Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Die Bürgerbefragungen haben gezeigt, dass unser Weg eigent lich der richtige ist, nämlich der, den Kompromiss zu suchen zwischen Naturschutz und dem, was in der Region notwen dig ist.

(Beifall bei der CDU – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: 100 000 Menschen sind dafür!)

Deshalb haben wir Forderungen unterschiedlicher Gruppie rungen in der Region zusammengestellt und daraus – Herr Mi nister, passen Sie jetzt auf, damit Sie es später nicht falsch wiedergeben – Vorschläge – keine Festlegungen – für einen Bürgernationalpark erarbeitet.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Der peinlich ist!)

Ein Teil dieser Vorschläge bezieht sich übrigens auch auf die Größe der Nationalparkfläche. Ihr Gesetz sieht zwei Teilflä chen vor. Hätten Sie sich, statt sich mit uns abzukämpfen, halbwegs seriös mit den Vorschlägen aus der Region ausein andergesetzt, wäre Ihnen möglicherweise nicht entgangen, dass die Kern- und Schutzfläche des Bürgernationalparks nur unwesentlich von der naturschutzrelevanten Kernfläche Ihres größeren Teilgebiets abweicht und damit naturschutzfachlich nahezu gleichwertig ist.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Sie stützen Ihre Argumentation vor allem auf die Kriterien des internationalen Verbands, der IUCN. Sie verkennen dabei aber auch, dass diese für die Einrichtung eines Nationalparks nicht zwingend sind.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Qualitätskriteri en!)

Diesen Sachverhalt kann jeder hier im Raum selbst recher chieren. Ich bitte Sie, gleichzeitig über das Einvernehmen und Benehmen des Bundesamts für Naturschutz zu recherchieren.

Da Sie nachher mit Sicherheit noch das Flächenstilllegungs ziel der Bundesregierung von 5 % anführen werden, möchte ich auch hierzu eine Bemerkung machen: Weder die Kanzle rin noch die Bundesregierung haben verlangt, dass dieses Ziel mit der Brechstange und unter Umgehung der Menschen vor Ort durchgesetzt werden muss.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Klaus Burger CDU: Bravo!)

Wir werden Sie natürlich nicht zum Umdenken bewegen kön nen. Deswegen haben wir im Sinne der Region zusammen mit den Kollegen der FDP/DVP vier Änderungsanträge einge bracht, über die wir nachher noch abstimmen werden.

Zum Abschluss gestatten Sie mir noch einen Gedanken.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Einen Gedanken!)

Also dann mehrere. – Wir wissen, dass Sie an manchen Stel len auch Forderungen entgegengekommen sind. Das war gut. Sie haben sich auch bewegt. Wir wissen aber auch, dass Sie den Gesetzentwurf so, wie er jetzt vorliegt, nachher verab schieden werden. Wir wissen ebenso, dass Sie dies – wie im mer – mit frenetischem Beifall und gegenseitigem Schulter klopfen tun werden.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

Meine Damen und Herren, wir wissen aber, dass Sie dies ma chen, ohne dass es Ihnen gelungen wäre, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, Kostentransparenz herzustellen, Kon zepte für den Tourismus zu erstellen oder Verkehrskonzepte zu erarbeiten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Aber das ist doch falsch! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Auch wenn es sich hier, meine Damen und Herren, um ein Naturschutzprojekt, ein ökologisches Projekt handelt, entbin det es Sie nicht aus Ihrer Verantwortung, ein ausgereiftes Ge setz vorzulegen, Kompromisse zu suchen und vor allem Kos ten und Finanzen seriös darzulegen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Dr. Rösler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, werte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein histori scher Tag.

(Vereinzelt Beifall)

2014 wird Baden-Württemberg einen Nationalpark haben, 142 Jahre nach dem ersten weltweit, 105 Jahre nach dem ersten in Europa – in Schweden –, 44 Jahre nach dem ersten National park in Deutschland.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Da hätten Sie sich auch einmal eine Krawatte anziehen können! – Hei terkeit bei der CDU und der FDP/DVP)

Heute ist aber auch deshalb ein historischer Tag, weil wir nicht über ein Projekt entscheiden, das nur auf eine, zwei oder drei Legislaturperioden ausgerichtet ist. Bei Nationalparken kön nen wir parteiübergreifend feststellen, dass aus Sicht eines Waldes und ökologischer Prozesse 30 Jahre eine sehr kurze Anlaufzeit für ein Projekt sind, das auf mindestens mehrere Jahrhunderte ausgelegt ist. Deswegen gibt es am heutigen Tag einige Aspekte, die wir über die Tagespolitik hinaus betrach ten und beleuchten sollten.

