Das heißt beim UNHCR nun einmal so. Aber, Kollege Hil lebrand, ich bin mir sicher, Sie finden jemanden, der Ihnen das übersetzt.
Man darf also guten Gewissens sagen: Deutschland hat schon sehr viel getan, was die Flüchtlingsaufnahme angeht. Wenn Ministerpräsident Kretschmann jetzt sagt, Baden-Württem berg müsse mehr Flüchtlinge aufnehmen, halte ich das aber für nachvollziehbar und absolut richtig. Wenn wir Staaten wie Italien kritisieren wollen und darauf hinweisen, dass das Auf nehmen von schiffbrüchigen Flüchtlingen etwa durch Fischer einen Straftatbestand darstellt, nämlich den der Beihilfe zur illegalen Einreise, wird klar, dass wir die Länder, in denen Flüchtlinge ankommen, nicht alleinlassen dürfen. Infolge des steigenden Flüchtlingsstroms bedeutet das in der Konsequenz: Auch Deutschland – auch Baden-Württemberg – muss mehr Flüchtlinge aufnehmen. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist: Wir haben bei der letzten Lesung des Haushalts gesagt, dass wir die Anhebung der Quadratmeter zahl pro Flüchtling von 4,5 auf zunächst 5,5 m2 für richtig hal ten. Das versteht jeder, der einmal in einem Heim für Asylbe werber war. Daher warten wir seit einiger Zeit auf die Novel le des Flüchtlingsaufnahmegesetzes und fragen uns, wo sie bleibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es darf aber in An betracht der steigenden Flüchtlingszahlen und der Anhebung der Quadratmeterzahl nicht sein, dass Sie Politik auf Kosten der Gemeinden und Landkreise machen. Zwar sind im Nach
tragshaushalt wohl mehr Mittel für eine steigende Zahl von Flüchtlingen berücksichtigt; nicht berücksichtigt ist jedoch die Anhebung der Quadratmeterzahl. Auf diesen Kosten schei nen die Kommunen zunächst einmal sitzen zu bleiben. Auch wenn es das novellierte Gesetz noch nicht gibt, sind manche Kommunen beispielhaft vorangegangen und haben bei der Einrichtung neuer Räumlichkeiten schon die höhere Quadrat meterzahl zugrunde gelegt.
Frau Ministerin, ich hatte Ihnen versprochen, Sie so lange zu nerven, bis das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz in BadenWürttemberg kommen wird. Daher lautet meine erste Frage an die Landesregierung: Wann kommt das neue Flüchtlings aufnahmegesetz ins Plenum?
Zweite Frage: Wie sieht der Umgang mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen aus? Was unternimmt das Integrationsmi nisterium in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium, um die Gemeinden und Landkreise in der schwierigen finanziel len Situation zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf den zunehmenden Flüchtlingsstrom und die Anhebung der Quadratmeterzahl?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Glück, zunächst einmal vie len Dank für die Fragen. Es ist gut, dass wir darüber diskutie ren. Sie haben recht: Das Flüchtlingsproblem ist ein Problem mit europäischer Dimension. Deshalb kann die Bundesrepu blik das Problem nicht allein lösen. Das heißt, wir sind auf ei ne gesamteuropäische Lösung angewiesen, aber auch auf die Mithilfe und Mitarbeit der anderen Länder.
In Deutschland genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Das ist ein Grundrecht. Das Asylverfahrensrecht regelt den Um gang mit den Flüchtlingen. Wir, das Land, sind verpflichtet, die Flüchtlinge aufzunehmen, und die höheren Aufnahmebe hörden müssen eine Erstaufnahme in der Landesaufnahme stelle und eine Anschlussunterbringung gewährleisten.
Das Flüchtlingsaufnahmegesetz regelt die Modalitäten. Also: Wo und wie werden die Flüchtlinge untergebracht? Welche Leistungen erhalten sie? Das ist nach dem Asylbewerberleis tungsgesetz geregelt. Wie werden sie betreut? Wie geht man vor allem mit besonderen Personengruppen – Minderjährigen oder Personen, die eines besonderen Schutzes bedürfen – um?
