Herr Sckerl, ich möchte Ihnen ausdrücklich zugestehen, dass Sie sich mittlerweile auf einem wesentlich besseren Weg be wegen.
Ich glaube, bei den Fragen, die wir hier behandelt haben, und bei dieser Debatte hat sich eines gezeigt: Bei dem Gesetzent wurf, den Sie zur Änderung der Verfassung des Landes Ba den-Württemberg vorgelegt haben, geht es um Stuttgart 21. Das ist Ihr Hauptanliegen.
Deshalb können wir dem Gesetzentwurf so, wie er vorliegt, nicht zustimmen. Wir wollen die Verfassung nicht anlassbe zogen – wegen des Streits um einen Bahnhof – ändern. Viel mehr: Wenn wir die Verfassung ändern, tun wir das in einem Paket.
Wenn es Ihnen nicht um Stuttgart 21, sondern um die Sache, nämlich um die Weiterentwicklung der repräsentativen De mokratie in Baden-Württemberg, gegangen wäre, dann hät ten Sie heute gesagt: „Wir bieten Ihnen einen gemeinsamen Prozess an. Wir wollen die Verfassung gemeinsam ändern.“
Es geht doch nicht nur um die Absenkung der Quoren; Frau Erler hat das deutlich gemacht. Es geht um viel mehr Fragen, die wir gemeinsam besprechen sollten.
Der Weg der CDU-Fraktion wird sein, dass wir uns dieses Themas in den nächsten Monaten intensiv annehmen. Wir werden mit den Bürgerinnen und Bürgern intensiv darüber sprechen, was notwendig ist. Dann wollen wir uns in einer Enquetekommission des Landtags auf breiter Basis und, was den Prozess anbelangt, im Einvernehmen zwischen allen Frak tionen gemeinsam mit diesen Fragen beschäftigen.
Ich bin mir sicher, dass wir dann zu einem guten Ergebnis kommen werden. Denn – da sind wir uns wirklich einig – wir wollen die repräsentative Demokratie in Baden-Württemberg weiterentwickeln. Darum muss es uns gehen.
Wir schlagen Ihnen also vor: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf bei der Beratung im Ständigen Ausschuss zurück. Wir leiten gemeinsam einen Prozess ein. Dann kommen wir sicherlich auch zu einem guten Ergebnis.
Mit Freude habe ich vernommen, was Frau Staatsrätin Erler zum Thema Volksabstimmung und zu Gesetzen gesagt hat, die bei Volksabstimmungen eingebracht werden. Sie hat sinn gemäß gesagt, es dürfe kein verfassungswidriges Gesetz ein gebracht und den Bürgern bei einer Volksabstimmung vorge legt werden.
Darauf vertrauen wir, Frau Staatsrätin, und darauf werden wir ein Auge haben. Diesen Punkt werden wir genau prüfen.
Ich komme zu einem wichtigen Aspekt, über den wir noch nicht gesprochen haben, über den aber in der Schweiz im Mo ment diskutiert wird. Sie haben die Minarettentscheidung an gedeutet. In der Schweiz gibt es kein Verfassungsgericht. Des wegen hat die Schweiz bei Volksabstimmungen im Moment ein ganz großes Problem.
Sie hat das Problem, dass Gesetze zur Volksabstimmung ge stellt werden und die Regierung bei deren Annahme schließ lich sagen muss: „Wir können diese Gesetze nicht vollziehen, weil sie verfassungswidrig sind.“ In der Schweiz sind Geset ze mit einer Zustimmungsquote von 55 % angenommen wor den, die schließlich aber nicht vollzogen werden konnten.
Deswegen kommt es, wenn wir über das Thema „Volksab stimmung in Baden-Württemberg“ diskutieren – das gilt auch für das Thema Stuttgart 21 –, auf die Frage an: Liegt ein ver fassungsgemäßes Gesetz vor, oder ist das Gesetz nicht verfas sungsgemäß? Das wird die entscheidende Frage bei Stuttgart 21 sein.
