Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

Der Landesgesetzgeber kann im Nachbarrecht – das ist schon de lege lata so – Eigentumsbeschränkungen zum Schutz des Grundstücksnachbarn und der Allgemeinheit regeln. Diese Ei gentumsbeschränkungen bestehen selbstständig neben denen des öffentlichen Rechts, z. B. des Baurechts, des Planungs rechts oder des Denkmalschutzrechts, die von den Regelun gen des Nachbarrechts unberührt bleiben und diesen in der Regel vorgehen.

Wir haben also hier Gestaltungsspielraum, und diesen wollen wir auch nutzen. Deshalb schlagen wir vor, mit dem Nachbar rechtsgesetz einen Beitrag zur ökologischen Modernisierung des Landes zu leisten. Es ist ein Gesetz, das, wie wir den Ein druck haben, breite Bevölkerungsschichten interessiert. Wir haben den Gesetzentwurf in das Beteiligungsportal des Lan des eingestellt, um eine umfassende Bürgerbeteiligung zu er möglichen. Die Bedeutung des Nachbarrechts ist – das kön nen Sie sicherlich nachvollziehen – im Land der Häuslebau er besonders groß. Daher haben sich auch relativ viele Bürger zu dem Entwurf geäußert. In diesem Beteiligungsportal be finden sich nunmehr insgesamt über 300 Kommentierungen und Wortmeldungen sowie eigene Stellungnahmen hierzu. Die Beteiligung hat gezeigt, wo die Bürger aus ihrem Erleben, aus der Praxis heraus Ansatzpunkte für Kritik, Vorschläge und An regungen sehen.

Bei der Novellierung geht es uns um drei Punkte: Zum einen geht es darum, Wärmeschutzüberbauten zu ermöglichen, zweitens wollen wir die Abstände für Bäume neu regeln, und zwar im Hinblick auf die Verschattung von Grundstücken, wenn es um Fotovoltaik- und Solaranlagen geht, und drittens korrigieren wir im Sinne dieser Zielsetzungen die Verjäh rungsvorschriften.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die energetische Sanierung von Altbauten in Ortskernen – davon haben wir in Baden-Württemberg viele, auch historisch gewachsene – häu fig scheitert, weil die Wände schon auf die Grenze gebaut sind. Wir haben also vielfach Grenzbebauung zu verzeichnen. Wer hier noch eine Wärmedämmung aufbringen will, muss in der Regel ein paar Zentimeter des Nachbargrundstücks in An spruch nehmen. Eine Innendämmung scheidet häufig aus, weil sie mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist und in der Regel auch weniger bringt. Wir meinen, dass der Nachbar einen Überbau von einigen Zentimetern auf seinem Grund stück dulden muss, wenn ihn dies nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt.

Die Regelung, die wir dazu vorschlagen, ist zwar gesetzes technisch nicht ganz einfach formuliert – das werden Sie se hen –, aber sie muss natürlich für alle Varianten passen, die das wirkliche Leben bietet, und das ist bekanntlich vielfältig. Wir meinen aber, dass dem Nachbarn dadurch nichts Unzu mutbares abverlangt wird. Wenn die wenigen Zentimeter Überbau etwa dazu führen würden, dass der Nachbar seine Hofeinfahrt nicht mehr nutzen kann, muss er den Überbau auch nicht dulden. Außerdem muss er es nicht hinnehmen, wenn sein Nachbar eine besonders billige, aber deshalb auch besonders breite Dämmung wählt.

In jedem Fall ist bei 25 cm Schluss. Dies ermöglicht eine Dämmung mit heute marktüblichen Stoffen, die die aktuellen Grenzwerte nicht nur erreichen, sondern auch noch Luft nach oben lassen.

Auf diese 25 cm haben wir uns nicht zuletzt aufgrund der An hörung, aber auch im Hinblick auf die Regelungen in ande ren Bundesländern und im Hinblick darauf verständigt, dass bei Einsatz moderner Materialien eine entsprechende Rege lung, glaube ich, für ausreichend erachtet werden kann.

Meine Damen und Herren, Klimaschutz wird aber nicht nur durch Energieeinsparung erreicht, die wir anstreben. Wir müs sen auch den Einsatz regenerativer Energien bei der Energie erzeugung fördern, um die Freisetzung von CO2 zu vermei den.

Der wirtschaftliche Betrieb von Solaranlagen in Innerortsla gen wird häufig durch den Schattenwurf der Bäume aus dem Garten des Nachbarn beeinträchtigt. Wie Sie wissen, bestimmt das Nachbarrechtsgesetz in seiner jetzigen Fassung für unter schiedliche Bäume unterschiedliche Abstände, die zum Nach bargrundstück eingehalten werden müssen. Kleinwüchsige Arten dürfen näher an die Grenze, großwüchsige müssen wei ter weg.