Wir haben eine dreigliedrige Aufnahmestruktur. Das heißt, die Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik kommen, werden dem Land nach einem besonderen Schlüssel, dem Königsteiner Schlüssel, zugewiesen. Genau so viele Flüchtlinge nehmen wir auch auf. Diese werden zunächst der Landesaufnahme stelle, der Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen. Dort werden auch die Verfahren entgegengenommen. Dann werden die Flüchtlinge so schnell wie möglich in den Stadt- und Land kreisen vorläufig untergebracht. Danach erfolgt die Anschluss unterbringung in den Städten und Gemeinden, in den Kom munen.
Das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz soll Verbesserungen bringen. Das Flüchtlingsaufnahmegesetz der Vorgängerregie rung stammt aus dem Jahr 2004. Seitdem hat es nur nach ei ner pauschalen Revision eine Änderung gegeben. Ansonsten hat sich an den Inhalten nichts geändert. Jetzt möchten wir ei nige Verbesserungen für die Flüchtlinge erreichen. Vieles wur de in den Medien diskutiert; das haben Sie mitverfolgen kön nen.
Die Eckpunkte haben wir in einer Arbeitsgruppe erarbeitet, an der das Innenministerium, das Sozialministerium, die Li ga der freien Wohlfahrtspflege, der Flüchtlingsrat beteiligt wa ren. Das MFW haben wir wegen der Kostenfrage auch betei ligen müssen.
Nach dem neuen Flüchtlingsaufnahmegesetz soll die Unter bringung nicht nur in Gemeinschaftsunterkünften möglich sein, sondern auch in Wohnungen, sofern Wohnungen zur Ver fügung stehen und es den Flüchtlingen gelingt, aus eigener Kraft eine Wohnung zu mieten. Es kann auch eine Alternati ve sein, in die Wohnung von Verwandten oder Freunden ein zuziehen. Diese Möglichkeit hatten wir den Kommunen im Wege der vorläufigen Anwendungshinweise bereits eröffnet, nachdem wir die Eckpunkte im Sommer 2012 erarbeitet hat ten; insofern wird sie bereits umgesetzt.
Eine weitere Neuerung betrifft die Unterbringungsdauer. Die Unterbringung soll nur noch bis zur abschließenden Entschei dung über den Asylantrag und nicht mehr zwölf Monate dar über hinaus dauern. Diese zwölf Monate wurden vorher ein gerechnet, weil man von der Notwendigkeit aufenthaltsbeen dender Maßnahmen ausging. Die Menschen sollten länger in der Gemeinschaftsunterkunft sein, damit sie nicht abtauchen konnten und man sie ausweisen konnte, wenn es nötig war.
Die Unterbringungsstandards sind eine der strittigsten Fragen, die wir gerade mit den Kommunen diskutieren. In BadenWürttemberg hatte ein Flüchtling bisher nur 4,5 m2 Wohn- und Schlaffläche zur Verfügung. Es gibt Länder mit durchschnitt lich 6 m2 pro Flüchtling – Bayern hat wohl 7 oder 8 m2 –, an dere Länder haben keine Regelung dazu. Baden-Württemberg war mit 4,5 m2 ein Land mit besonders strengen Standards.
Das wollen wir gern ändern, weil uns daran liegt, Menschen mindestens genauso gut zu behandeln wie unsere Tiere. Nach der Tierschutzverordnung müssen einem mittelgroßen Hund mindestens 6 m2 zur Verfügung gestellt werden. Deswegen haben wir vor, 7 m2 pro Flüchtling festzulegen. Das ist kein Luxus, sondern ein Mindeststandard, den wir erreichen wol len.
Frau Ministerin, die Antwort des Ministeriums sollte möglichst nicht länger als fünf Minuten dauern. Deswegen habe ich auf die Sprechzeit geachtet. Sie können auch, wenn Sie Ihre Ausführungen jetzt beenden, das, was Sie noch sagen wollten, in die Beantwor tung der nächsten Frage einfließen lassen.
