Protokoll der Sitzung vom 20.07.2011

Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frau en und Senioren – Erhalt des Landeserziehungsgeldes – Drucksache 15/87

Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 15/301, vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffel te Redezeiten gelten.

Das Wort für die CDU-Fraktion darf ich Herrn Abg. Kunz mann erteilen.

Verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur noch wenige Bundesländer leisten sich einen eigenen Beitrag, um einkom mensschwachen jungen Familien in der Zeit, in der sie am dringendsten Unterstützung benötigen, unbürokratisch und di

rekt sowie vor allem zielgerichtet zu helfen. Baden-Württem berg ist eines dieser Länder. Es hat sich mir überhaupt nicht erschlossen, warum ausgerechnet das Landeserziehungsgeld von der neuen Landesregierung derart geschmäht wird.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Immerhin wurde im Jahr 2010 für jedes fünfte in Baden-Würt temberg geborene Kind im zweiten Jahr nach der Geburt, al so nach dem Auslaufen des Bundeselterngelds, ein Zuschuss gewährt. Der Zuschuss macht bestimmt nicht reich, für die betroffenen Familien jedoch ist er eine notwendige Hilfe.

(Beifall bei der CDU)

Nutznießer sind vor allem auch diejenigen Eltern, bei denen ein Partner wenigstens teilweise regelmäßig arbeiten geht. Das Landeserziehungsgeld ist also ein wichtiger Beitrag, um Fa milien davor zu schützen, in Armut zu geraten. Die CDULandtagsfraktion stand in stürmischer Zeit zu dieser Leistung, und sie steht bis heute dazu.

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Für Irritationen sorgen jetzt Formulierungen im Wahlpro gramm der Grünen und im neuen Koalitionsvertrag sowie Äu ßerungen von Ihnen, Frau Ministerin Altpeter, in der Presse. Die Grünen schlagen vor – und die FDP/DVP geht, nachdem sie jetzt in der Opposition ist, in dieselbe Richtung –, das Lan deserziehungsgeld abzuschaffen und das Geld in die Klein kindbetreuung umzuschichten. Wir lehnen das ab.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt zitiere ich – mit Erlaubnis des Präsidenten – aus dem Ko alitionsvertrag.

Selbstverständlich.

Danke. – Im Koalitions vertrag steht:

Mit einem reformierten Landeserziehungsgeld wollen wir ärmere Familien mit Kindern bis zu einem Alter von 13 Monaten besonders unterstützen.

Wir müssen also vermuten, Sie planen beides: Umschichtung in die Kleinkindbetreuung und Umschichtung in Ersatzleis tungen des Bundes.

Die Festlegung dazu im Koalitionsvertrag ist nicht einmal in den Kapiteln zur Familie oder zur Armutsbekämpfung zu fin den, sondern im Kapitel Bildung.

Alles in allem bleiben damit die Familien auf der Strecke, in denen wenigstens ein Partner einer regelmäßigen Arbeit nach geht. Denn diese Familien sind – hier komme ich, Frau Mi nisterin Altpeter, auf die sehr schlampige Antwort Ihrer soge nannten Bürgerregierung auf unseren Antrag zu sprechen – aus der Sicht der Landesregierung eben nicht besonders be dürftig.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aha!)

Wenn also jemand – ich nenne einmal ein Beispiel – in Teil zeit als Rettungsassistent arbeitet und monatlich mit knapp 1 500 € brutto nach Hause kommt, dann ist dessen Familie aus der Sicht der neuen Landesregierung nicht bedürftig.

(Zurufe von der CDU: Oi, oi! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Unglaublich!)

Arbeitet niemand, ist sie wiederum bedürftig. Was sind denn das für Signale, die Sie damit aussenden?

