2012 – das war noch ei ne Folge dessen, was Sie an Unterrichtsplanung und an Leh rerversorgung zu verantworten hatten – noch einen Fehlstun denanteil von 4,1 %. Inzwischen, im Schuljahr 2012/2013, ist dieser Anteil auf 2,6 % gesenkt worden, und wir haben zum jetzt begonnenen Schuljahr eine Rekordeinstellung im Bereich der beruflichen Schulen vorgenommen. Wir erwarten, dass wir dadurch das strukturelle Defizit bei den beruflichen Schu len noch deutlicher senken. Das heißt, wir, die Landesregie rung, wollen die beruflichen Schulen als wichtigen Faktor in der Bildungslandschaft Baden-Württembergs stärken, und zwar für die jungen Menschen in diesem Land.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Kommen wir zu dem auch Ihnen bekannten Thema Krank heitsvertretungen. Die Krankheitsvertretungsreserve war un ter Ihrer Regierung so schlecht wie sonst nirgends in Deutsch land. In keinem anderen Bundesland war die Krankheitsver tretungsreserve so niedrig wie in Baden-Württemberg. Wir haben diese in den letzten beiden Jahren jeweils um 200 zu sätzliche Deputate aufgestockt, und wir haben zusätzlich für Vertretungslehrkräfte zur Sicherung der Unterrichtsversor gung 65 Millionen € in den Haushalt eingestellt.

Erinnern wir uns: Bei Ihnen war es so, dass ständig stückchen weise nachgesteuert werden musste,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ist Geld geflossen oder nicht?)

weil nie die erforderlichen Mittel vorhanden waren, um eine gute Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Deswegen, mei ne sehr geehrten Damen und Herren: Wir tun etwas für eine gute Unterrichtsversorgung. Das haben Sie nicht getan.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nehmen Sie auch einmal die Verlautbarungen der Verbände zur Kenntnis. Kol lege Fulst-Blei hat vorhin den Philologenverband angespro chen, der gesagt hat: Die Unterrichtsversorgung – das sollte eigentlich auch der Kollege Röhm bestätigen, wenn er hier ehrlich ist –

(Zuruf von der CDU: Er ist immer ehrlich!)