Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

Übrigens, Herr Sakellariou, noch eine zweite Vorbemerkung: Ich habe natürlich nirgendwo und niemals gesagt, dass die

Mitbestimmung wirtschaftsfeindlich sei. Ich habe heute Mor gen gesagt, dass Sie beim Strafrecht auf einem Weg sind, der wirtschaftsfeindlich ist, und dass Sie im Laufe des Tages noch eine tiefe und teure Verbeugung vor den Gewerkschaften ma chen werden. Da sind wir jetzt. Ihre Politik ist wirtschafts feindlich und gewerkschaftsfreundlich, verliert aber in beide Richtungen nach meiner Meinung ein Stück weit ganz ein fach die Balance.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Das Gesetz ist ein Ärgernis in mehrerer Hinsicht. Erstens: Par lamentarische Gepflogenheiten sind mit Füßen getreten wor den. Da können Sie sich aufregen, wie Sie wollen; da beißt die Maus keinen Faden ab. Sie stehen unter großem Zeitdruck, weil die Regierung nicht gut genug gearbeitet hat.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Weil sie sich nicht einig war!)

Als Teil des Parlaments machen Sie mit, um das alles aufzu fangen. Es ist aber doch unwürdig, dass Sie sich am Schluss, weil Ihre Regierung nicht fertig wird, in die Situation bringen lassen,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Kastrieren lassen!)

alles beinhart ablehnen zu müssen. Was man sonst bei einem Gesetz dieser Tragweite selbstverständlich macht, ist: Man wartet selbstverständlich ab, bis die mitberatenden Ausschüs se beschlossen haben, bevor der federführende Ausschuss dann am Ende drankommt. Ich war wirklich überrascht. Man hat selbstverständlich einem Anliegen von zwei Fraktionen, eine Anhörung zu veranstalten, immer Rechnung getragen. Sie konnten es nicht, sie mussten das abbügeln. Aber bitte stel len Sie sich dann hier nicht hin und stellen das noch als guten parlamentarischen Prozess dar.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Zweitens – jetzt sind wir bei dem, was ich als tiefe und teure Verbeugung bezeichnet habe –: Wir richten uns in keiner Wei se gegen freigestellte Personalräte und gegen deren derzeiti ge Arbeit.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr richtig!)

Nein, wir sagen, deren derzeitige Arbeit ist sehr gut, und es ist richtig, dass es freigestellte Personalräte gibt. Ich habe auch den Eindruck, dass keine vernünftige Belegschaft bestreiten würde, dass bereits jetzt Augenhöhe gegeben ist. Sie haben es, Herr Lucha, in Ihrer genauso temperamentvollen wie für mich ziemlich sinnfreien Rede

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

so dargestellt, als müsse man jetzt die Belegschaften aus ih rem Elend der Unmündigkeit erlösen. So etwas ist in letzter Zeit an keinen von uns herangetragen worden.

Ich sage Ihnen, was wirklich passiert und was ein bisschen wehtut:

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Sie haben die Beamtenschaft gezielt schlecht behandelt, in dem Sie in einer Situation, in der die Kasse förmlich platzt, gesagt haben: „Wir geben zwar überall Geld aus, aber an ei ner Stelle werden wir jetzt sparen: bei den Beamten.“ Das war einfach nicht gut, nicht in Ordnung und nicht gerecht.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Was glauben Sie, was die Belegschaften wirklich darüber den ken, wenn Sie sagen, dass die Ressourcen, die durch schmerz hafte Einsparungen erzielt worden sind, jetzt für die Freistel lungen aufgewandt werden? Die Ressourcen werden sofort für mehr Freistellungen verfrühstückt. Jetzt fragen wir: Wem nützt das?

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Unruhe)

Reden Sie nicht mit der Beamtenschaft, mit den Belegschaf ten?

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Haben Sie auch nur einmal gefragt: „Wäre es euch lieber ge wesen, wenn wir die Besoldungspläne in der Schublade ge lassen hätten und dieses Gesetz dafür ebenfalls nicht gemacht hätten?“

Glauben Sie, Sie finden auch nur einen, dem die Variante mit den Einschnitten in der Besoldung bei nachfolgender Vorlage dieses Gesetzentwurfs lieber ist? Sie vervespern die einge sparten Ressourcen für Freistellungen, die der Belegschaft nicht nützen.

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Der Vergleich hat zwei Krücken, Herr Dr. Goll!)

Das wird die Bilanz dieses Gesetzes sein. Durch die Freistel lungen verschärfen Sie zunächst die Situation für die Beleg schaft, und wenn Sie dagegen etwas tun wollen, verschärfen Sie die Situation des Landeshaushalts. Diese Maßnahme nützt im Grunde genommen nur den Gewerkschaften.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Dadurch besteht mehr Zeit für organisierte Betätigungen, mehr Zeit für gewerkschaftliche Schulungen, mehr Zeit für SPD-Parteitage unter der Woche. Wir führen unsere Parteita ge am Wochenende durch.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Diese Interessen stehen hinter der Einbringung des Gesetz entwurfs, nicht die Interessen der Belegschaft. Wir legen Wert darauf, dass das festgehalten ist.

