Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

So wird eine Arbeitsmarktpolitik nicht funktionieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD zur CDU: Bloß kein falscher Applaus! Das habt ihr mit unterschrie ben!)

Deswegen sage ich: Eine Arbeitsmarktpolitik funktioniert nur in Verbindung mit einer Wirtschaftspolitik, die die Möglich keiten schafft, Langzeitarbeitslose – so, wie es in den letzten Jahren funktioniert hat – zu erreichen. Wenn ich die Themen der Programme anschaue – angefangen beim Mindestlohn über Regularien für geringfügig Beschäftigte, Arbeitnehmer überlassung bis hin zur Leiharbeit –, habe ich ernsthafte Zwei fel, dass man damit für die Menschen, für die wir eintreten, auch nachhaltig Arbeit schafft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Altpeter.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorhin wurde in der Debatte bereits das Bild des Fußballspiels bemüht, bei dem man erst am Ende ein Resümee zieht, das heißt, wenn der Schiedsrichter das Spiel abgepfiffen hat. Was muss das aber für ein Trainer sein, der sich nicht in der Halbzeit zu seinen Spielern setzt und sagt: „Jungs, hier und hier könnt ihr noch etwas anders machen, das und das habt ihr gut gemacht“ und sie dann motiviert und wie der aufs Spielfeld schickt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber man macht in der Halbzeit keine Aktuelle Debatte!)

Insofern, denke ich, ist es – unabhängig von dem heute Mor gen um 5:00 Uhr beschlossenen Koalitionsvertrag auf Bun desebene – gut, wenn wir heute nach der Halbzeit des Lan desarbeitsmarktprogramms eine erste Bilanz ziehen.

Dieses Programm haben wir speziell für die Gruppe der be nachteiligten Menschen, der Alleinerziehenden und der Lang zeitarbeitslosen mit den fünf Bausteinen entwickelt, nämlich der modellhaften Entwicklung eines sozialen Arbeitsmarkts, dem Modellversuch Passiv-Aktiv-Transfer, der Ausbildung für Benachteiligte, der modellhaften Sicherung der Nachhal

tigkeit der Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt, der modellhaften Unterstützung von Arbeitslo senberatungszentren und nicht zuletzt mit dem Baustein „Ar beit und Gesundheit“.

Wir haben unmittelbar nach dem Regierungswechsel mit die sem Programm begonnen. Heute bietet sich in der Tat eine gu te Gelegenheit, eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Wir haben in Baden-Württemberg die Instrumente des SGB II sinnvoll und zweckmäßig zugunsten der langzeitarbeitslosen Menschen weiterentwickelt. Ich denke, mit dem Modellver such Passiv-Aktiv-Transfer zeigt das Land hier, wie es gehen kann. Denn wir haben ein Fördermodell entwickelt, mit dem Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das bedeutet, dass die passiven Leistungen an Langzeitar beitslose – z. B. bezahlen die Kommunen die Kosten der Un terkunft und der Heizung – umgewidmet, aktiviert werden und mit diesem Geld ein Arbeitsplatz gefördert wird.

So haben wir es ermöglicht, dass der Arbeitgeber langzeitar beitslose Menschen mit Vermittlungshemmnissen zu einem Stundenlohn von nicht unter 8,50 € sozialversicherungspflich tig beschäftigt. So haben wir es ermöglicht, dass der Arbeit geber hierfür einen Minderleistungsausgleich vom Jobcenter und eine Prämie aus eingesparten Passivleistungen erhält.

Darüber hinaus steht den Arbeitgebern und den Beschäftigten gleichermaßen eine von einem Stadt- oder Landkreis organi sierte Betreuungsfachkraft als Ansprechpartner helfend und begleitend zur Verfügung.

Ich habe vorhin gehört, vonseiten der Landesregierung sei vor gesehen gewesen, den Passiv-Aktiv-Transfer nur für öffent lich Beschäftigte zu ermöglichen. Das ist schlicht und einfach eine falsche Information. Ganz im Gegenteil: Mit dem Pas siv-Aktiv-Transfer war von uns zu jedem Zeitpunkt vorgese hen, zunächst Arbeitsplätze bei den privaten Arbeitgebern zu fördern, um Arbeitslosen längerfristig einen Zugang in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir können heute in einer ersten Zwischenbilanz feststellen, dass das Modell Passiv-Aktiv-Transfer sehr erfolgreich läuft. 40 von 44 Stadt- und Landkreisen machen mit. Bereits über 500 arbeitslose Menschen sind nach vielen Jahren der Arbeits losigkeit wieder in Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Jetzt kann man fragen: Was sind 500 von 200 000? Ich möch te es aber nicht versäumen, Ihnen heute ein Beispiel zu nen nen, das mir erst neulich begegnet ist:

Ich war bei einer Veranstaltung. Ein älterer Mann kam auf mich zu und fragte, ob er mich sprechen könne. Ich antwor tete: „Natürlich.“ Daraufhin sagte er mir: „Ich bin so froh und so dankbar, dass es dieses Modell gibt. Denn nach langer Zeit in Arbeitslosigkeit hatte ich keine Chance mehr, einen Arbeits platz zu bekommen. Über das Passiv-Aktiv-Modell, in dem ich jetzt seit fast einem Jahr bin, habe ich zum einen die Mög

lichkeit, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Zum anderen hat mir mein Arbeitgeber zugesagt, mich nach dem Auslaufen der Maßnahme in ein festes, ordentliches Beschäf tigungsverhältnis zu übernehmen.“

Ich finde, wenn es schon heute gelungen ist, 500 von diesen Menschen im Land wieder in Arbeit zu bringen, dann ist das durchaus ein Erfolg. Denn wir dürfen es uns nicht leisten – nicht nur aus sozialen, sondern auch aus demografischen und ökonomischen Erwägungen –, auch nur einen oder eine am Wegrand stehen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch bei den Maß nahmen „Ausbildung für benachteiligte junge Menschen“ und „Teilzeitausbildung für alleinerziehende Frauen“ können wir insgesamt einen großen Erfolg verbuchen. Für diese Maßnah men haben wir zwischen 2012 und 2014 ca. 15,4 Millionen € ESF-Mittel und 1,8 Millionen € Landesmittel zur Verfügung gestellt.

