Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der ChristlichDemokratischen Union zum Erhalt des Landeserziehungs gelds ist ein ehrenwerter Antrag, der vom Grundsatz her ei nen guten Kern hat, nämlich die Förderung junger Familien. Aus der Sicht der FDP/DVP-Landtagsfraktion bestehen aber beim Landeserziehungsgeld insbesondere zwei Webfehler, die für eine andere Regelung sprechen.
Erstens sorgen die bestehenden starren Einkommensgrenzen und Arbeitszeitgrenzen für ein völlig falsches Anreizsystem. Alleinerziehende dürfen nicht mehr als 1 225 € pro Monat ver dienen und nicht mehr als 21 Wochenstunden arbeiten, um das volle Landeserziehungsgeld zu erhalten. Bei Paaren liegt die Einkommensgrenze bei 1 480 € pro Monat und die Arbeits zeitgrenze bei 30 Wochenstunden, wenn beide Partner arbei ten.
Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar – da habe ich ei ne etwas andere Sichtweise als der Kollege Kunzmann; Sie haben vom Rettungsassistenten bzw. der Rettungsassistentin mit einem Einkommen von 1 500 € pro Monat gesprochen; das geht fast in die Richtung –, dass ein Elternteil bei einer 40-Stunden-Woche mit einem Stundensatz von 11 € bereits in die „Gleitzone“ des Landeserziehungsgelds hineinrutscht – obwohl bei einer zehnmonatigen Bezugsdauer mehr als 7 700 € an Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt werden. Ein Leistungsanreiz sieht anders aus.
Zweitens sorgt das Landeserziehungsgeld nicht für die Ver besserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die
Genauso wenig überzeugt uns – mit Ausnahme des vorgese henen Vertrauensschutzes für aktuelle Empfänger des Landes erziehungsgelds – die knappe Stellungnahme des Sozialmi nisteriums. Hierin wird auf den Koalitionsvertrag verwiesen, der eine Umschichtung des Landeserziehungsgelds quasi als Ersatz für die Anrechnung des Elterngelds bei der Grundsi cherung, bei der Sozialhilfe und beim Kinderzuschlag vor sieht. Aus unserer Sicht ist das Vorhaben nicht zielführend und konterkariert die Bemühungen, Menschen aus dem Transfer bezug herauszubringen.
Für uns ist eine familienfreundliche Umwidmung der Mittel, die bisher für das Landeserziehungsgeld eingesetzt wurden, der richtige Weg. Ein erster wesentlicher Erfolg war und ist das Programm STÄRKE. So wurde beispielsweise am 6. Ok tober 2008 im Jugendhilfeausschuss des Rems-Murr-Kreises die Bedeutung der Stärkung der Elternkompetenz durch das Landesprogramm STÄRKE als wichtiger Beitrag zum Kin derschutz hervorgehoben. Dabei werden Eltern in besonderen Lebenssituationen mit speziellen Familienbildungsangeboten sowie Einzelfallberatungen gezielt unterstützt.
Die Neuregelung des Bundeselterngelds mit der Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngelds beim Bezug von So zialtransferleistungen wie beispielsweise Grundsicherung ist für die Betroffenen nicht leicht, aber vom Sinn und Zweck des Zuschusses her richtig. Das Elterngeld soll Eltern einen Teil des Einkommensausfalls während des ersten Lebensjahrs ih res Kindes ersetzen. Die Überprüfung durch das Bundesver fassungsgericht hat ergeben, dass in den Sozialtransferleistun gen die Bedarfe der Höhe nach sachgerecht abgebildet sind.
Aus der Stellungnahme des Sozialministeriums zum vorlie genden CDU-Antrag geht aber nicht hervor, was jetzt genau kommen soll. Es bleibt also abzuwarten.
Deshalb haben wir einen Änderungsantrag gestellt mit dem Ziel, das Landeserziehungsgeld so zu gestalten, dass diese Mittel in Betreuungs- oder Bildungsangebote investiert wer den oder für andere unmittelbar den Kindern zugutekommen de Leistungen eingesetzt werden. Es geht also nicht um die Streichung der Gelder, sondern um einen zweckmäßigen Mit teleinsatz, bei dem die Familien insgesamt als Zielgruppe im Auge behalten und nicht einseitige Vergünstigungen vorge nommen werden, die Familien finanziell benachteiligen, die das Landeserziehungsgeld nur teilweise oder nicht mehr er halten können.