Dieser Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist ebenso überflüssig wie sauteuer.

Ich nenne noch ein letztes Beispiel für den Duktus dieses Ge setzentwurfs – man muss nämlich den Gesetzentwurf genau lesen, um festzustellen, in welche Richtung er zeigt –: das Thema Personalversammlung. Bisher sahen die Regelungen

vor, dass unter bestimmten Umständen der durch die Teilnah me an Personalversammlungen entstandene Verdienstausfall ausgeglichen wird, etwa durch Freizeitausgleich. In der Re gel war dies pro Halbjahr einmal der Fall, nämlich wenn der Personalrat seinen Bericht gibt oder wenn der Dienstherr ei ne Personalversammlung einberuft. Diesen Passus haben Sie interessanterweise gestrichen. Das heißt, künftig ist für jede Personalversammlung Ersatz zu leisten – durch Verdienstaus gleich oder Freistellung –, und darüber hinaus kann diese so oft stattfinden, wie es die Belegschaft will.

Auch wenn ich allen etwas Nettes gönne: Eine derartige Re gelung hat es bisher noch nie, weder im Betriebsverfassungs recht noch im Personalvertretungsrecht, gegeben. Diese Re gelung ist unausgewogen, und sie enthält ein beträchtliches Potenzial, die andere Seite unter Druck setzen zu können.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was halten Sie denn von den Beschäftigten des Landes? Was für irre Vor stellungen haben Sie denn? Dass sie jede Woche ei ne Vollversammlung machen? Wer sind Sie denn?)

Sie haben den Gesetzentwurf so gestaltet, dass die Beleg schaft in all diesen Fällen Anspruch auf Verdienst- und Frei zeitausgleich hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie reden von Misstrau en! Wir reden von Vertrauen! Ihr Verhältnis zu den Leuten ist geprägt von Misstrauen, Misstrauen ge genüber den Mitarbeitern! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein, gegenüber euch! – Unruhe)

Lieber Herr Schmiedel, das stimmt überhaupt nicht. Wissen Sie, wovon mein Verständnis geprägt ist? Ich gebrauche ei nen Ausdruck, den ich schon am Anfang meiner Rede verwen det habe: Mein Verständnis ist davon geprägt, dass eine Ba lance zwischen den Interessen der Belegschaft und den Inte ressen des Dienstherrn nötig ist. Hier bestand bislang eine wunderbare Regelung: Alle zwei Jahre und wenn der Dienst herr es will, können die im Zusammenhang mit Personalver sammlungen entstehenden Kosten übernommen werden. Aber im vorliegenden Gesetzentwurf ist geregelt, dass die Kosten für alle Versammlungen, die die Belegschaft stattfinden las sen will, übernommen werden. Damit geben Sie diese Balan ce auf – nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie machen es doch nicht!)

Genau das haben Sie im gesamten Gesetzentwurf getan.

Deswegen werden wir den Gesetzentwurf ablehnen. Wir wer den den Anträgen der CDU zustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo!)

Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister Gall.

Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Nach fast zwei Jahren intensiver Konsultationen mit

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Gewerkschaf ten!)

nicht nur mit Gewerkschaften, Herr Haußmann – wirklich allen Stellen und Institutionen, die das Personalvertretungs recht betrifft, sowie nach den Beratungen hier im Haus, im In nenausschuss und im Finanzausschuss wollen wir das Gesetz gebungsverfahren heute zum Abschluss bringen.

Ich will zu Beginn meiner Rede noch einmal ausdrücklich sa gen: Unser Ziel war und ist es, die Personalvertretungen mit Blick auf ihre verantwortungsvollen Aufgaben tatsächlich zu stärken. Das ist unser Ansinnen. Wir möchten die Personal vertretungen stärken, Sie wollen dies jedoch nicht.

Wir holen die Personalvertretungen im Prinzip dort ab, wo Sie sie vor 20 Jahren zurückgelassen haben.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Oje!)

Sie haben sie in den letzten zwei Jahrzehnten in keiner Wei se berücksichtigt. Sie haben nicht berücksichtigt, dass sich der öffentliche Dienst, dass sich öffentliche Dienststellen drama tisch verändert haben. Ich habe es bereits in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt: Betriebswirtschaftliche Elemen te haben Einzug gehalten, die Anforderungen haben sich ge ändert, und die Aufgaben sind schwieriger geworden.

Uns – das will ich dick unterstreichen; ich glaube, nach den Ausführungen von Herrn Dr. Goll wird der Unterschied zwi schen Ihnen und uns deutlich – geht es mit diesem Gesetzent wurf und mit den darin enthaltenen Regelungen um die part nerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Be schäftigtenvertretern und den Verantwortlichen in den Dienst stellen. Da wäre es ganz gut, wenn man diesen Gesetzentwurf mit seinen Feinheiten selbst gelesen hätte.