In allen 44 Stadt- und Landkreisen gibt es Projektstandorte. Die Maßnahmen werden flächendeckend im Land angeboten. Auch mit diesen Maßnahmen erreichen wir über 6 000 Men schen.

Ich denke, dass die assistierte Ausbildung ein probates, ein gutes Mittel ist, um Jugendliche in allen Belangen des Weges intensiv zu begleiten, um ihnen zu einem Ausbildungsab schluss zu verhelfen und sie schließlich in ein ordentliches Ar beitsverhältnis zu bringen. Deshalb haben wir auch das be währte Projekt carpo auf 20 Standorte im Land ausweiten kön nen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Besondere Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben vor allem junge und alleinerziehende Frauen ohne Berufsausbil dung. Für sie ist es bekanntermaßen besonders schwierig, Aus bildung und Familie unter einen Hut zu bringen. Deshalb för dern wir die sozialpädagogisch begleitete Teilzeitausbildung für diese Zielgruppe. Hier ermöglichen wir in acht Modell projekten über 1 500 Alleinerziehenden eine Ausbildung.

Vorwiegend handelt es sich dabei um Frauen, die bisher Leis tungen nach dem SGB II bezogen haben. Hierbei muss man sich vor Augen halten, dass dies Frauen sind, die ohne unser Programm eventuell überhaupt keine Ausbildung gemacht hät ten. Unser Programm bietet ihnen eine gute Perspektive.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es gäbe zu diesen Programmen, zu dem Baustein „Beratung von langzeitarbeitslosen Menschen mit komplexen Proble men“ und auch zu dem im Jahr 2013 gestarteten Baustein „Ar beit und Gesundheit“ noch einiges zu sagen. Aber eines ist si cher: Mit allen Maßnahmen verbessern wir die Beschäfti gungsfähigkeit von langzeitarbeitslosen Menschen und füh ren sie damit im Fazit wieder dem ersten Arbeitsmarkt zu. Wir ermöglichen damit sozialversicherungspflichtige Beschäfti gungsverhältnisse und Teilhabe sowohl am Arbeitsleben als auch am gesellschaftlichen Leben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Debatte heu te Morgen wurde einige Male auf den Koalitionsvertrag Be zug genommen. Es wurde Bezug genommen auf die vergan genen vier Jahre der von CDU/CSU und FDP geführten Bun desregierung.

(Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

Es wurde so getan, als seien alle Maßnahmen zur Beseitigung von Langzeitarbeitslosigkeit unterstützt worden.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich denke, der Wahrheit muss man dadurch gerecht werden, dass man anerkennt, dass durch die Kürzungen bei der Inst rumentenreform des Bundes die Mittel allein für Baden-Würt temberg in den Jahren 2010 bis 2013 um die Hälfte gekürzt wurden. Sie wurden von 350 Millionen € auf 180 Millionen € zurückgefahren. Damit konnte eine sinnvolle Arbeitsmarkt politik im Sinne der Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit nicht mehr gewährleistet werden. Das ist jetzt wohl klar. Da darf man im Nachhinein auch nicht die scheinbaren Erfolge der alten Bundesregierung schönreden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

Ein wichtiges Anliegen wäre mir – wäre der Landesregierung nach wie vor und weiterhin –, dass der Bund die guten Mo delle anerkennt, die wir in Baden-Württemberg entwickelt ha ben – vom Passiv-Aktiv-Transfer über die Teilzeitausbildung für benachteiligte Frauen bis hin zur begleiteten Ausbildung für Jugendliche in schwierigen Situationen –, und dass im Ko alitionsvertrag noch weiter ausgeführt wird, wie ein ESF-Pro gramm für Langzeitarbeitslose auf Bundesebene aussehen kann.

Uns in Baden-Württemberg ist es uns gelungen, gute Model le zu entwickeln und Menschen wieder in Arbeit, in sozial versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu brin gen. Insofern kann ich dem Bund nur raten – das geschieht in diesem Fall gern –:

Schauen Sie sich etwas von uns ab; was für Baden-Württem berg gut ist, kann für den Rest der Republik nicht schlecht sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Bevor wir in die zweite Runde ein treten, darf ich auf den Zuhörerplätzen eine Delegation aus der Region Oulu in Nordfinnland begrüßen, an ihrer Spitze Frau Generaldirektorin Terttu Savolainen. Herzlich willkom men in Baden-Württemberg!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die Delegation um Frau Generaldirektorin Terttu Savolainen ist in diesen Tagen in Stuttgart, um Gespräche in den Berei chen Wirtschaft und Wissenschaft zu führen, sowie mit dem Ziel, im kommenden Jahr wieder einen gemeinsamen Kon gress zu veranstalten. Heute Abend wird die Delegation selbst verständlich bei der traditionellen Eröffnung des finnischen Weihnachtsdorfs hier in Stuttgart mit dabei sein.

Wir wünschen Ihnen schöne und gute Tage hier in BadenWürttemberg.

(Beifall bei allen Fraktionen)