Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

Es gilt auch, die Erfahrungen aus dem Ausland hier mit ein zubeziehen. Es gibt Länder, die solche Ausschreibungen schon machen, beispielsweise Brasilien bei Onshorewindenergie und Schweden bei verschiedenen Technologien. Dies gilt es mit einzubeziehen.

Ich glaube aber, wie gesagt, dass das Ausschreibungsmodell mittel- bis langfristig gesehen Sinn macht. Übrigens stehen wir mit dieser Überlegung nicht allein da. Ich hatte gestern ei ne Diskussion mit Hildegard Müller, der Vorstandsvorsitzen den des BDEW. Der BDEW hat auch Vorschläge vorgelegt. Sie gehen in eine ganz ähnliche Richtung. Auch der BDEW denkt mittel- bis langfristig an ein Ausschreibungsmodell.

Auf dem Weg zu einem Ausschreibungsmodell sollten wir, glaube ich, das zum Tragen bringen, was ich eben genannt ha be, nämlich unterschiedliche Fördersystematiken für die un terschiedlichen Technologien.

Wir könnten uns vorstellen, in einem novellierten EEG für Onshorewindenergie, für Fotovoltaik und für die Wasserkraft anlagen ein sogenanntes Optionenmodell zum Tragen zu brin gen. Was heißt das? Das ist ein zweigeteiltes Modell. Zum ei nen hätten wir das sogenannte Bürgermodell, das sich an klei nere und hinsichtlich des unternehmerischen Risikos zurück haltende Investoren richtet, also Privatpersonen, Bürgerinnen und Bürger, Bürgerenergiegenossenschaften, um diese einmal als Beispiel zu nehmen. Ihnen würde nach diesem Modell wie bisher eine Einspeisevergütung garantiert, allerdings in einer Höhe, bei der unter dem Strich lediglich eine kleine Rendite übrig bleibt, sozusagen das Sparbuch für weitgehend vom un ternehmerischen Risiko befreite Investoren. Dieses sogenann te Bürgermodell zielt auf den dezentralen, eher kleinteiligen und bürgernahen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Die zweite Option ist parallel dazu das „Integrationsmodell“. Adressat sind die risikooffeneren Investoren, die Unterneh

men, die Projekteure, die Gesellschaften. Wer bei einem ge planten Neubau diese Finanzierungsoption wählen würde, be käme keine Einspeisevergütung mehr, sondern eine vorher festgelegte Kapazitätsprämie. Er genießt darüber hinaus auch keinen Einspeisevorrang. Vielmehr muss er direkt vermark ten.

Ein Wechsel zwischen den Modellen wäre ausgeschlossen, um dies auch deutlich zu sagen.

Das „Integrationsmodell“ wäre aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Schritt zu mehr Markt und mehr Wettbewerb, einem Ausbau in größerem Stil, aber dann eben auch in echter Kon kurrenz zwischen den Anbietern.

Wir könnten uns vorstellen – ich habe es eben schon erwähnt –, die Biomasse aus der EEG-Systematik ganz herauszuneh men und zukünftig im KWK-Gesetz anzusiedeln; dahin ge hört sie meines Erachtens. In den meisten Fällen reden wir bei Biomasse über Strom- und Wärmeerzeugung, wir reden über Flexibilität, die sich für die Biomasse als Vorteil erweist. Auch darüber sollten wir, glaube ich, nachdenken.

Jetzt komme ich noch zu einem weiteren Vorschlag, der auch in diesem Gutachten enthalten ist, nämlich zu der Frage, wie wir die Windenergieförderung zukünftig gestalten. Herr Hauk, ich habe mich etwas gewundert über Ihre Äußerung – ich glaube, Sie haben es in einer Pressekonferenz gesagt –, es wä re ein unsinniger Vorschlag, den wir da machen.

Heute ist die Situation so, dass an den Standorten mit 130, 140, 150 % des Referenzertrags, wie es die Fachleute ausdrü cken, also an den sehr guten Standorten in Norddeutschland, richtig üppig Geld verdient wird.

Ich finde, das geht so nicht mehr weiter.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Langsam, langsam. – Was ist das Problem? Heute ist die EEG-Systematik bei der Windenergie von Norden bis Süden gleich angelegt. Uns schwebt vor – wir haben hierzu ein Mo dell entwickelt, nämlich das modifizierte Referenzertragsmo dell –, dass bei den sehr guten Standorten im Norden mit 130, 140 % Ertrag eine geringere Vergütung pro Kilowattstunde, nämlich in der Größenordnung von 6 bis 7 Cent pro Kilowatt stunde, gezahlt werden soll, während an den Referenzstand orten mit 70 % Ertrag, wie sie in Bayern und Baden-Württem berg überwiegend zu finden sind, eine auskömmliche Vergü tung – als Hausnummer nenne ich einmal eine Größenord nung von 9 Cent je Kilowattstunde; heute liegen wir leicht da rüber, da liegen wir bei 9,3 oder 9,4 Cent pro Kilowattstunde – benötigt wird.

