Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 83. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.

Urlaub für heute habe ich Herrn Kollegen Stratthaus erteilt.

Krankgemeldet ist Frau Kollegin Graner.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nister Friedrich und Herr Minister Dr. Schmid.

Meine Damen und Herren, im E i n g a n g befindet sich die Mitteilung des Rechnungshofs vom 14. November 2013 – Ergebnisbericht 2013. Sie ist Ihnen als Drucksache 15/4300 zugegangen. Ich schlage vor, die Mitteilung des Rechnungs hofs, Drucksache 15/4300, an den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, rufe ich gemäß § 78 Absatz 4 Satz 1 der Geschäftsordnung den von der CDU-Frak tion gestellten Vertagungsantrag betreffend Tagesordnungs punkt 5 – SWR-Staatsvertrag – auf.

Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Rau.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben entsprechend der Tagesordnung heu te Nachmittag über den Staatsvertrag über den SWR in Form eines Gesetzentwurfs, der noch andere Themen aufgreift, zu befinden. Das Bundesverfassungsgericht behandelt derzeit aufgrund der Klage zu den ZDF-Gremien das Thema Politik ferne. Wir sind der Meinung, dass dieses Urteil wahrschein lich für das Thema „Politikferne von Gremien im öffentlichrechtlichen Rundfunk“ wegweisend sein wird. Die mündliche Verhandlung, die Anfang November stattgefunden hat, lässt darauf schließen.

Es wäre ein Akt des Respekts gegenüber dem Bundesverfas sungsgericht, wenn wir dieses Urteil abwarten würden, bevor wir endgültig in eine Gesetzgebung eintreten. Ich will damit gar nicht unterstellen, dass der Staatsvertrag in diesem Punkt nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts fehlerhaft wäre. Aber ich halte es, die CDU-Fraktion hält es für ange messen, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg noch einmal mit der Landesregierung von Rheinland-Pfalz – sie tritt immerhin als Kläger in Karlsruhe auf – spricht, um die Fristen so flexibel zu gestalten, dass eine Behandlung des Staatsvertrags im Landtag von Baden-Württemberg nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möglich ist. Ich glau be, das Bundesverfassungsgericht sollte auch in diesem Haus einen solch hohen Stellenwert haben, dass man sich, nachdem

es bis zur Verabschiedung des Staatsvertrags zweieinhalb Jah re dauerte, diese Zeit auch noch gönnt, um dann auf sicherem Boden zu sein.

Deswegen bitten wir darum, Punkt 5 von der heutigen Tages ordnung abzusetzen und den Gesetzentwurf dann wieder auf zurufen, wenn wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kennen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kolle ge Salomon.

Sehr geehrter Herr Prä sident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehr ter Herr Rau, Ihre Worte in allen Ehren, aber sie sind nicht glaubhaft

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Zweite Lesung!)

und aus meiner Sicht auch nicht ernst gemeint. Denn es ist schon bemerkenswert, wie Sie sich in dem Verfahren zum Staatsvertrag, der nun schon seit längerer Zeit verhandelt wird, auch in unserem Parlament verhalten haben. Erst spielen Sie sich als Lobbyist jeder Gruppe auf,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Sag mal!)

wollen aber gleichzeitig eine Verkleinerung des SWR-Rund funkrats erreichen.

Sie hätten sich 2010 – noch unter Ihrem damaligen Minister präsidenten Mappus, der die Koordination der Medienpolitik von CDU und CSU vorgenommen hat – der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anschließen können. Dann wären nun nicht nur Rheinland-Pfalz und Hamburg, sondern dann wäre auch Baden-Württemberg vor dem Bundesverfassungs gericht.

Ich kann Ihnen einmal sagen, wie es ausschaut: Herr Mappus, der sich im Verfassungsrecht explizit auskennt, hat noch 2010 gesagt, dass der ZDF-Staatsvertrag verfassungskonform sei. So viel zu Ihrer Haltung. Sie verstecken sich jetzt hinter dem Bundesverfassungsgericht und versuchen so, Zeit zu schin den, weil Sie sich nicht entscheiden können, weil Sie in die sem Punkt innerhalb Ihrer Fraktion zerstritten sind. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE und Vol ker Schebesta CDU)

Ich kann es Ihnen auch an Zahlen darlegen. Im SWR-Rund funkrat sind derzeit drei Mitglieder der Regierung und zwölf Mitglieder des Landtags – in diesem Fall: der Landtage – ver treten. Diese 15 Vertreter, die von Staats wegen entsandt wer den, entsprechen 20 % der Mitglieder des SWR-Rundfunkrats. Wir reduzieren diesen Anteil auf 16 %, indem die Landesre gierung freiwillig auf ihre Sitze verzichtet.