Dazu regen wir eine enge Verzahnung mit den Kommunen an, damit kein zusätzlicher bürokratischer Aufwand durch För derprogramme verschiedener Verwaltungsebenen entsteht. So mit trägt diese Saat langfristig mehr Früchte als die jetzige Form des Landeserziehungsgelds.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für wichtig, sich zunächst an den Aus gangspunkt der heutigen Debatte zu erinnern. Der Ausgangs punkt der heutigen Debatte war nicht der Landtag von BadenWürttemberg und auch nicht der Sozialausschuss. Der Aus gangspunkt war vielmehr eine Entscheidung der schwarz-gel ben Bundesregierung, die zum Jahreswechsel 2011 für alle zuvor nicht berufstätigen ALG-II-Bezieher – ich bitte, sich das zu merken – eine Anrechnung des Elterngelds beschlos sen hat.
Das bedeutet, dass für alle Sozialhilfebeziehenden sowie Kin derzuschlagsberechtigten das Elterngeld faktisch wegfällt. Das hat man fein verpackt in eine schöne Worthülse und als „An rechnung“ bezeichnet. In Wahrheit aber war es nichts anderes als eine Streichung des Elterngelds von 300 € bzw. 250 € bei Beziehern von aufstockenden Leistungen.
Ich sehe Ihnen als neuen Abgeordneten nach, dass Sie in der Geschichte des Landeserziehungsgelds noch nicht so bewan dert sind. An dieser Stelle möchte ich aber noch einmal klar stellen, dass das Bundeselterngeld für diejenigen, die vorher nicht berufstätig waren, von der schwarz-gelben Bundesre gierung gestrichen wurde. Diejenigen aber, die Sie erwähnt haben, nämlich diejenigen, die über ein geringes Einkommen verfügen, die Minijobber und diejenigen, die zusätzlich zu ih rem Einkommen aufstockende Leistungen beziehen, erhalten weiterhin Bundeselterngeld.
Insofern sind von dieser Streichung tatsächlich die Ärmsten der Armen betroffen gewesen. Das hat weder die Landesre gierung von Baden-Württemberg noch eine andere Landesre gierung, sondern die von CDU/CSU und FDP getragene Bun desregierung zu verantworten.
Deshalb möchte ich Sie bitten, in Zukunft von solchen Be grifflichkeiten wie „schlampige Beantwortung von Anfragen“ Abstand zu nehmen und sich etwas näher mit der Materie zu beschäftigen.
Ich möchte noch einmal auf die Streichung des Bundeseltern gelds zurückkommen. In meiner Funktion als Mitglied des Sozialausschusses des Landtags habe ich bereits im Dezem ber 2010 einen Antrag gestellt, der darauf abzielte, wegen der Streichung des Bundeserziehungsgelds den Bezug des Lan deserziehungsgelds vorzuziehen, damit junge Familien bereits ab dem ersten Lebensmonat ihres Kindes die Möglichkeit ha ben, ihr Kind entsprechend zu fördern.
Jeder, der ein Kind hat, weiß, dass während des ersten Lebens jahrs eines Kindes die meisten Anschaffungen zu tätigen sind und die größten Ausgaben anfallen. Wenn es aber kein Bun deserziehungsgeld gibt und das Landeserziehungsgeld erst ab dem 13. Lebensmonat des Kindes gezahlt wird, besteht keine Möglichkeit, für Kinder im ersten Lebensjahr Gutes zu tun.
Insofern ist die Veränderung des Landeserziehungsgelds und die Anpassung an die Gegebenheiten schlicht und ergreifend
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wer hat Ihnen das denn aufge schrieben?)
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Tanja Gönner CDU: Warum haben Sie dann noch einen Zettel?)