(Abg. Peter Hauk CDU: Also mehr Geld für weniger Strom!)

Nein, das stimmt doch gar nicht.

(Abg. Peter Hauk CDU: Mehr Geld für weniger Strom!)

Hören Sie nicht zu, oder was?

(Abg. Paul Nemeth CDU: Wir haben schon verstan den!)

Ich habe Ihnen doch gerade gesagt: Wenn die Vergütung in Norddeutschland abgesenkt wird und auch bei uns leicht ab gesenkt wird, dann wird sogar noch ein Einspareffekt in Hö he einer zweistelligen Millionensumme erzielt. Das ist der Ef fekt. So etwas sollte man nicht als unsinnigen Vorschlag be zeichnen, wie Sie das in Ihrer Pressekonferenz gemacht ha ben. Ich will Ihnen einmal sagen: Ich habe diesen Vorschlag zusammen mit meinem Kollegen Marcel Huber aus Bayern im Frühjahr bei der Debatte mit dem Kollegen Altmaier um die sogenannte Strompreisbremse eingebracht. Wäre damals der Bundeswirtschaftsminister nicht so vernagelt gewesen, dann wären wir mit diesem Vorschlag durchgekommen. Das ist der Fakt. Das ist meines Erachtens ein ganz vernünftiger Vorschlag, um hier in der Sache voranzukommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass dieses Gutachten gute und kluge Vorschläge enthält. Wir haben sie letzte Wo che im Rahmen einer großen Veranstaltung in der Landesver tretung in Berlin, an der 150, 160 Fachleute teilgenommen ha ben, vorgestellt. Es gab eine intensive Diskussion. Wir haben viele positive Rückmeldungen dazu bekommen. Ich glaube, dass wir damit auf einem guten Weg sind. Wir werden die Vor schläge in geeigneter Weise weiter in die Debatte einbringen.

Zum Abschluss noch ein Hinweis: Vor wenigen Tagen hat die „Stuttgarter Zeitung“ eine, wie ich finde, hochinteressante Analyse zur Frage der Förderung – meines Erachtens sollte man besser „Finanzierung“ sagen; das ist der richtige Begriff, und nicht „Förderung“ – der erneuerbaren Energien und der Energiewende veröffentlicht. Zum Schluss dieses Artikels mit der Überschrift „Die Energiewende – ein steiniger, aber rich tiger Weg“ schreibt die Redakteurin Eva Drews – ich zitiere –:

Gleichzeitig wird Deutschland mit Sicherheit von dem Technologievorsprung profitieren, den es jetzt auf einem steinigen Weg erwirbt. Langfristig führt die deutsche Energiewende auch ökonomisch in die richtige Richtung – sofern wir aus Fehlern

Fehlern der Vergangenheit –

auf dem Weg lernen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Gute Rede, Herr Minister! – Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE: Sehr gute Rede! – Abg. Paul Nemeth CDU: Sie sollten den ganzen Artikel zitieren! – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, Sie wollten am Schluss Ihrer Rede noch die Frage des Kollegen Zimmermann zulas sen.

Danke schön. – Ich habe zwei Fragen, die Sie kurz beantworten können.

Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Energieversorger und insbesondere auch der Verbraucher, wenn es zu einer Öff nung des Strommarkts in Europa kommt, der Verbraucher al so unter den europäischen Anbietern wählen kann? Der deut sche Verbraucher kann ja bislang seinen Strom nicht z. B. von

einem französischen Versorger beziehen. Aber diese Möglich keit soll in ein bis zwei Jahren bestehen. Trifft dies zu, und wie beurteilen Sie das?

Zweitens: Sie reden immer von der Strombörse in Leipzig – das Geschehen wechselt immer mehr nach Frankfurt. Wie be urteilen Sie die Situation, dass – vergleichbar mit der Situati on von vor 13 Jahren bei BSE, als die Schweizer und die Fran zosen Rindfleisch in Deutschland günstig gekauft haben – die Schweizer an der deutschen Strombörse günstig Energie be ziehen oder dafür sogar Geld bekommen, während der deut sche Verbraucher die Differenz über die EEG-Umlage zahlen muss?