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Sie spielen zwei Gruppen, die heute ohne Unterscheidung das Landeserziehungsgeld beziehen, gegeneinander aus, und zwar nur aus ideologischen Gründen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

nämlich weil Sie der Meinung sind, in einkommensschwa chen Familien sollen gefälligst beide Partner arbeiten und soll das Kind in die Betreuung geschickt werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau so ist es! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau!)

Sie planen nun, das Landeserziehungsgeld umzuschichten. Dort, wo der Bund das Elterngeld nicht mehr zahlt, wollen Sie einspringen – okay; aber das darf nicht auf Kosten der Fami lien geschehen, in denen wenigstens ein Partner arbeitet.

Sie planen weiter, das Landeserziehungsgeld in die Kleinkind betreuung umzuschichten. Sie sind ja eine Regierung, die hö ren will.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Aber nicht fühlen!)

Jetzt zitiere ich nicht mich selbst, sondern eine Stellungnah me – ganz aktuell – vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten:

(Zurufe)

Es ist unstreitig, dass im Land mehr Geld in diesen Aus bau

es geht um die Kleinkindbetreuung –

investiert werden muss – es ist jedoch nicht vertretbar, dieses Geld durch Umschichtung zulasten des Landeser ziehungsgeldes und somit auf Kosten der einkommens schwächsten Familien aufzubringen.

(Zuruf von der CDU: Aha! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Hört, hört!)

Welcher Sachzusammenhang rechtfertigt es, Mittel zur Armutsprävention bei Familien in Mittel zur Förderung der Kleinkindbetreuung „umzuwandeln“? Die pauscha le Förderung der Kleinkindbetreuung kommt auch Gut- und Besserverdienenden zugute. Ein Erfolgsrezept für Fa milien braucht beides – direkte Transferleistungen und gute Kinderbetreuung. Ein Jahr Elterngeld und dann wie der in Vollzeit erwerbstätig. Das geht an der Lebensrea lität vieler Familien vorbei.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin Kommunalpolitiker mit Leib und Seele, und daher weiß ich sehr genau: Wenn man etwas erreichen will, dann geht es nur im Kompromiss. Uns ist das Landeserziehungs geld wichtig. Lassen Sie uns also einen Kompromiss suchen, der durchaus auch Ihrem Ziel gerecht wird. Bekennen Sie sich jedoch dazu, dass mit Ihrer Reform keine grundsätzlichen Kürzungen für die von mir angesprochenen Familien verbun den sind. Nehmen Sie also heute und hier im Parlament zu Abschnitt II unseres Antrags Stellung, der lautet:

... am Landeserziehungsgeld in seiner bewährten Weise festzuhalten und dauerhaft sicherzustellen, dass dafür mindestens Landesmittel in heutiger Höhe zur Verfügung stehen.

Am besten aber ist: Stimmen Sie einfach unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gute Rede! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Bravo!)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Poreski das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Wir Grünen stehen dafür, Rahmenbedingungen so zu ver ändern, dass Armut bereits im Vorfeld vermieden wird – beim Arbeitsrecht, bei der Steuergerechtigkeit, bei der Chancenge rechtigkeit und bei der sozialen Infrastruktur. Im Bedarfsfall aber sind wir durchaus bereit, auch Direktzahlungen an Men schen in Armut zu leisten – wenn nötig, sogar deutlich mehr Geld als heute.

Das soziokulturelle Existenzminimum steht allen Menschen zu. Es wird ihnen aber – siehe Hartz IV – von Schwarz-Gelb häufig verweigert. Um Kinderarmut zu vermeiden, brauchen wir eine existenzsichernde Kindergrundsicherung für alle Kin der. Auch hier verweigert sich Schwarz-Gelb. Stattdessen gibt es ein Bildungs- und Teilhabepäckchen. Das ist besser als nichts, aber es erweist sich als bürokratisches Ungetüm, und es erreicht einen Großteil der Betroffenen nicht.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Wir sind doch hier nicht im Bundestag!)

Ich spreche von Ihren Parteifreunden.