Solange Sie, Herr Kollege Glück, hiervon nicht Abschied neh men wollen, gehen wir nun einmal in eine Entwicklung, bei der die Börsenpreise tendenziell weiter sinken werden. Das ist zwangsläufig damit verbunden, wenn die variablen Kosten bei null liegen. Dann muss man sich eben Gedanken über ein neues Strommarktdesign machen.
Der Baden-Württemberg Stiftung bin ich sehr dankbar, dass sie dieses Gutachten in Auftrag gegeben hat. Das entsprechen de Konsortium besteht aus den Professoren Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirt schaftlichen Entwicklung, und Leprich sowie Vertretern des BET in Aachen. Wenn man sich dieses Gutachten anschaut, stellt man fest: Wenn wir über eine EEG-Reform reden, dann gehört hierzu mehr. Ich finde, auch dies sollten wir uns be wusst machen. Hier wurde viel über Kosten geredet. Die Kos teneffizienz ist auch ein wichtiges Thema. Aber es kann, um es deutlich zu sagen, nicht nur um kurzfristige Kostenaspek te gehen. Das ist meines Erachtens bei der Diskussion in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit und in den Medien lei der viel zu oft der Fall gewesen.
Die Kosten müssen beim weiteren Ausbau selbstverständlich berücksichtigt werden; ebenso wichtig aber ist es, dass wir die energie- und klimaschutzpolitischen Ziele – ich sage es noch einmal: hierzu gab es im Frühsommer 2011 ein Einverneh men über vier Parteien hinweg; daran will ich noch einmal er innern – nicht aus den Augen verlieren.
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien soll – das meine ich, wenn ich von Zielsetzung spreche – die Energiewende in Richtung einer weitgehend CO2-freien Stromerzeugung bei gleichzeitiger Umsetzung des Atomausstiegs und bei Gewähr leistung der Versorgungssicherheit konsequent vorangetrie ben werden.
Eine EEG-Reform ist, um dies deutlich zu sagen, keine Strom preisbremse. Aber sie muss so angelegt sein, dass die Kosten effizienz und die Kostenverteilung beim Ausbau der erneuer baren Energien gegenüber der heutigen Situation deutlich ver bessert werden.
Was heißt dies? Ich will hier drei Punkte benennen, die ver einzelt auch schon von meinen Vorrednern genannt wurden.
Zum Ersten geht es natürlich darum, dass wir die Zahl der pri vilegierten Letztverbraucher – sprich derjenigen, die durch ei ne Befreiung von der EEG-Umlage privilegiert sind – begren zen müssen. Selbstverständlich brauchen energieintensive Un ternehmen, die in einem internationalen Wettbewerb stehen, eine Privilegierung; das ist doch völlig klar. Aber es kann nicht so weitergehen wie in den letzten Jahren, insbesondere auf
Die Menge der privilegierten Terawattstunden ist von ca. 60 auf mittlerweile ca. 95 erhöht worden, bei weiter steigender Tendenz. Das heißt, in Deutschland wird mittlerweile mehr Strom von der EEG-Umlage freigestellt, als hier in BadenWürttemberg pro Jahr verbraucht wird. Das ist eine Entwick lung, die so nicht weitergehen kann. Ich denke, da sind wir uns einig. Wenn wir hier in Deutschland nicht selbst handeln, dann wird es von Brüssel aus eine ziemlich klare Ansage hier zu geben. Denn wenn Unternehmen auf der einen Seite keine EEG-Umlage zahlen und auf der anderen Seite noch von den gesunkenen Börsenpreisen profitieren, dann ist das aus mei ner Sicht Anlass für eine Debatte über die Frage, ob dies un ter Wettbewerbsgesichtspunkten noch zu rechtfertigen ist. Wir sollten uns also nicht wundern, wenn EU-Kommissar Almu nia diese Frage ziemlich zeitnah aufwerfen wird.
Vielen Dank, Herr Minister. – Sie haben gerade darüber gesprochen, die Ausnahmen reduzieren zu wollen. Kollege Nemeth hat vorhin schon dargelegt, dass die Dimensionen dessen, was die Ausnahmen insgesamt aus machen, überschaubar sind.
Um einen nachhaltigen Effekt in den Blick zu nehmen und um auch einmal auf Baden-Württemberg zu kommen, frage ich: An welche Branchen denken Sie hier in Baden-Württem berg in besonderer Weise, wenn es Ihnen darum geht, solche Ausnahmen zu reduzieren?