Herr Kollege Zimmermann, zunächst einmal will ich mit einer falschen Aussage aufräumen, nämlich der Aussage, die Sie zum Schluss gemacht haben. Die genaue Zahl hierzu habe ich nicht im Kopf; ich liefere sie Ihnen aber gern nach. Derzeit wird bei uns mehr Strom exportiert als im portiert – plus/minus 20 Milliarden kWh Exportüberschuss.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Zu welchem Preis?)

Im Jahr 2012 war es so – die Bundesnetzagentur hat die Zah len veröffentlicht; ich werde sie Ihnen nachreichen –, dass über das Jahr hinweg die Erlöse aus dem Export im Schnitt höher waren als die Importkosten für den Strom. Daher ist die se Mär, dass wir den Strom verschenken würden, einfach Un sinn. Sorry!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zweitens: Wenn man schon der Meinung ist, dass auch im Energiesektor ein europäischer Binnenmarkt geschaffen wer den sollte – ich bin dieser Meinung, Sie ja offensichtlich auch –, dann gilt das natürlich für alle Bereiche. Dann bedeutet das auch, dass ausländische Energieversorger auf günstige Kapa zitäten in Deutschland Zugriff haben können, sprich dass sie hier einkaufen, wenn die Strombörse günstige Signale sendet. Umgekehrt machen das die Unternehmen bei uns aber nicht anders. Sie werden dann, wenn an ausländischen Märkten günstige Situationen sind, dort Strom einkaufen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das Kernproblem ist im Moment etwas ganz anderes. Das Kernproblem ist im Moment, dass in einer Situation, in der eigentlich genügend Strom im Markt vorhanden ist, weil die Sonne scheint und der Wind weht, trotzdem die Braunkohle kraftwerke rund um die Uhr durchlaufen. Das ist das Prob lem. Das hängt damit zusammen, dass der Emissionshandel völlig am Boden liegt und es sich für die Betreiber rechnet, die Anlage nicht abzuschalten, sondern sie sogar noch bei leicht negativen Preisen am Laufen zu halten. Das führt dazu, dass riesige Strommengen entstehen, die dann natürlich „hi nausgeschoben“ werden. Wenn wir nicht eine Reform des Emissionshandels hinbekommen – da ist die neue Bundesre gierung in der Pflicht –, wird sich dies nicht ändern. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben einer neuen Bundesregierung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Minister hat, bevor er die Zwi schenfrage des Kollegen Zimmermann beantwortet hat, schon mehr als 50 % der Gesamtredezeit der Fraktionen in Anspruch genommen, sodass ich jetzt in der zweiten Runde jeder Frak tion, die das beanspruchen möchte, zwei Minuten Redezeit dazugeben würde.

Für die Fraktion GRÜNE spricht der Kollege Renkonen.

Eine gute Nachricht vor weg: Ich werde die zusätzliche Redezeit nicht beanspruchen. Denn Franz Untersteller hat sehr ausführlich dargelegt, wie die Vorschläge der Fraktion GRÜNE aussehen: Kostendämp fung, EEG-Umlage und eine langfristige Reform des Energie markts.

Aber von Ihnen, meine Damen und Herren von der Oppositi on, habe ich bislang nichts Konkretes dazu gehört, wie Sie den Energiemarkt, auch in Baden-Württemberg, reformieren wollen. Vielmehr haben Sie nur ansatzweise die Kritik geübt, das EEG sei teuer. Das ist ein bisschen wenig, um die Ener giepolitik der Zukunft auch in Baden-Württemberg zu gestal ten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt noch zur Strompreisbremse von Peter Altmaier: Die Strompreisbremse ist eine Ökostrombremse. Minister Unter steller hat es deutlich gemacht: Uns in Baden-Württemberg muss es auch darum gehen, gerade kleine Einspeiser und Bür gerwindenergieanlagen stärker zu fördern. Durch eine Redu zierung des Zubaus, wie von Altmaier geplant, und das Feh len einer Investitionssicherheit wäre dieses Ziel ad absurdum geführt worden. Daher haben wir die Strompreisbremse von Peter Altmaier als untaugliches Instrument abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches zur Energiepo litik sagen. Die Entwicklung ist bedenklich. Während die Amerikaner 160 Kohlekraftwerke abgeschaltet haben, ist bei uns in der Bundesrepublik im ersten Halbjahr dieses Jahres der Verbrauch von Kohle um 7 % gestiegen.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Was?)