Frau Präsidentin, meine sehr ver ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lassen Sie mich, an die CDU-Fraktion gerichtet, in aller Kür ze noch drei Punkte ansprechen. Ich komme wieder auf mei ne Ausgangsfrage zurück. In Ihrer eigenen Partei gibt es in zwischen genügend Menschen, die sagen: „Wir brauchen ei nen stärkeren Ausbau von plebiszitären Elementen.“ Weil Sie immer wieder mit dem Thema Stuttgart 21 anfangen, weise ich darauf hin: Inzwischen liegt sogar ein Beschluss des CDUKreisverbands Stuttgart vor, der die Landtagsfraktion der CDU ausdrücklich auffordert, eine Volksabstimmung zu un terstützen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus! – Zu rufe von der CDU, u. a. Abg. Tanja Gönner: Ohne Änderung des Quorums, Herr Stoch!)
Jetzt hören Sie zu. – Zu dem, was Kollege Mack gesagt hat – warum Sie den Gesetzentwurf ablehnen und dass er in den nächsten Monaten frisch, fröhlich, frei in einen Diskussions prozess einsteigen will –, muss ich schon sagen – das kam vorhin auch deutlich zur Sprache –: Wir reden über das The ma „Verstärkung plebiszitärer Elemente, Senkung von Quo ren“ doch nicht erst seit einem Jahr oder seit Stuttgart 21. Die Fraktion der SPD und die Fraktion GRÜNE haben diese Vor schläge in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig einge bracht. Von Ihnen war nichts zu hören als: „Wir machen das nicht.“ Jetzt zu heucheln, man habe etwas dazugelernt, ist doch nicht glaubwürdig.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Volker Schebesta CDU: Das stimmt doch gar nicht! Sie haben doch unseren Antrag in diesem Jahr abgelehnt! – Weitere Zurufe von der CDU)
Zum Thema Selbstbewusstsein: Letztlich kommen wir doch zu dem Argument, dass Sie den Gesetzentwurf jetzt aus tak tischen Gründen ablehnen
und dann in einer Diskussion womöglich dem gleichen in ei nem Jahr zustimmen werden. Was mich eigentlich beschäf tigt, ist Ihr fehlendes Selbstbewusstsein.
(Oh-Rufe von der CDU – Lachen des Abg. Volker Schebesta CDU – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch: Mit 39 %?)
Denn – jetzt komme ich auf Frau Gönner zurück –: Wer über zeugt davon ist, die besseren Argumente zu haben – das mag auch bei Stuttgart 21 der Fall sein –, der hat doch im Gegen satz zu Ihnen keine Angst vor einer Volksabstimmung. Der muss sie doch wollen.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist doch über haupt nicht das Thema! – Zurufe der Abg. Tanja Gön ner und Dr. Dietrich Birk CDU)
Hier sitzt eine Fraktion der Grünen, die eine Meinung hat, die offensiv vertreten wird, und zwar mit Argumenten. Da sitzt eine Fraktion der SPD, die ihre Meinung mit Argumenten ver treten wird.
Herr Kollege Stoch, würden Sie zugestehen, dass Bürgerbeteiligung weit mehr als eine Volks abstimmung ist?
Zweitens: Würden Sie zugestehen, dass auch heute eine Volks abstimmung über Stuttgart 21 – wenn es Ihnen gelingt, ein verfassungsgemäßes Gesetz vorzulegen – möglich ist, dass Sie uns also Vorwürfe machen, die jeder Grundlage entbeh ren?
Die Schwierigkeit liegt eher darin, dass Sie, weil Sie wissen, dass Sie heute keine Chance haben, eine Volksabstimmung zu gewinnen, sich zuerst die Verfassung zurechtschneiden, um dann zu sagen:
Frau Kollegin Gönner, eines soll ten wir nach der Debatte verstanden haben: Bürgerbeteiligung – wenn wir sie ernst meinen, z. B. in Planungsverfahren – ist weit mehr als eine Volksabstimmung. Punkt 1.
Zu Punkt 2: In Ihrem letzten Satz wurde deutlich, dass Sie ei nes nicht verstanden haben. Sie haben nämlich gesagt: „nicht gewinnen können“. Ich gehe davon aus – ich nehme jetzt mei ne eigene Sicht –: