Als Bildungspolitiker stelle ich daher fest: Wir haben gelie fert und werden weiter liefern. Als Wirtschaftspolitiker stelle ich fest: Wir gehen den Fachkräftemangel mit den Partnern im Bündnis weiter konsequent an. Und als Parlamentarier wie derhole ich meinen ausdrücklichen Dank an Wirtschaftsmi nister Nils Schmid und alle Beteiligten im Ministerium. Herr Minister, die Initiativen der letzten zweieinhalb Jahre laufen sehr gut. Das ist auch Ihr Verdienst. Unseren ausdrücklichen Dank dafür.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass wir heute in dieser Aktu ellen Debatte über die duale Ausbildung sprechen. Die duale Ausbildung ist mit Sicherheit älter als das Thema S 21. Des halb ist natürlich auch das Thema S 21 topaktuell und immer eine Aktuelle Debatte wert. Ich habe daher die Äußerung von Frau Splett nicht verstanden.
Ich werde jetzt auf das Thema Wirtschaft eingehen, und die Kollegin Viktoria Schmid wird später auf das Thema Schule eingehen.
Die duale Ausbildung – ich denke, darin sind wir uns einig – ist das Erfolgsmodell für Baden-Württemberg, und dies in zweierlei Hinsicht: Dies gilt zum einen für die Wirtschaft. Mit der dualen Ausbildung können wir für die Wirtschaft den Nachwuchs an Fachkräften generieren. Zum anderen ist sie wichtig für die ganze Gesellschaft. Sie haben es gerade er wähnt: Wir haben die geringste Jugendarbeitslosenquote in Europa. Dies ist wirklich ein Erfolg, der sich sehen lassen kann.
Wie wertvoll dieses duale System ist, sieht man, wenn man es auf andere Länder übertragen möchte. Ich erlebe es in ei nem Projekt selbst. Dabei bohrt man ganz dicke Bretter. Das gilt z. B. für Russland. Es gehört einfach eine Unternehmens kultur dazu, die gewachsen sein muss, auch ein Verständnis dafür, dass Ausbildung ein Unternehmen auch Geld kostet. Dies mit den Akteuren gemeinsam auf die Reihe zu bringen ist außerordentlich schwierig und dauert sehr lange. Umso wichtiger ist, dass wir es hier dauerhaft als Erfolgsgeschich te fortschreiben, so weitermachen und es weiterentwickeln, u. a. durch dieses Ausbildungsbündnis, auf das ich jetzt zu sprechen komme, ein Ausbildungsbündnis, das hervorragend funktioniert. Es handelt sich um eine Kooperation zwischen verschiedenen Akteuren hier in Baden-Württemberg. Kam mern, Wirtschaftsverbände, Agentur für Arbeit, Politik, die kommunalen Landesverbände und auch die Gewerkschaften arbeiten hier zusammen.
Nur zur Erinnerung: Dieses Bündnis zur Stärkung der beruf lichen Ausbildung in Baden-Württemberg geht auf das Jahr 2004 zurück. Es entstand also nicht nach dem letzten Regie
rungswechsel, sondern hat schon eine deutlich längere Ge schichte und ist damals deshalb eine sehr weitsichtige Maß nahme gewesen.
Im Jahr 2010 hat das Bündnis dann beschlossen, die Jugend lichen mit schlechten Startchancen stärker in den Blick zu nehmen. Auch das war eine sehr begrüßenswerte Entschei dung. Deshalb, Herr Kollege Fulst-Blei, sage ich: Wir disku tieren hier nichts Neues, aber das Thema ist sehr wichtig, und es ist auch sehr richtig, darüber zu reden. Denn die Heraus forderungen bei der dualen Ausbildung und im Fachkräftebe reich sind sehr, sehr groß. Insgesamt ist hier gemeinsames Handeln gefragt. Übrigens – ich verweise darauf, dass 85 % der fehlenden Fachkräfte beruflich ausgebildete Fachkräfte sind – ist Ihre Forderung im Koalitionsvertrag, 50 % der Ab schlüsse müssten Hochschulabschlüsse sein, völlig falsch. Hier ist dringend eine Korrektur notwendig. Minister Schmid hat sich hierzu auch bereits anders geäußert.
Zum Eckpunktepapier: Das vorgestellte Eckpunktepapier der Steuerungsgruppe des Ausbildungsbündnisses zielt in die rich tige Richtung. Richtig ist, dass man nach allen Jugendlichen schaut und hier vor allem nach der beruflichen Ausbildung schaut. Richtig ist auch, dass das schulische Übergangssys tem gestrafft wird und der direkte Einstieg in Ausbildung und Beruf für Schulabgänger durch mehr Praxisbezug gestärkt wird.
Das Schulfach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung“ muss natürlich kommen und wird von der Wirtschaft auch seit Langem gefordert. Bitte streichen Sie die Berufsorientierung nicht heraus; genau die brauchen wir hier unbedingt.
Wie bereits im Jahr 2010 beschlossen, wird der Fokus jetzt auf Jugendliche gelegt, die Förderbedarf haben, oder auf Ju gendliche, die ohne Förderbedarf in die Ausbildung kommen, aber keinen Ausbildungsplatz finden. Hier liegen Potenziale für unsere Wirtschaft, und natürlich drohen hier auch mensch liche Schicksale.
Was schlägt die Steuerungsgruppe an Modellprojekten vor? Einmal dieses Projekt für die duale Ausbildungsvorbereitung „AV Dual“ für Jugendliche mit Förderbedarf und „BQ Dual“ für Jugendliche ohne Förderbedarf, aber auch ohne Ausbil dungsplatz. Beide Projekte sind gute Ansätze dieses Bündnis ses, und beide Modellprojekte werden wir mit Interesse ver folgen.
Nur muss man genau beobachten, wie sich hier die Zahlen entwickeln. Denn der Ausnahmefall darf nicht zum Normal fall werden. Ein direkter Übergang in ein duales Ausbildungs verhältnis muss der Normalfall bleiben. Zu diesen Modellpro jekten darf nur zugelassen werden, wer sich mehrmals ver geblich um einen Ausbildungsplatz bemüht, nicht der, der den einfacheren Weg gehen möchte und sich beispielsweise Be werbungen erspart. Hier meine ich natürlich hauptsächlich „BQ Dual“.
Deshalb müssen die Maßnahmen gut koordiniert werden, und es muss geklärt sein, wer für diese Koordinierung zuständig ist und wer sie finanziert.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Erfolgsgeschich te der dualen Ausbildung fortschreiben – dual auch im Sinne
der Wirtschaft und im Sinne der Jugendlichen. Die CDU geht übrigens davon aus, dass das Bündnis im Jahr 2014 fortge setzt wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bündnis für Ausbildung besteht seit dem Jahr 2004 – das ist richtig –, aber wir haben mit dem Ko alitionsvertrag, den die Koalitionsparteien für die neue Lan desregierung verabschiedet haben, auch eine neue Orientie rung in das Bündnis für Ausbildung hineingebracht, nämlich den elementaren Satz, dass wir in Baden-Württemberg ein Recht auf berufliche Ausbildung verwirklichen wollen.
Warum ist das so wichtig? Herr Paal, wir reden über das du ale Ausbildungssystem. Darüber hören wir auch in Deutsch land generell immer wieder, alles sei super toll und das duale System sei ein Exportschlager. Wenn wir aber die reale Situ ation in Baden-Württemberg anschauen, sehen wir, dass wir hier seit vielen Jahren ein Problem haben: Die Zahl der Aus bildungsplätze ist in den vergangenen 25 Jahren um 30 % zu rückgegangen. Zwar sind 60 % der Betriebe ausbildungsbe rechtigt, aber nur die Hälfte davon bilden aus. Ferner befin den sich ca. 63 000 junge Menschen im Übergangsbereich, münden also direkt nach der allgemeinbildenden Schulausbil dung nicht in die duale Ausbildung ein, obwohl sie dort ei gentlich irgendwann später einmal einmünden können und dies dann auch tun. Ihre Zahl liegt in einer ähnlichen Größen ordnung wie die Zahl junger Leute, die direkt in die duale Ausbildung einmünden.
Es gibt eine Untersuchung, die aufzeigt, dass sich in BadenWürttemberg 39 % der jungen Menschen, die nicht einen Aus bildungsgang besuchen, der auf die Hochschule zielt, im Über gangsbereich befinden. 45 % gehen in das duale System. Das hört sich zunächst vielleicht noch ganz gut an, weil es mehr sind, aber der Bundesdurchschnitt sollte uns zu denken geben. Bundesweit gehen nämlich 51 % der jungen Menschen in die duale Ausbildung und 28 % in den Übergangsbereich. Wenn man Bayern zum Vergleich heranzieht, wird das Ganze noch dramatischer; denn in Bayern gehen 63 % direkt in die duale Ausbildung und ca. 16 % in den Übergangsbereich.
Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass es bei dem, was wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben und auch in das Bündnis für Ausbildung hineingetragen haben, nämlich das Recht auf Ausbildung zu verwirklichen und den Übergang von allgemeinbildender Schule und beruflicher Ausbildung ins Zentrum zu rücken, großen Handlungsbedarf gibt.
Das alte Motto – ich will es nicht kleinreden – der vergange nen Jahrzehnte, dass es keinen Abschluss ohne Anschluss ge ben soll, ist richtig und gut; das habe ich auch immer unter stützt. Das haben wir unterstützt, und das war auch eine gute Maßnahme. Das hat aber natürlich dazu geführt, dass wir in Baden-Württemberg durch diesen Anspruch den Übergangs bereich extrem ausgeweitet haben. Die Zahlen belegen es ganz klar. Hier müssen wir natürlich gegensteuern, und deswegen
ist die Reform, die diskutiert und im Konsens in den Grund zügen in das Eckpunktepapier eingebracht wurde, richtig, not wendig und gut. Denn wir müssen hier gegensteuern; das ist absolut notwendig. Dazu brauchen wir die Gemeinsamkeit. Denn für die berufliche Ausbildung sind alle zuständig.
