Da kann ich es nicht verstehen, Frau Ministerin, dass Sie mit Schreiben vom 18. Juli 2012 an die Landräte und Oberbürger meister das Interessenbekundungsverfahren für den Baustein „Sozialer Arbeitsmarkt/Passiv-Aktiv-Transfer“ in die Wege leiten und wörtlich schreiben – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –
Wichtig ist mir der Hinweis, dass es der Landesregierung mit diesem modellhaften Ansatz nicht in erster Linie da rum geht, möglichst schnell viele Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auch nicht möglich.
In Wahrheit geht es Ihnen also bei der heutigen Debatte nicht um eine nachhaltige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, son dern darum, schnell Erfolge zu verkünden, von denen es sonst in dieser Regierung offenbar wenige gibt.
Meine Damen und Herren, das ist so, als würden Sie im Fuß ball eine Mannschaft aufstellen und schon in der Kabine fei ern, obwohl das Spiel noch gar nicht zu Ende ist. Diese Her angehensweise ist ziemlich gefährlich und kann zu einem bö sen Erwachen führen.
Damit komme ich zum nächsten „Spielfeld“. Sie wissen, Herr Kollege Hinderer, dass Arbeitsmarktpolitik vor allem von bun despolitischen Entscheidungen geprägt ist. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist natürlich erfreulich: Die Arbeitslosen quote liegt bei 3,9 %, die Jugendarbeitslosenquote bei 2,7 %, die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich beinahe halbiert, sie sank von 110 000 im Jahr 2005 auf 70 000 im Jahr 2013. Das alles ist ein arbeitsmarktpolitischer Erfolg.
Aber Sie werden uns doch nicht im Ernst weismachen wol len, dass für diesen Erfolg Ihre Instrumente, die politische Ar beit Ihrer Landesregierung verantwortlich ist. Dafür ist nur ei ner verantwortlich, und das ist die CDU-geführte Bundesre gierung in Berlin.
Wenn Sie von Kahlschlägen durch die Bundesregierung spre chen, möchte ich Ihnen gern noch zwei Zahlen nennen: 2006 standen für die Vermittlung von 2,8 Millionen Menschen, die Leistungen nach dem SGB II empfingen, 4,5 Milliarden € zur Verfügung. Das gibt pro Kopf – Herr Schmiedel ist nicht da; er hat normalerweise einen Taschenrechner dabei, aber ich kann es Ihnen sagen – 1 600 €.
2013 standen im Bundeshaushalt für 1,86 Millionen Men schen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, 4,4 Milli arden € zur Verfügung. Das sind 2 400 € pro Kopf. Das ist al so mehr und keine Kürzung. Wer da von einem Kahlschlag bei den Instrumenten durch die Bundesregierung spricht, kann einfach nicht rechnen, Herr Hinderer.
Meine Damen und Herren, das alles wäre ein ehrlicher Bei trag zur heutigen Debatte gewesen. Aber bei allem parteipo litischen Diskurs wünsche ich mir, dass wir es im Bund ge meinsam schaffen – Herr Hinderer hat ja schon fleißig aus dem möglichen Koalitionsvertrag zitiert –, die gute Entwick lung auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig zu sichern, Langzeitar beitslose erfolgreich zu vermitteln und Anreize bei der Aus bildung und der Qualität für den ersten Arbeitsmarkt zu set zen, und uns nicht mit der dauerhaften Alimentierung im zwei ten Arbeitsmarkt abfinden und bei der Vermittlung keine Kon kurrenzsituation zu den Jobcentern schaffen. Auch wenn das Landesarbeitsmarktprogramm die richtige Richtung andeutet – sonst hätten wir auch nicht zugestimmt –, verstehen wir nicht, warum die Einsetzung eines Beirats aus Vertretern des Parlaments und des Ministeriums durch die Frau Ministerin abgelehnt wurde.
Liebe Kollegen, speziell von der SPD, Sie können sich nach haltig dafür einsetzen, dass wir die gute Arbeitsmarktpolitik fortführen und auch weiter vorankommen, indem Sie dem Ko alitionsvertrag zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute das Thema Landesarbeitsmarktprogramm – ein Erfolgsmodell – auf der Tagesordnung. Meiner Meinung nach war es der rich tige Schritt, dieses Landesarbeitsmarktprogramm auf den Weg zu bringen.