Als Nächster wird Herr Abg. Lede Abal für die Fraktion GRÜ NE seine Frage stellen. Ich bitte, das Saalmikrofon zu benut zen. Das antwortende Regierungsmitglied bleibt vorn am Red nerpult stehen. – Bitte.
Vielleicht könnten Sie noch eine Klarstellung vornehmen. Denn der Kollege Glück hat sich da, glaube ich, etwas miss verständlich ausgedrückt und den Eindruck erweckt, die Lan desregierung sei den Kommunen bei der Erstattung der Flücht lingshilfe irgendetwas schuldig geblieben. Ich bitte Sie, zu er läutern, wie die Landesregierung auf die Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und die damit verbundene Er stattung an die Kommunen im Nachklapp zum Urteil des Bun desverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz ein gegangen ist.
Wenn wir schon bei diesem Thema sind, würde mich auch noch interessieren, was Sie speziell bei den unbegleiteten min derjährigen Flüchtlingen vorgesehen haben. Denn da gab es noch offene Fragen, wie diese im Hinblick auf das einschlä gige Sozialgesetzbuch sozialrechtlich einzugruppieren sind.
Vielen Dank. – Wir führen natürlich auch Diskussionen mit den Kommunen. Ge rade gestern habe ich mit dem Präsidenten und dem Geschäfts führer des Landkreistags ein gutes Gespräch geführt. Natür lich ist unser oberstes Ziel auch ein fairer Kostenausgleich zwischen Land und Kommunen.
Die zweite Priorität ist, ein einfaches und wenig verwaltungs aufwendiges Verfahren mit geringem Kontrollaufwand einzu richten. Sie wissen, dass wir eigentlich das System weiterfüh ren, das im Jahr 2004 von der damaligen Regierung zusam men mit den kommunalen Landesverbänden eingeführt wur de. Es gab im Jahr 2007 eine Revision. Da hat der Rechnungs hof noch einmal darauf hingewiesen, dass die Pauschalen nicht auskömmlich seien. Diese Pauschalen wurden erhöht.
Wir haben nach einer eigenen Berechnung die Pauschalen er höht. Wir gehen in Zukunft nicht mehr von 29 Monaten, son dern von etwa 18 Monaten Verweildauer aus. Das ist unser Maßstab für die Pauschale.
Wir werden die Beiträge um etwa 1,5 % pro Jahr erhöhen. Wir denken, dass das angemessen ist. Auf den Monat herunterge rechnet, beträgt die Monatspauschale im Jahr 2013 etwa 559 €. Die Pauschale soll aber über die Jahre steigen und im Jahr 2016 762 € betragen.
Insgesamt haben sich die Pauschalen in den letzten zehn Jah ren um etwa 56 % erhöht. Sie kennen die Finanzsituation des Landes. Auch die nächste Regierung wird unter diesen Gege benheiten arbeiten müssen. Deshalb sind natürlich keine Luft sprünge möglich. Aber ich denke, dass diese Pauschalen aus reichend und sachgerecht sind und sich das bisherige System bewährt hat. Deswegen halten wir daran fest.
Frau Ministerin, ich möch te gern noch einmal nachhaken, weil es hinsichtlich der Aus kömmlichkeit der Pauschalen eine massive Kritik der kom munalen Landesverbände gibt. Zum einen wird angezweifelt, dass die Höhe der Pauschalen ausreichend wäre, um die tat sächlich entstandenen Kosten zu decken. Zum Zweiten wird kritisiert, dass die geplanten Verbesserungen, die grundsätz lich begrüßenswert sind, nicht entsprechend abgebildet wer den könnten.
Weswegen sind Sie gegen eine jährliche Überprüfung der Pau schalen, zumindest in der ersten Zeit, um die tatsächlichen Auswirkungen feststellen zu können? Wenn verstärkt auf Ein zelunterbringung umgestellt wird, wird es sicherlich in Bal lungsräumen zu Problemen führen, den nötigen Wohnraum zu finden. Dort ist die Kostensituation eine andere als in eher ländlichen Gebieten.
