Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

nicht alle unterschiedlichen Interessen und Meinungen aus schließen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Offenkundig! – Abg. Andreas Deuschle CDU: Offenkundig, ja!)

Gerade wenn es um Grundeinstellungen zur Natur geht, ist dies augenfällig. Während die Befürworter des Nationalparks von dem Naturverständnis ausgehen, dass ein sich selbst über lassenes Stück Natur einen hohen Eigenwert besitzt, werden die Gegner von dem Naturverständnis geleitet, dass die Nut zung der Natur durch den Menschen den absoluten Vorrang hat.

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Das sind gewissermaßen Wertefragen, die vorausgehen. Über solche Wertefragen kann man sich nur schwer einigen. Wenn aber dann solche Wertefragen zu Glaubensfragen hochstili siert werden, ist eine Einigung einfach nicht mehr möglich. Das ist in diesem Prozess leider bei einigen passiert. Das kann man überhaupt nur auflösen, indem man die Größenordnung

beachtet, sodass auch die, die mit dem Naturverständnis, dass man die Natur sich selbst überlässt – –

(Zuruf von der CDU: Mein Gott!)

Das war der Ruf, den ich in Baiersbronn gehört habe. Der Ruf hieß: „Ihr lasst da den Wald verkommen!“

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Das war der Ruf, der auf ein Naturverständnis zielt, das mit einem Nationalpark, in dem man die Natur sich selbst über lässt, natürlich nicht vereinbar ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Den Menschen kann ich nur helfen, indem ich ihnen sage:

(Abg. Volker Schebesta CDU: Nachdem Sie die Na tur so gestaltet haben, wie Sie sie sich vorstellen!)

„Ihr Lieben, ich verstehe euch. Im überwältigend großen Teil des Waldes tun wir genau das, was wir wollen,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das glaube ich!)

und nur in einem winzigen Stück tun wir etwas anderes.“ An ders kann man solche Konflikte nicht auflösen. Wir haben es versucht, aber dem sind natürlich nicht alle gefolgt;

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 70 %!)

das habe ich heute Morgen wieder zu hören bekommen.

Also: Das Ziel ist nicht eine Alibiwildnis oder irgendein groß flächiges Versuchslabor, wie es uns da vorgeworfen wird. Viel mehr wird auf 10 000 ha Staatswaldfläche eine ungestörte Ent wicklung ermöglicht. Die Natur kann erstaunlich lange ohne die Hege und Pflege des Menschen auskommen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir wollen einen Ort, an dem man eben Nachhaltigkeit in ih rer natürlichen Form erleben kann.

Weiter sagen die Kritiker, dass sich der Nationalpark durch Verbote und Einschränkungen auszeichnet. Auch das ist nicht richtig. Wir wollen, dass dieser Nationalpark auch erlebt und beobachtet werden kann. Es sind viele Regelungen getroffen worden, damit dies offen gestaltet wird. Im Nationalpark sind Dinge möglich, die selbst in unseren Kulturwäldern nicht möglich sind. Wir gehen da bewusst sehr, sehr weit. Damit die Bevölkerung von einem so großartigen Projekt nicht aus geschlossen wird, sehen wir bewusst Zonen vor, in denen z. B. das Verlassen der Wege, das Sammeln von Pilzen und Beeren erlaubt ist. All diese Zonen werden im Nationalpark gemein sam bestimmt. Das sind kleine, aber für die Bevölkerung wichtige Anliegen, denen wir nachgehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, eine Frage der Frau Abg. Kurtz?

Nein, im Mo ment nicht, aber gleich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Im nächsten Abschnitt! – Weitere Zurufe)

Kritiker befürchten nun, der Nationalpark berge durch die Ausbreitung des Borkenkäfers eine nicht beherrschbare Ge fahr. Das Borkenkäferproblem ist nicht trivial.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das wäre ein neuer Abschnitt!)

Wir nehmen das Thema Borkenkäfer sehr ernst. Es ist natür lich auch klar: Die Natur ist nie zu 100 % beherrschbar.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Borkenkä fer! – Abg. Peter Hauk CDU: Was meinen Sie mit „nicht zu 100 %“?)

Aber nach sorgfältiger, intensiver Prüfung durch die Landes forstbehörden, externe Spezialisten, Gutachter können wir nach menschlichem Ermessen davon ausgehen, dass wir das Borkenkäferproblem beherrschen können.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Dann machen Sie doch die Entschädigungsregelung!)

Wir sagen ausdrücklich zu, dass wir alles dafür tun werden,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Aber kein Kilometer Schutzstreifen!)

dass für die an den Nationalpark angrenzenden Waldflächen keine zusätzlichen Beeinträchtigungen durch den Borkenkä fer entstehen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Nicht einmal 1 km Schutzstreifen!)

Das Gutachten von PWC hat uns hier wertvolle Hinweise ge geben. Wir werden deswegen mit dem Gesetz festlegen,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Schutzstreifen! – Ge genruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Können Sie einfach mal zuhören?)

dauerhaft eine Borkenkäferpufferzone von 500 m einzurich ten. Da, wo es notwendig ist, werden wir die Pufferzone in den nächsten 30 Jahren auch auf 1 000 m erweitern.

Wir haben die Nationalparkverwaltung so ausgestattet, dass sie zusammen mit dem Landesbetrieb ForstBW diese Aufga be aktiv erfüllen kann. Es wird in Baden-Württemberg keine Waldfläche geben, die so intensiv auf Borkenkäfer kontrol liert und gemanagt wird wie die Borkenkäferpufferzone.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Auch der aktive Waldumbau dient dazu, dieses Problem zu minimieren. Ich möchte dem Teil der Bevölkerung, der dies bezüglich Angst hat, sagen, dass wir nach menschlichem Er messen davon ausgehen können, dass wir das beherrschen können, und dass wir alles dafür tun werden, dass es nicht zu Vorkommnissen kommt, die massive Schäden an den angren zenden Wäldern verursachen.

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Es wird eine Schiedsstelle eingerichtet, die dann in solchen Fällen auch über Entschädigungsfragen verhandeln kann. Das wissen Sie alles.

Bitte, jetzt die Frage.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf: Schon vergessen!)

Frau Kollegin, bitte.

Herr Ministerpräsident, könnten Sie mir bitte erklären, wie Sie „Natur“ definieren?

(Minister Franz Untersteller: Das war ein Fehler! – Weitere Zurufe)

Stimmen Sie mit mir überein, dass wir es im Nordschwarz wald überhaupt nicht mehr mit einer naturbelassenen Region zu tun haben? Gehen Sie mit mir einher, dass wir es im Nord schwarzwald mit einer Region zu tun haben, die seit Jahrhun derten von Menschen genutzt wird? Könnten Sie mir dann bit te sagen, bis wann wir in dieser Region zu dem kommen, was Sie als ursprüngliche Natur bezeichnen, und wie Sie vor die sem Hintergrund zu einem ausgewogenen Verhältnis von Mensch und Natur gelangen wollen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Drei Stunden später!)