Natürlich ist es auf der einen Seite traurig, dass man überhaupt ein Landesarbeitsmarktprogramm auf den Weg bringen muss. Auf der anderen Seite verdeutlicht es, dass dringender Hand lungsbedarf besteht, weil die vorhandenen Instrumente nicht „stimmen“, um insbesondere Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen.
Dies wird auch noch einmal deutlich, wenn man sich die Ar beitslosenzahlen für Baden-Württemberg anschaut. Beim Ver gleich verschiedener Land- und Stadtkreise zeigt sich, dass die Arbeitslosenzahlen seit 2009 erfreulicherweise sehr deut lich zurückgegangen sind. Wir haben heute z. B. in Stuttgart mit 5,6 % eine Arbeitslosenquote, die im Vergleich zu der in meinem Landkreis mit 2,9 % bzw. 3 % zwar noch relativ hoch ist; aber man kann feststellen, dass sich die Langzeitarbeits losenzahlen mehr oder weniger verstetigt haben. Das heißt, der prozentuale Anteil der Langzeitarbeitslosen beträgt über all 1,5 %, 1,9 %, teilweise 2 %.
Daran müssen wir ansetzen. Das haben auch die Kommunen erkannt, die schon um die Jahrtausendwende kommunale Be schäftigungsgesellschaften eingerichtet haben. Aufgrund des Rückgangs der Arbeitslosenzahlen haben sich die Zuweisun gen von der Bundesagentur für Arbeit verringert, wodurch die Beschäftigungsgesellschaften unter Druck geraten sind bzw. ihre wirtschaftliche Existenz infrage gestellt wurde.
Daher war es auch richtig, dass verschiedene Kommunen ge sagt haben: „Wir brauchen dringend ein Beschäftigungspro gramm, um diese Strukturen aufrechterhalten zu können.“ Da durch haben manche Kommunen Arbeitsmarktprogramme entwickelt, und es war nur konsequent, dass die Landesregie rung 2012 dieses Landesarbeitsmarktprogramm beschlossen hat. Die Diskussion in der Konferenz „Pro Arbeit“ – darauf hat Herr Hinderer bereits hingewiesen – hat noch einmal sehr deutlich gemacht, wie nachhaltig dieses Landesarbeitsmarkt programm wirkt.
Wir brauchen auf Bundesebene Instrumente, die die kommu nalen Beschäftigungsgesellschaften vor Ort absichern und da zu beitragen, die Beschäftigungsgesellschaften aufrechtzuer halten. Wir brauchen aber auch Instrumente, die es ermögli chen, dass z. B. langzeitarbeitslose Jugendliche in eine Aus bildung kommen bzw. dass arbeitslose Jugendliche z. B. durch die assistierte Ausbildung in einen Beruf eingeführt werden. Diese Instrumente gab es in dieser Form bis jetzt noch nicht. Daher haben die Instrumente, die wir mit dem Landesarbeits marktprogramm geschaffen haben, für diese Menschen eine nachhaltige Wirkung und müssen umgesetzt werden.
Mit diesem Landesarbeitsmarktprogramm hat die grün-rote Landesregierung einen wichtigen, beispielgebenden Beitrag zu einer nachhaltigen Arbeitsmarktpolitik geleistet.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Landesarbeits marktprogramm, das die grün-rote Landesregierung auf den Weg gebracht hat, hat durchaus einige positive Ansätze.
Als es beschlossen wurde, haben wir einige Punkte kritisiert, weshalb dann noch einiges geändert wurde. Ich erinnere mich, dass zunächst einmal geplant war, den Passiv-Aktiv-Transfer nur für den sozialen Arbeitsmarkt im öffentlichen Bereich ein zuführen. Für uns war der Punkt, dass ausschließlich der Ar beitsmarkt der öffentlich Beschäftigten entwickelt werden sollte, Grund zur Kritik. Das wurde geändert. Etwa die Hälf te der Personen, die an diesem Programm teilnehmen, sind in der privaten Wirtschaft beschäftigt.
