Wir diskutieren darüber, wie die Landesregierung einmal mehr versucht, die Menschen in diesem Land zu bevormunden, auch die Erziehungsberechtigten, auch die Eltern und Fami lien.
Sie versuchen zu erreichen, dass in der Schule Einstellungen unterrichtet werden. Das ist aber nicht die Aufgabe von Schu le. Schule hat die Aufgabe, Kinder so zu erziehen, dass man ihnen Werte als Teil ihres Lebens mitgibt, die am Ende Teil der freien Meinungsbildung und Entscheidung in verschiede nen Situationen des Lebens werden.
Schule hat das Ziel, junge Menschen auf ein selbstbestimm tes Leben im Beruf genauso wie im Privatleben vorzuberei ten. Die Lebenswirklichkeit einer Gesellschaft verändert sich, Kinder und Jugendliche verändern sich. Darauf muss Schule reagieren, und darauf reagiert Schule auch. Die Lehrerinnen und Lehrer setzen den aktuellen Bildungsplan mit hohem Ver antwortungsbewusstsein und Fingerspitzengefühl um und kommen diesem hohen Maß an Verantwortung schon heute in hervorragender Weise nach.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kinder müssen ei nes in der Schule lernen: Freiheit in Verantwortung.
Aus diesem für uns jedenfalls zentralen Wert, der sich aus dem vorhin zitierten christlichen Menschenbild ergibt, folgt das entscheidende Charaktermerkmal: Toleranz. Toleranz ist ein zentraler Wert und bereits Leitprinzip im heutigen Bildungs plan. Die Erziehung zur Toleranz ist die Voraussetzung dafür, dass die Grundlagen unserer Verfassung, nämlich „Die Wür de des Menschen ist unantastbar“ und „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“, umgesetzt wer den können. Die Erziehung zur Toleranz gewährleistet die Er füllung unserer grundgesetzlichen Ansprüche.
Der Kultusminister hat es versäumt, die unterschiedlichen In teressengruppen bei seinen Bildungsplanreformen ernsthaft einzubinden und einen notwendigen Ausgleich zu schaffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus dem Verfas sungsauftrag ergibt sich eines: Die Definition, im Geist der christlichen Nächstenliebe zu erziehen, obliegt eben nicht al lein der Deutungshoheit einer aktuellen Landesregierung; sie obliegt weder dem SPD-Kultusminister Stoch noch dem grü nen Ministerpräsidenten Kretschmann, noch obliegt sie dem schwarzen Oppositionsführer Hauk. Dafür gibt es andere ge sellschaftliche Gruppen, u. a. auch die Kirchen, denen eben falls ein entscheidendes Maß an Deutungshoheit zukommt.
Das Ziel, den Bildungsplan bis 2015 fertigzustellen, war von Anfang an zu ehrgeizig formuliert. Es ist wichtig, alle zu hö ren, und nicht nur, wie aktuell wieder einmal geschehen, se lektiv einzelnen Lobbygruppen einen Einfluss zu verleihen, der den gesamtgesellschaftlichen Konsens außer Kraft setzt.
Natürlich muss auch das Thema „Sexuelle Vielfalt“ in der Schule stattfinden, aber nicht überhöht und nicht isoliert.
Durch Ihre einseitige Fokussierung in den Leitprinzipien ge raten andere, aber ebenso wichtige Schwerpunkte bzw. auch Gruppen in den Hintergrund.
So darf die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund durch die Bildungsplanreform nicht beeinträchtigt werden. Ich rate daher dringend, dass auch ein eingehender Dialog mit den verschiedenen Migrantengrup pen geführt wird, bevor dieser Bildungsplan in Kraft tritt.
Vor Kurzem, Herr Ministerpräsident, haben Sie mit unserer Unterstützung den Staatsvertrag – wir haben ihn gemeinsam ratifiziert – mit den Sinti und Roma unterschrieben. Der Bil dungsplan wäre die Chance gewesen, diesen Staatsvertrag mit Leben zu erfüllen.
Ebenso darf die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen durch die Bildungsplanreform nicht be einträchtigt werden.
Dass inzwischen sogar die Vertreter der Regierungsfraktionen von Ihrem Bildungsplanentwurf abrücken, macht deutlich, dass hier dringend nachgearbeitet werden muss.
Frau Boser, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion GRÜ NE, bezeichnete einige Formulierungen des Arbeitspapiers als unglücklich. Dr. Fulst-Blei, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte:
Herr Ministerpräsident, nach Ihrem turnusgemäßen Gespräch mit den Kirchen haben Sie gemeinsam mitgeteilt – ich zitie re –, gegen „jede Form der Diskriminierung und Intoleranz“ zu sein und die Zielsetzung zu haben, „in den Schulen ein Um feld für Offenheit und gegenseitigen Respekt zu schaffen“. Herr Ministerpräsident, dabei unterstützen wir Sie zu 100 %.
Das ist der entscheidende Punkt in der Diskussion, den es zu befördern gilt. Wenn es diese Erkenntnis inzwischen auch bei Ihnen gibt, dann sollten Sie und Ihre Regierung aber auch mit gutem Vorbild vorangehen. Denn Sie, Herr Minister Stoch, und auch Sie, Herr Kollege Schmiedel, lassen beim Thema Toleranz doch viel Toleranz vermissen. Ihr Umgang mit Kri tikern ist eigentlich beschämend,
Jeder hat das Recht, sich mit einer Petition an die Gesetzge bungskörperschaft in Deutschland zu wenden – jeder.
dieses elementare Bürgerrecht bei seinem Gebrauch zu beur teilen oder – viel schlimmer noch – so, wie Sie es getan ha ben, zu verurteilen.
die im Internet veröffentlicht wurden und die demnächst wohl beim Landtag eingehen werden – drei an der Zahl –, kommt eines zum Ausdruck: dass die Gesellschaft auseinanderklafft, dass kontrovers über den Bildungsplan diskutiert wird. Wir haben in der Vergangenheit ebenfalls Diskussionen gehabt. Da ging es aber beispielsweise um die Frage, ob der Mathe matikunterricht eine Stunde mehr oder weniger umfassen sol le, um den Zeitpunkt der Einführung einer Fremdsprache und dergleichen. Das waren in etwa die Themen. Aber über die Grundlinien des Bildungsplans gab es nie öffentliche Diskus sionen, weil die Landesregierung einen gesellschaftlichen Konsens hergestellt hat.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Schon die Überschrift der heutigen Ak tuellen Debatte – „Spaltet ein ideologisierter Bildungsplan un ser Land?“ – hat angedeutet, dass es heute nicht um eine sach liche Debatte geht.