Ich denke jetzt nicht an bestimmte Branchen, Herr Kollege Lusche. Ich will aber einmal ein Beispiel nen nen: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man sich darauf verständigt, wieder zu dem Maß zurückzukehren, das wir 2010 mengenmäßig hatten. 2010 waren es bundesweit etwa 800 oder 900 Unternehmen, und es ging um ein Volumen von plus/minus 65 TWh. Ich glaube, dies wäre eine vernünftige Grundlage für eine Debatte.
Es dient der Sache also sicher nicht, hier nun über einzelne Unternehmen oder über einzelne Branchen zu reden. Ich kann aber beispielsweise nicht so recht verstehen, weshalb etwa der Braunkohletagebau beim EEG privilegiert ist. Ich kann nicht erkennen, dass dieser in einem internationalen Wettbewerb steht. An solche Beispiele denke ich.
Ein zweiter wichtiger Punkt: Wenn man über die Frage der Kostenreduzierung redet, muss man auch darüber diskutieren, ob es so weitergehen kann, wie wir es in den letzten Jahren erlebt hatten, nämlich dass es zu einer immer stärkeren Aus weitung der Befreiung des Eigenstromverbrauchs von der Umlage kam. Ich denke, das geht nicht. Das führt zu einer Entsolidarisierung hinsichtlich der Verteilung der Kosten der
Energiewende. Auch hier gilt es, Maß und Mitte zu finden, nämlich insofern, als die Anlagen und die Betreiber ab einer bestimmten Anlagengröße angemessen in die Finanzierung der EEG-Umlage einbezogen werden.
Ich will noch einen dritten Punkt nennen: Wenn sich die Um lage wegen der sich vergrößernden Lücke zwischen der Ver gütung, wie sie im EEG festgelegt ist, und den sinkenden Bör senstrompreisen erhöht – das ist wiederum in der vorletzten Woche Fakt gewesen; plus/minus 50 % der Umlagenerhöhung sind nämlich über die Differenz zwischen Börsenstrompreis und EEG-Umlage zu erklären –, sollte auf der anderen Seite die Stromsteuer entlang des Ausbauanteils, den wir bei den erneuerbaren Energien erreicht haben – mittlerweile sind es etwa 25 % –, entsprechend gesenkt werden. Damit würden die Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet.
Wenn man diese drei Dinge, die ich eben genannt habe, zu sammennimmt, wenn man also die Privilegierung der Indus trieunternehmen auf ein vernünftiges Maß zurückführt, die Eigenstromerzeugung und den Eigenstromverbrauch zukünf tig vernünftig regelt und bei der Stromsteuer so verfährt, wie ich es gerade gesagt habe, dann kämen wir kurzfristig auf ein Einsparvolumen von 3 Milliarden € jährlich. Das ist nicht die Welt – um dies gleich auch einmal zu sagen –,
aber trotzdem ist dies ein kurzfristig möglicher Einspareffekt, den man an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterge ben kann.
Meine Damen und Herren, das EEG hat in der Vergangenheit als Geburtshelfer – ich will einmal diesen Begriff verwenden – für die erneuerbaren Energien, wie ich finde, gut, um nicht zu sagen sehr gut, funktioniert.
Übrigens, Herr Kollege Nemeth – auch da liegen Sie falsch –: Das war keine ausschließlich grüne Idee, sondern es ist in Zu sammenarbeit mit jemandem entstanden, der heute leider nicht mehr unter uns weilt, nämlich Hermann Scheer.
Er war einer derjenigen, die die Entwicklung hier wesentlich mit vorangetrieben haben, neben anderen wie etwa Hans-Jo sef Fell. Das war damals ein typisches rot-grünes Projekt von Einzelnen.
Es war, wie ich finde, ein Erfolgsprojekt, da wir sehr schnell – innerhalb von 13 Jahren – von einem Anteil der erneuerba ren Energien von 4 % auf 25 % gekommen sind. Jetzt ist es an der Zeit – um im Bild zu bleiben –, die erneuerbaren Ener gien, die jetzt den Kinderschuhen entwachsen sind, ins Er wachsenenalter zu überführen.