Ein Land

so hat Aldo Leopold vor fast 100 Jahren formuliert –

darf sich erst dann als kultiviert und zivilisiert bezeich nen, wenn es der Wildnis genug Bedeutung schenkt.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Punkt 1: Zuständigkeit der Ebenen. Die Nationalparkdebatte hat uns allen etwas Grundsätzliches noch einmal deutlich ge macht: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, für welche Aufgaben der Bund, das Land, die Kreise oder die Kommu nen zuständig sind.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Es ist legal und legitim, dass jeder die Interessen seiner Ebe ne vertritt: wir die Interessen des Landes, die Gemeinderäte die Interessen der Kommunen. Das ist übrigens ein entschei dender Grund, Herr Kollege Rapp, weswegen wir Ihre Anträ ge Drucksachen 15/4388-2 und 15/4388-3 ablehnen. Beim Nationalpark handelt es sich zweifellos nicht um ein Projekt der kommunalen Ebene. Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP/DVP, sind Sie denn der Meinung, dass die Kom mune Hintertupfingen durch einen Beschluss oder einen lo kalen Bürgerbescheid eine geplante Autobahn auf ihrer Ge markung verhindern können soll? Wenn Sie dieser Meinung sind – –

(Abg. Volker Schebesta CDU: Freudenstadt! Baiers bronn! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Streiche/ setze“! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das ist eine Beleidigung des ländlichen Raums! – Unruhe – Glo cke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Herr Kollege Dr. Rösler.

Wenn Sie dieser Meinung sind, Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP/DVP, dann bringen Sie einen Antrag ein. Wir sind im Augenblick gemeinsam dabei, die Frage der Beteiligungsmöglichkeiten im Land neu zu regeln. Aber diesen Antrag bringen Sie nicht ein, und das ist auch richtig so.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Streiche Hintertup fingen, setze irgendetwas! – Abg. Winfried Mack CDU: So ein arroganter Schnösel!)

Als es im Kreis Freudenstadt um die beiden Krankenhaus standorte Horb und Freudenstadt ging und klar war, dass der Kreis auf Dauer nicht beide Standorte halten kann,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Will!)

wie haben da die Kreisräte abgestimmt, die nicht aus Horb ka men, parteiübergreifend, auch die von der CDU und der FDP/ DVP? Sie stimmten mit breiter Mehrheit für die Schließung des akutstationären Bereichs in Horb.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Also! „Mit breiter Mehrheit“, davon kann keine Rede sein!)

Fünf Gegenstimmen im gesamten Kreisrat. – Hätten Sie zu dieser Frage eine Bürgerbefragung in Horb durchgeführt, dann

hätten sich mit Sicherheit mehr als 80 % ablehnend ausge sprochen. Damit sind wir bei einer strukturellen und nicht in haltlichen Frage dieser Debatte, die ja viele Emotionen aus löst.

(Zurufe von der CDU)

Die Entscheidung des Kreistags fiel bewusst gegen die Stim mung in Horb, so wie die Entscheidung des Landtags heute bewusst gegen die Stimmung in einem Teil der betroffenen Kommunen fallen wird. Das ist mir, das ist uns bewusst, und das bedeutet auch: Daran müssen wir in den nächsten Wochen und Monaten besonders intensiv arbeiten. Ich hoffe auch, dass wir alle hier im Haus nach der getroffenen Entscheidung als gute Demokraten dazu beitragen, Brücken zu schlagen und zu kooperieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Sabine Kurtz CDU: Vorher wäre besser gewe sen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Punkt 2: Angst und Stimmungen sind schlechte Ratgeber. Po pulisten gehen auf Menschenjagd, indem sie zuerst Angst aus lösen. Das habe ich gerade eben wieder sehr intensiv erlebt.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Was er sagt, ist kaum auszuhalten! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Vor dem Mikrofon haben wir mehr Angst als vor Ihnen! – Zurufe von der CDU)

Es ging und geht in dieser Nationalparkdebatte häufig um Angst und Emotionen.