Ich will einmal ein Beispiel nennen: Eine Felsenbirne, die nicht höher als 4 m wird, darf man bis zu 2 m an die Grenze zum Nachbargrundstück pflanzen. Bei einer Rosskastanie, die bis zu 30 m hoch wird, muss man einen Abstand von 8 m ein halten. Innerorts gilt derzeit aber die Hälfte dieses Abstands. Bei der Rosskastanie muss innerorts derzeit also nur ein Ab stand von 4 m eingehalten werden. Dadurch kann natürlich ein Nachbargrundstück so beschattet werden, dass eine dort installierte Solaranlage nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben ist.

Wir wollen deshalb diese Halbierung der Abstände in Inner ortslagen für nicht höhenbeschränkte Bäume abschaffen. Bei

der Rosskastanie – um bei diesem Beispiel zu bleiben – muss dann auch innerorts ein Abstand von 8 m zum Nachbargrund stück gewahrt werden.

Das heißt aber nicht, dass in baden-württembergischen Städ ten und Gemeinden demnächst in großem Umfang Bäume ge fällt werden müssten. Die Änderungen, die wir anstreben, gel ten nur für Neupflanzungen. Das will ich hiermit klarstellen. Denn auch im Rahmen der Bürgerbeteiligung wurde immer wieder die Befürchtung geäußert und gefragt: „Müssen wir dann eventuell vorhandene Bäume fällen?“ Das kann natür lich nicht Ziel der Regelung sein.

Wir verkennen nicht, dass mit dieser Neuregelung gewisse Herausforderungen für die Stadtdurchgrünung verbunden sind. Aber ich glaube, Gärtner und Landschaftsbauer bieten eine Vielzahl von Bäumen und Sträuchern mit kleinerem Wuchs an, mit denen man auch kleine Gärten unter Beach tung der Abstandsvorschriften zu einer grünen Oase machen kann.

Wir haben auch Praktiker, die das Gesetz bisher schon tagtäg lich anwenden,

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

gefragt, wo Nachbesserungsbedarf besteht. Daraus sind auch Korrekturen hervorgegangen. Ich habe schon erwähnt: Das gilt insbesondere für die Verlängerung der Frist, in der nach barrechtliche Ansprüche auf Beseitigung von Bäumen verjäh ren, die zu dicht an die Grenze gepflanzt wurden. Da der Ab stand von der Baumart abhängt, kann man einen Abstandsver stoß bei vielen großwüchsigen, aber langsam wachsenden Bäumen erst erkennen, wenn die fünfjährige Frist, wie sie jetzt besteht, schon abgelaufen ist. Für diese Fälle wollen wir die Frist angemessen auf zehn Jahre verlängern.

Meine Damen und Herren, wir glauben, mit diesem Gesetz eine Anpassung mit Augenmaß vorzunehmen, die ökologi schen Belangen dient. Wir leisten einen Beitrag zur Errei chung des Ziels einer ordentlichen Wärmedämmung und zu einer sinnvollen Nutzung von Solarenergie und Fotovoltaik. Deshalb bitte ich Sie, unser Gesetzesvorhaben wohlwollend zu begleiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hitzler das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Im Zeitalter des Klimaschut zes ist es sicher richtig, auch bewährte Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob ein Mehr an Klimaschutz möglich ist. Das Nachbarrechtsgesetz ist ein sehr bewährtes und ein sehr wich tiges Gesetz. Es ist die Hauptquelle für nachbarrechtliche Re gelungen.

Wir wissen natürlich auch, dass es viele Auseinandersetzun gen unter Nachbarn gibt, sodass gerade dieses Gesetz sehr sorgfältig gemacht werden muss. Als Praktiker, der viele Jah re Bürgermeister war, weiß ich, dass es viele Auseinanderset zungen in diesem Punkt gibt. Ich meine trotzdem, dass man mit den jetzt vorgesehenen Änderungen die verfolgten Ziele erreichen kann.

Wer ein unmittelbar an der Grundstücksgrenze stehendes Haus nachträglich dämmen will, hat dies bisher wahrscheinlich nicht geschafft. Künftig ist dies möglich, aber der Nachbar darf nur geringfügig beeinträchtigt werden. Es war sicher rich tig, nach der Anhörung die Obergrenze der Überschreitung der Grenze zum Nachbargrundstück bei einem Überbau von 30 auf 25 cm zu senken. Damit kann man auch eine effizien te Dämmung erreichen.

Auch die Regelungen zu den Mindestgrenzabständen für die Anpflanzung großer Bäume sind richtig. Damit wird die Ver schattung von Nachbargrundstücken reduziert. Somit können dann sicher auch Fotovoltaik- und Solaranlagen effektiver ge nutzt werden. Trotzdem kann man auch kleinere Grundstücke in den größeren Städten begrünen.

Auch der dritte wesentliche Punkt ist gut gelöst. Der nachbar rechtliche Anspruch auf die Beseitigung höher wachsender Bäume beträgt jetzt fünf Jahre. Aus der Erfahrung weiß man eigentlich schon, dass gerade hohe Bäume zu gewaltigen Stö rungen führen können. Wenn solche Störungen eintreten, ist die Verjährungsfrist aber oftmals längst abgelaufen. Insofern ist die Verdopplung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre gebo ten.