Das Land ist zuständig, die Betriebe sind zuständig und ha ben eine Verantwortung. Alle stehen hier in der Verantwor tung, auch die Sozialpartner. Deshalb ist das Bündnis für Aus bildung auch der richtige Platz, um im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf einen neuen Ansatz zu finden.
Herr Kollege Lehmann, ich bin auch der Meinung – ich glaube, dass wird auch mani fest –, dass wir bei diesem Thema Einigkeit haben sollten und dass es darum geht, dass unser berufliches System effizient geführt werden soll. Sie haben jetzt gerade, möchte ich sagen, den Knackpunkt angesprochen: den Übergangsbereich, der in Baden-Württemberg besonders auffällig ist.
Erste Frage: Hängt das damit zusammen – das ist mir bislang nicht klar geworden –, dass die Wirtschaft zu wenig Ausbil dungsplätze anbietet, oder hängt das eher damit zusammen, dass Abgänger sich eine gewisse Orientierungsphase gönnen?
Eine weitere Frage: Könnten Sie sich vorstellen, dass die Lan desregierung darauf hinwirkt, das die Kompetenzen, die in der Übergangszeit erworben werden, insofern angerechnet wer den, dass sie in einschlägigen Berufen zu einer verkürzten Lehrzeit führen? Denn ich halte es für den größten volkswirt schaftlichen Schwachsinn, dass jemand das Berufskolleg I oder II besucht und dann noch einmal drei Jahre lang meinet wegen Industriekaufmann lernen muss.
Vielen Dank für die Fra ge. – Sie haben in allen drei Punkten völlig recht. Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze – ich habe es gesagt –, die Betriebe haben sich aus welchen Gründen auch immer zurückgezogen. Das muss bewertet werden. Es spielt auch eine Rolle, dass junge Menschen sich heute anders orientieren. Das Erwerben höherer allgemeinbildender Abschlüsse ist eine richtige Ent wicklung. Ich möchte das nicht kleinreden. Junge Menschen, die die mittlere Reife oder auch das Abitur haben, haben bes sere Voraussetzungen, im späteren Berufsleben erfolgreich sein zu können. Das ist richtig. Das sollte nicht zurückgedreht werden. Deswegen sind wir mit dieser Reform auf dem rich tigen Weg.
In der zweiten Runde möchte ich noch etwas zu den Eckpunk ten sagen und meine Rede deshalb jetzt abschließen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! In Baden-Württemberg gibt es in diesem Herbst fast 5 000 unbesetzte Ausbildungsstellen. Gleichzeitig haben rund 15 % der Jugendlichen keinen Ausbildungsplatz. Die Regie rung will das mit einem Ausbildungspakt ändern und so den Übergang von der Schule in den Beruf neu gestalten. Das Mot to lautet: Alle Jugendlichen erhalten eine Chance auf eine be rufliche Ausbildung.
Meine Damen und Herren, ich erkenne daran nichts Neues, abgesehen davon, dass der Berufsschullehrerverband bei die sen Gesprächen nicht vertreten war.
In Baden-Württemberg gab es schon immer die Chance für al le, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Ich denke, Deutsch land und insbesondere Baden-Württemberg profitieren von der dualen Ausbildung. Wenn die duale Ausbildung jetzt ge fördert wird, dann muss sie auch fördern, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Die meisten meiner Vorredner haben in ihrem früheren Be rufsleben schon einmal Ausbildung betrieben und junge Aus zubildende in ihrem Betrieb ausgebildet. Deshalb wissen sie Bescheid über die Kenntnisse der Jugendlichen.
Herr Lehmann, Sie haben vorhin gesagt, die Betriebe zögen sich hinsichtlich der Ausbildung zurück. Hierzu muss man sa gen, dass in den Ausbildungsbetrieben Meister tätig sind, die eine Ausbildereignungsprüfung abgelegt haben, aber keine Pädagogen sind. Wenn Bewerbern keine Ausbildungsreife ge geben ist, ist das natürlich ein Grund für die Betriebe, den ei nen oder anderen Bewerber nicht einzustellen.
Die Wirtschaft braucht gute Haupt- und Realschüler, aber kei ne neuen Schulsysteme. Die Wirtschaft braucht aber auch Ab iturienten. Ihr im Koalitionsvertrag festgeschriebenes Ziel, mehr als 50 % eines Jahrgangs zum Abitur zu führen, zeigt ganz klar, wohin Sie die Jugendlichen tendenziell bringen wollen.