Ich stimme Kollegen Schreiner zu, wenn er sagt, es sei noch sehr früh, jetzt zu beurteilen, was dieses Programm tatsäch lich bringt. So nehmen z. B. am Baustein 1 des Programms derzeit 500 Menschen teil, die jetzt 500 € im Monat vom Land erhalten, 400 € Eingliederungszuschuss von der Agentur für Arbeit, 350 € vom Landkreis für Unterkunft und Verpflegung und 150 € vom Arbeitgeber. Ich glaube, wir müssen die drei jährige Phase abwarten, um einschätzen zu können, ob das
Programm zu einer nachhaltigen Beschäftigung führt oder ob es bei einem dreijährigen Versuch bleibt und die Beschäfti gung nicht dauerhaft erfolgt. Das ist ganz entscheidend.
Im Übrigen hat im Juni der Sozialausschuss über den Antrag des Kollegen Hinderer zu diesem Thema gesprochen. Darin steht, dass die Evaluation frühestens im nächsten Jahr erfol gen könne.
Ich kann mir die heutige Aktuelle Debatte nur so erklären: Die SPD steht vor einer Mitgliederbefragung zum Koalitionsver trag. Jetzt braucht sie irgendetwas Positives, um für diese Mit gliederbefragung Impulse zu schaffen.
Anders lässt es sich nicht erklären. In der kommenden Woche besprechen wir das Thema auch wieder im Sozialausschuss, nämlich im Zuge der Beratung des Antrags des Kollegen Hin derer mit dem Titel „Bessere Hilfen für arbeitsmarktferne Per sonen“. An dieser Stelle darf ich daran erinnern – der Arbeits markt ist vom Grundsatz ein bundespolitisches Aufgabenfeld –, dass man wirklich nicht nur durch die Agenda 2010, son dern auch durch die Arbeitsmarktpolitik und vor allem durch die Wirtschaftspolitik von 2005 bis 2011 die Zahl der arbeits losen und der langzeitarbeitslosen Menschen um über 40 % reduziert hat. 2005 gab es 1,5 Millionen Langzeitarbeitslose, 2011 nur noch 886 000.
Die stark kritisierte Instrumentenreform in der Arbeitsmarkt politik lässt sich insoweit auch als Oppositionsgeplänkel ent schärfen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was meinen Sie mit Oppositionsgeplänkel? Die FDP/DVP redet von Op positionsgeplänkel?)
Kollege Schreiner hat die Zahlen genannt und dargelegt, dass die Arbeitslosenquote, wenn man sie ins Verhältnis setzt, jetzt deutlich höher ist als vor der Wirtschaftskrise. Mit den Inst rumenten der freien Beschäftigungsförderung kann man auch neue Möglichkeiten schaffen, auch für die Beschäftigung im öffentlichen Bereich und um Programme im Jobcenter flexi bel zu gestalten.
Herr Hinderer, in Ihrem Antrag, über den wir in der nächsten Woche diskutieren, ist auch erwähnt, dass im Positionspapier 2020 der Bundesagentur für Arbeit steht, dass man es mit die sen Instrumenten nachhaltig schaffen wird, Langzeitarbeits lose bzw. arbeitsmarktferne Personen in Arbeit zu bringen. Ich glaube, wir dürfen die Programme nicht nebeneinander stel len. Wir müssen vielmehr ein Miteinander erreichen, damit wir für die Langzeitarbeitslosen und für die Programme, die Sie gestalten, auch einen einheitlichen Impuls schaffen. Das ist das Wichtigste.
In dieser Drucksache, über die wir in der nächsten Woche dis kutieren, steht auch, dass – im übertragenen Sinn – der Kreis 360 Grad hat und dass es nicht nur auf die Programme an kommt, sondern auch auf den Arbeitsmarkt und die Arbeits marktbedingungen. Hier zeigt sich das Problem der SPD wie der sehr deutlich. Es gehört nämlich auch eine gute Wirt schaftspolitik dazu. Wenn Sie einerseits zwar versuchen, den Arbeitsmarkt zu gestalten, auf der anderen Seite aber die Un ternehmen, die die Arbeitsplätze schaffen, knebeln und gän
geln – wie man auch aus dem Koalitionsvertrag herausliest –, dann wird man mit den Programmen mit Sicherheit nicht das erreichen, was man erreichen möchte.
Sie erwarten ein sauberes „Tischlein, deck dich“ von den Ar beitgebern, holen aber dann gleich wieder den Knüppel aus dem Sack.