Ich darf noch etwas zu dem von Ihnen, Herr Haußmann, er wähnten Programm STÄRKE sagen. Sie haben recht: STÄR KE ist ein wichtiges Programm, insbesondere STÄRKE II. Aber Sie können das Landeserziehungsgeld nicht durch Gel der aus diesem Programm ersetzen, weil die Rahmenverein barung zum Programm STÄRKE im Jahr 2013 ausläuft. Wir müssen diesbezüglich rechtzeitig überlegen, welche Maßnah men wir in Zukunft ergreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zweifellos ist nicht optimal, dass das Landeserziehungsgeld nicht in vollem Umfang für alle bisher Leistungsberechtigten erhalten bleiben kann. Aber wegen der Haushaltssituation müssen Prioritäten gesetzt wer den. Aus diesem Grund hat die neue Landesregierung am An fang eines ganz deutlich gemacht: Der wegfallende Teil der bisherigen Fördergelder soll dafür verwendet werden, die frühkindliche Bildung und Betreuung auszubauen. Ich denke, es besteht sicherlich im gesamten Haus Einigkeit darüber, dass der Ausbau der Kleinkindbetreuung in besonderem Maß är meren Familien zugutekommt.
Wichtig ist – das habe ich bereits klargestellt –, dass Verän derungen, die wir am Landeserziehungsgeld vornehmen, die bestehenden Dispositionen von Familien berücksichtigen. Deshalb wird es bei der Neuregelung des Landeserziehungs gelds eine entsprechende Übergangszeit geben. Wir werden natürlich – das ist völlig klar – Vertrauensschutz für diejeni gen Eltern gewährleisten, die sich bereits heute in Elternzeit befinden.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Neuregelung des Lan deserziehungsgelds bedeutet nicht, dass bei den Ärmsten ge kürzt wird. Denn zum einen erhalten gerade die besonders ar mutsgefährdeten ALG-II-Bezieher unmittelbar im Anschluss an die Geburt eines Kindes das Landeserziehungsgeld. Sie er halten es damit ein Jahr früher als bisher und damit in einer finanziell besonders prekären Familienphase.
Zum anderen werden die mittelfristig frei werdenden Finanz mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung verwendet. Wir wissen, dass dies in besonderem Maß der angesprochenen Per sonengruppe zugutekommt.
Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes betonen: Fa milienpolitische Maßnahmen müssen immer im Hinblick auf wechselseitige Wirkungen und im Gesamtzusammenhang be trachtet werden. Dies werden wir bei allen künftigen famili enpolitischen Entscheidungen im Blick behalten. Wir werden keine isolierten Einzelmaßnahmen treffen, und wir werden
Verehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Die von der Bundesregierung im letzten Jahr getroffenen Entscheidungen kann man für richtig oder für falsch halten.
Mir leuchtet Folgendes nicht ganz ein: Warum bestrafen Sie, wenn Sie zugleich den ALG-II-Beziehern helfen wollen, die jenigen, die täglich ihrer Arbeit nachgehen, die 1 450 € im Monat nach Hause bringen? Diesen nehmen Sie das Landes erziehungsgeld weg. Warum bestrafen Sie diejenigen? Helfen Sie der Gruppe, der Sie helfen wollen – da gehen wir auch mit –, aber bestrafen Sie nicht gleichzeitig diejenigen, die arbei ten gehen. Das ist der Unterschied zwischen unseren beiden Positionen.
(Beifall bei der CDU – Zuruf der Ministerin Katrin Altpeter – Gegenruf der Abg. Tanja Gönner CDU: Keine Zwischenrufe von der Regierungsbank!)
Sie haben gerade sinngemäß gesagt: „Die Haushaltslage ist prekär. Wir mussten Prioritäten setzen.“ Ich stelle fest: Sie ha ben – darüber wird morgen und in der nächsten Woche im Rahmen der Beratungen des Nachtragshaushalts gesprochen – natürlich Prioritäten gesetzt. Ich sage es jetzt auch einmal so deutlich: Sie bestrafen einerseits diejenigen, die wenig Geld verdienen, aber trotzdem arbeiten gehen. Andererseits haben Sie keine Hemmungen, 180 neue Stellen im Bürokratieappa rat zu schaffen. Das sind die Prioritäten, die Sie setzen. Das nehmen wir zur Kenntnis.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Ablenkung! – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)
Sie, Herr Kollege Poreski, haben sich – durchaus auch ernst haft – zum Sprachrohr der Alleinerziehenden gemacht. Aber ich frage Sie auch: Warum sind Sie auf diese Stellungnahme des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter mit keinem Wort eingegangen, in der genau das, was Sie jetzt planen, ka tegorisch abgelehnt wird?