Wer allerdings – ich finde, das gehört in dieser Debatte auch dazu – daraus den Schluss zieht, zu sagen: „Wir brauchen kei ne Förderung mehr“ – auch solche Akteure gab es in den letz ten Wochen und Monaten; ich erinnere beispielsweise an den neuen Präsidenten des DIHK, Eric Schweitzer, der sagt: „So fortiger Stopp der PV-Förderung, die Onshorewindenergie nur noch über die Börsenpreise finanzieren, bei der Offshorewind
energie das, was begonnen ist, über das EEG fertigstellen, und dann Schluss machen“ –, der – ich sage es einmal deutlich – soll gleich sagen: „Wir wollen wieder zurück in die alte Welt.“ Denn wenn sich schon konventionelle Bestandskraftwerke, die abgeschrieben sind, nicht mehr rechnen, wie sollen sich dann neue Erzeugungsanlagen – gleich welcher Art – bei sin kenden Börsenpreisen rechnen? Das geht nicht.
Vielmehr braucht man auch in Zukunft einen Finanzierungs mechanismus, um nicht zu sagen – das ist unsere Auffassung, die auch durch das Gutachten belegt wird, das die Landesstif tung in Auftrag gegeben hat – mehrere Finanzierungsmecha nismen, und zwar entlang der verschiedenen Technologien. Die Technologien befinden sich in unterschiedlichen Stadien. PV und Onshorewindenergie sind sehr weit entwickelt. Bei diesen sind die Kostenlernkurven in den vergangenen Jahren drastisch nach unten gegangen. Bei Offshorewindenergie ste hen wir ganz am Anfang. Bei der Biomasse ist die Situation wieder ganz anders. Der Einsatz von Biomasse ist sehr flexi bel; damit kann gleichzeitig sowohl Strom als auch Wärme erzeugt werden.
Es macht also Sinn, diese Technologien unterschiedlich zu be trachten und nicht mehr wie bisher alles über die gleiche Sys tematik im EEG zu behandeln.
Eines sei aus aktuellem Anlass auch noch einmal erwähnt: Wenn es heißt, man könne so etwas über Börsenpreise finan zieren und brauche gar keine Finanzierungsmechanismen mehr, empfehle ich einen Blick ins benachbarte Ausland. In England wird dieser Tage über den Bau zweier neuer Kern kraftwerke diskutiert. In England denkt man – um es im über tragenen Sinn zu sagen – über ein staatlich garantiertes Ein speiseentgelt analog unserem EEG nach, mit dem diese Kern kraftwerke wie folgt finanziert werden sollen: Über 35 Jahre hinweg würden die Betreiber anfangs 10,9 Cent pro Kilowatt stunde bekommen. Wenn man das einmal auf 20 Jahre um rechnet, sind es nicht 10,9 Cent, sondern 19,1 Cent.
Wenn man den Inflationsausgleich noch dazurechnet, Herr Kollege Glück – – Von solchen Vergütungen träumen bei uns die Solaranlagenbetreiber, die Windkraftanlagenbetreiber und die Biomasseanlagenbetreiber. Wir reden hier über eine Tech nologie, die seit 50 Jahren auf dem Markt ist. So viel zu der Behauptung, die erneuerbaren Energien seien teuer.
nämlich das Problem, dass die Börsenstrompreise sinken. Das Sinken der Börsenstrompreise in Deutschland ist kein Phäno men, das mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien einher geht, sondern ein Phänomen liberalisierter Märkte.
Deswegen kommt man in England auf die verrückte Idee, die se Risikotechnologie zukünftig auch noch mit so einer Vergü tung zu finanzieren.
Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu den Vorschlägen des Gutachtens machen; ich möchte sie noch kurz vorstellen.
Zum Schluss bitte. – Im Gutachten wird emp fohlen, dass wir langfristig – als Alternative zur heutigen Form der Finanzierung der erneuerbaren Energien – technologie spezifische und regionalbezogene Ausschreibungen machen. Ich halte das für richtig, weil ich glaube, dass darüber dann auch mehr Kostentransparenz entsteht. Deswegen halte ich es für richtig.
Aber dies können wir nicht von heute auf morgen umsetzen, weil damit natürlich eine ganze Reihe von Fragen zusammen hängen, die noch offen sind. Es geht etwa um die Frage, in welcher Region welche Technologie in welchem Umfang usw. eingesetzt werden soll. All dies gilt es zu klären.
Es gilt auch, die Erfahrungen aus dem Ausland hier mit ein zubeziehen. Es gibt Länder, die solche Ausschreibungen schon machen, beispielsweise Brasilien bei Onshorewindenergie und Schweden bei verschiedenen Technologien. Dies gilt es mit einzubeziehen.