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Dies ist ein klares Signal auch im Vorfeld des Urteils des Bun desverfassungsgerichts.

(Zuruf des Abg. Heribert Rech CDU)

Wir legen schon im Vorhinein fest: Dort, wo über das Pro gramm entschieden wird, wo diskutiert wird, ist die Landes regierung nicht mehr vertreten. Jetzt einmal ein Gegenbei spiel: 40 % der Mitglieder des ZDF-Fernsehrats – 40 %, also das Doppelte – sind vom Staat entsandt.

(Zurufe von der CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Salomon, bitte tragen Sie an dieser Stelle nur Ihre Stellungnahme vor.

Bei der Stellungnahme muss man auch ein paar Fakten nennen.

In der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsge richts ist klar herausgekommen – darum geht es uns –: Im ZDF-Fernsehrat gibt es zu wenige Frauen, zu wenige Migran ten, und auch die Muslime sind bisher nicht berücksichtigt. Mit dem SWR-Staatsvertrag ändern wir dies nun für den SWR-Rundfunkrat. Wir gehen voran. Wir haben schon vor der mündlichen Verhandlung klar erkannt, was die gesell schaftliche Realität ist. Man muss beachten – –

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme nun auch zum Schluss.

Darum bitte ich.

Sie müssen sich jetzt ent scheiden, ob Sie den Onlinebereich des SWR stärken, die Tri medialität voranbringen, den Jugendkanal stärken, ob Sie den SWR in seinem Reformprozess stärken wollen.

Ich will Ihnen zum Schluss ein Zitat von Ferdinand Kirchhof mitgeben. Er hat gesagt, das Gebot der Staatsferne bedeute nicht, dass Staatsvertreter und -vertreterinnen letztendlich nicht mehr in den Gremien vertreten sein dürften.

Daher: Sagen Sie einmal konkret, was Sie wollen. Kritisieren Sie nicht pauschal, indem Sie auf das Bundesverfassungsge richt verweisen. Sie verstecken sich dahinter; das tun wir nicht. Wir gehen in diesem Bereich voran und wollen den SWR für die Zukunft stärken.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Binder.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Kurz und bündig!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Absetzungsantrag der CDUFraktion überrascht doch, da heute die zweite Lesung des Ge setzentwurfs ansteht. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich nicht erst seit gestern und nicht erst seit der ersten Le sung des Gesetzentwurfs zum Staatsvertrag mit der Klage zum ZDF-Fernsehrat.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Deshalb haben wir es im Ständigen Ausschuss auch angesprochen!)

Ihnen gehen leider die Argument aus, warum Sie diesem Staatsvertrag nicht zustimmen wollen. Wenn Sie gegen den Staatsvertrag sind, dann sollten Sie dagegen stimmen und nicht auf Zeit spielen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das hat im Übrigen auch überhaupt nichts damit zu tun, ob man Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht hat. Ich glau be, dass alle hier in diesem Hohen Haus hohen Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht haben. Wir wissen aber alle auch, dass es die Gewaltenteilung gibt und dass wir mit dem Vorschlag, den die beiden Regierungen unterzeichnet haben, sehr weit sind, was die Frage der Staatsferne bzw. Politikfer ne anbelangt.

Als Ergänzung zu dem, was Kollege Salomon sagte: Wir ha ben auch dafür gesorgt, dass die Verbandsvertreter im SWRRundfunkrat weder Mitglied des Landtags noch des Bundes tags, noch des Europaparlaments sein können. Das heißt, auch über diesen Umweg können keine Mandatsträger mehr in den Rundfunkrat kommen. Wir gehen also in dieser Frage sehr weit.

Das heißt, bei dem Thema, um das sich das Bundesverfas sungsgericht kümmert, sind wir vorangegangen. Wir warten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht ab. Denn wir wollen Politik gestalten, und zwar so, dass sie rechtskonform ist. Wir sind überzeugt, dass der Staatsvertrag auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß ist.

In diesem Sinn stimmen wir gegen den Absetzungsantrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)