Wie weit sind die Verhandlungen mit den kommunalen Lan desverbänden? Der Herr Ministerpräsident hatte zugesagt, die Höhe der Pauschalen insgesamt noch einmal zu überprüfen. Gibt es da Aussicht auf Einigung mit den kommunalen Lan desverbänden? Oder bleiben Sie bei Ihrer bisherigen Einschät zung, die Pauschalen seien auskömmlich? Wir wissen z. B. aufgrund von Erfahrungen mit der Angleichung der Hartz-IVSätze, dass allein durch die jährlichen Kostensteigerungen die Steigerung von 1,5 % pro Jahr nicht ausreichend sein wird.
Vielen Dank. – Wir halten die vollständige Pauschalierung der Ausgabenerstat tung für die Zeit der vorläufigen Unterbringung nach wie vor für sachgerecht. Wir haben dem Ministerpräsidenten einen Vermerk zukommen lassen, in dem wir die Spitzabrechnung dem jetzigen System gegenübergestellt haben.
Ich muss an dieser Stelle noch einmal sagen, dass es vorher auch kein reines Spitzabrechnungssystem gab, sondern eine Mischform aus pauschal und spitz abgerechneten Ausgaben bestandteilen.
Ich kenne natürlich die Diskussion darüber, dass sich gerade in Ballungsräumen und Großstädten die Mietpreise nicht so entwickeln, dass sie mit einer Inflationsrate von etwa 1,5 % abgebildet werden könnten. Aber das haben wir in unsere Be rechnungen auch einbezogen. Deshalb werden wir höchst wahrscheinlich an diesem System festhalten.
Ich habe gestern mit dem Präsidenten und dem Geschäftsfüh rer des Landkreistags darüber nachgedacht und diskutiert, mit den kommunalen Landesverbänden und dem MFW, das na türlich ein Wörtchen mitzureden hat, wenn es um Ausgaben geht, eine Arbeitsgruppe zu bilden. Denn es geht ja um Gel der, die uns alle betreffen, um Steuergelder, mit denen wir sorgfältig umgehen müssen.
Es wurde eine rückwirkende Pauschalenrevision angespro chen. So, wie ich den Landkreistagspräsidenten verstanden habe, geht es dem Landkreistag vor allem darum, dass die Landkreise, wenn sie zu viel an die Flüchtlinge gezahlt haben, diesen Teilbetrag vom Land erstattet bekommen. Aber für den
Fall, dass die Landkreise zu viel Geld bekommen haben, z. B. für Flüchtlinge – – Wir gewähren diese Pauschale für einen Zeitraum von 18 Monaten. Wenn aber z. B. Flüchtlinge aus Mazedonien oder Serbien innerhalb von drei oder sechs Mo naten wieder zurückgeführt werden, dann hätten wir zu viel Geld an die Kommunen bezahlt. Diesen Betrag würden sie uns dann zurückerstatten.
Darüber führen wir gerade eine Diskussion mit dem MFW und den kommunalen Landesverbänden. Ich habe insofern Of fenheit gezeigt, als ich das Anliegen aufnehme und versuche, dem Landkreistag in dieser Frage entgegenzukommen. Es er schien mir sehr logisch, und deswegen gehe ich dieser Sache nach.
Frau Ministerin, Ihre bisherigen Antworten haben mir schon sehr eindeutig gezeigt, welch er hebliche Verbesserungen es für Asylbewerber in unserem Land in den letzten zweieinhalb Jahren gegeben hat und noch weiter geben wird.
Nun scheint in den Köpfen die Befürchtung zu spuken, dass das Vorhaben eine hohe finanzielle Mehrbelastung für die Kommunen mit sich bringen wird. Könnte es nicht sogar sein, dass diese durch die Erhöhung der Pauschale und durch die Verkürzung der Verweildauer entlastet werden?
Ferner würde ich gern wissen, welche Bestandteile des Ge setzes – also einzelne Bestandteile zur Neuordnung – dezi diert integrationsfördernden Charakter haben und auch eine bessere Teilhabe von Flüchtlingen in unserem Land ermögli chen.