Mit dieser Gesetzesänderung kann der CO2-Ausstoß gesenkt und der Klimaschutz verbessert werden.

Was noch viel, viel besser ist: Die neuen Regelungen bringen keine Mehrkosten für Private und für das Land mit sich. Sol che Gesetze, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte man ei gentlich öfter machen.

Die CDU-Fraktion wird aus all diesen Gründen dem Gesetz entwurf zustimmen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Filius das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Nach barrechtsgesetzes ist ein wichtiger Baustein für die Energie wende hier im Land. Zwar gilt die öffentliche Aufmerksam keit beim Thema Energie vor allem der Art der Stromerzeu gung. Heute Vormittag haben wir eine entsprechende Debat te geführt. Aber es darf nicht vergessen werden, dass ein min destens so großes Potenzial in der Energieeinsparung liegt, und genau dort setzt die beabsichtigte Regelung an.

Dabei geht es vor allem um die Dämmung von Gebäuden. Denn eine Vielzahl der Häuser in Baden-Württemberg stam men noch aus der Zeit des billigen Öls und sind entsprechend – so möchte ich salopp sagen – wahre Energieschleudern.

Eine nachträgliche Dämmung berührt vielerorts die Rechte der jeweiligen Nachbarn. Die gilt es hier zu regeln. Dem kommt der Gesetzentwurf auch in vollem Umfang nach.

Es ist zweifellos gut, dass die Landesregierung hier nicht auf ein Bundesgesetz wartet oder es über den Bundesrat einfor dert, sondern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung tätig wird und selbst einen Gesetzentwurf auf den Weg ge

bracht hat. So wird nicht nur die Umwelt entlastet, sondern auch dafür gesorgt, dass Wohnen bezahlbar bleibt bzw. wird – je nachdem, wo man letztlich steht.

Es ist ein Skandal und bereitet ganz große Sorgen, dass mitt lerweile, wie man in den Medien auch immer wieder gelesen hat, eine Million Menschen in der Bundesrepublik nicht mehr in der Lage sein sollen, die Kosten für das Heizen ihrer Woh nung zu bezahlen. Das betrifft gerade auch Altbauten, und hier setzt diese Regelung an.

Bei der Anhörung der Verbände zu dem Gesetzentwurf hat man überwiegend zustimmende Stellungnahmen erhalten. Wichtig ist, dass im Zuge der Gesetzgebung auch auf die Ver hältnismäßigkeit geachtet wird – das ist in vollem Umfang er folgt – und die sogenannte Duldungsgrenze bei der nachträg lichen Dämmung von Altbauten auf maximal 25 cm – Kolle ge Hitzler hat auch schon darauf hingewiesen – gesenkt wer den soll.

Bei den Bäumen wird die Höhenbegrenzung ebenfalls maß voll gehandhabt. Die Höhenbegrenzung von 12 m für dicht am Grundstücksrand stehende Bäume halte ich im Hinblick auf die mögliche Verschattung von Fotovoltaik- und Solaran lagen für sachgerecht.

Der Herr Minister hat auch schon darauf hingewiesen, dass über das Beteiligungsportal eine Vielzahl von Stellungnah men eingegangen sind. Es ist erfreulich, dass dieses Instru ment genutzt wird und über diesen Weg auch qualitativ hoch wertige Stellungnahmen vorgelegt wurden, z. B. auch Ab standsregelungen der einzelnen Bundesländer im Vergleich. Ich möchte den Bürgerinnen und Bürgern ausdrücklich dan ken, dass sie hier ihr Engagement gezeigt und Stellungnah men abgegeben haben.

Ein weiterer Punkt in diesem Kontext sind die Verjährungs fristen. Es wurde ebenfalls vom Herrn Minister bei der Ein bringung erwähnt, es sei sachgerecht, die Verjährungsfristen bei Verstößen gegen das Nachbarrecht im Hinblick auf das langsame Wachsen der Bäume auf zehn Jahre zu verlängern. In diesem Sinn wird der Rechtsfrieden ebenfalls gewahrt.

Bei dem Gesetzentwurf geht es wie immer im Nachbarrecht um den Ausgleich divergierender Interessen. Die Landesre gierung hat diese hier meines Erachtens sehr gut abgewogen und ihren Spielraum sachgerecht genutzt.

Meine Fraktion wird der Überweisung des Gesetzesentwurfs an den Ausschuss zustimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der SPD darf ich Herrn Kollegen Winkler das Wort geben.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Karl Zimmer mann CDU: Alfred!)

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Danke für den Empfang.

(Heiterkeit – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Den hast du dir verdient!)

Dies ist ja meine letzte Rede hier am Pult. Insofern möchte ich es kurz und auch nicht spektakulär machen.

Zum Thema Nachbarschaftsrecht möchte ich mit der Bemer kung eines Kabarettisten einsteigen, der einmal gesagt hat: Die Deutschen haben drei Hobbys: Fußball schauen, Urlaub machen und Nachbarn verklagen.