Protokoll der Sitzung vom 26.02.2014

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Verfassungsge richtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat am Montag, dem 24. Februar dieses Jahres, entschieden, dass die Daten einer vom Staat gekauften „Steuer-CD“ von Fahndern bei ihrer Er mittlung genutzt werden dürfen. Der Präsident des Verfas sungsgerichtshofs, Lars Brocker, führte in der Urteilsbegrün dung aus, dass in verfassungsrechtlicher Hinsicht selbst eine rechtswidrige Beweiserhebung nicht ohne Weiteres zu einem Verwertungsverbot führe. Damit folgen die Koblenzer Rich ter im Kern der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge richts aus dem Jahr 2010 in einem vergleichbaren Fall.

Ich frage jetzt die Landesregierung:

Erstens: Wie bewertet die Landesregierung das erwähnte Ur teil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, und hält sie den Ankauf von sogenannten Steuer-CDs für ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Steuerhinterziehung und für mehr Steuergerechtigkeit?

Zweite Frage: Beabsichtigt die Landesregierung vor dem Hin tergrund des aktuellen Urteils, sich auch künftig an den Kos ten für den Erwerb von Datenträgern mit Steuerdaten zu be teiligen, gegebenenfalls diese selbst zu erwerben?

Vielen Dank, Herr Ab geordneter. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staats sekretär Rust das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die beiden Fragen von Herrn Maier wie folgt beantworten:

Die erste Frage war, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wie wir dieses Urteil bewerten. Der Verfassungsgerichtshof Rhein land-Pfalz hat die Verfassungsbeschwerde, die dort eingereicht war, als unbegründet zurückgewiesen. Er hat festgestellt, dass die aus den Daten-CDs gewonnenen Erkenntnisse grundsätz

lich verwertbar sind. Damit bestätigt er neben dem Bundes verfassungsgericht, das das auch schon bestätigt hat, die von der Landesregierung vertretene Linie zum Ankauf von Steu erdaten-CDs. Nach wie vor halten wir den Ankauf von „Steu er-CDs“ für ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Steuerhin terziehung. Solange kein umfassender Daten- und Informati onsaustausch über steuerlich relevante Daten im Ausland exis tiert, sehen wir kein anderes geeignetes Mittel zum Erreichen von mehr Steuergerechtigkeit.

Zur zweiten Frage, was die zukünftige Haltung angeht: Un sere Haltung bleibt, wie sie bisher war. Das heißt, wir sehen einen Ankauf oder eine Kostenbeteiligung bei einem Ankauf durch diese aktuelle Entscheidung bestätigt. Nach wie vor gilt für uns: Sofern valide Daten mit steuerlicher Relevanz vorlie gen, werden wir, die Landesregierung, uns entweder an dem Kaufpreis beteiligen oder die Daten selbst erwerben.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Herr Staatssekretär, an wie vielen Ankäufen sogenannter Steuer-CDs hat sich die Landes regierung bisher beteiligt, und welche Summen wurden für die bisherigen Ankäufe aufgewendet?

Weitere Frage: Wie viele Selbstanzeigen in Baden-Württem berg wurden seit dem ersten Datenankauf durch NRW im Fe bruar 2010 eingereicht, und wie hoch ist das steuerliche Mehr ergebnis aufgrund der Selbstanzeigen?

Bitte, Herr Staatssekre tär.

Baden-Württemberg hat sich zum ersten Mal im Jahr 2008 beteiligt. Seitdem wurden neun CDs angekauft – nicht von uns, sondern von anderen Bundeslän dern. Wir haben uns aber jeweils an den Kosten für den Er werb dieser Daten beteiligt und dafür insgesamt rund 1,3 Mil lionen € ausgegeben.

Sie haben weiter nach den Selbstanzeigen gefragt, die wir in Baden-Württemberg seither haben. Wir haben Daten dazu seit Februar 2010. Seither sind 18 855 Selbstanzeigen eingegan gen, mit denen allein bis dato nicht erklärte Kapitalerträge von 1,6 Milliarden € offenbart wurden. Diese 1,6 Milliarden € sind nicht das Kapital, das im Ausland war, sondern das sind die nicht deklarierten Kapitalerträge. Man kann sich also vorstel len, um welche Summen es sich dabei handelt. Diese Selbst anzeigen haben bislang zu Steuermehreinnahmen in Höhe von 461 Millionen € geführt.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abg. Herr mann von der CDU-Fraktion.

Herr Staatssekretär, nachdem Sie das jetzt aus Ihrer Sicht so positiv dargestellt haben, stel le ich die Frage: Werben Sie, die Landesregierung, jetzt da für, dass Daten von Dritten, die Sie in rechtswidriger Weise erhalten haben und die geschützt sind, an die Landesregierung herausgegeben werden sollen?

Wir werben nirgends dafür, dass strafbare Handlungen getätigt werden.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das ist schon mal gut! War’s das?)

Frau Kollegin Aras von der Fraktion GRÜNE.

Herr Staatssekretär, ich ha be zwei Fragen.

Erste Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Er werb der „Steuer-CDs“ und den Selbstanzeigen in BadenWürttemberg?

Zweite Frage: Wie beurteilen Sie im Rückblick das Scheitern des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens?

Bitte, Herr Staatssekre tär.

Zur ersten Frage: Ein direkter Zu sammenhang lässt sich nicht nachweisen. Aber wenn man ein mal verfolgt, wann Selbstanzeigen bei uns eingehen, und dann vergleicht, wann in der Öffentlichkeit über den Ankauf einer „Steuer-CD“ diskutiert wurde oder beispielsweise prominen te oder auch weniger prominente Persönlichkeiten des öffent lichen Lebens über eine Selbstanzeige nachgedacht oder eine solche gemacht haben, dann lässt sich ein direkter Zusammen hang, glaube ich, herstellen. Es ist nicht weit hergeholt, dass dann, wenn in Zeitungen in gewissen Regionen oder auch deutschlandweit über den Ankauf einer „Steuer-CD“ disku tiert wird, die Zahl der Selbstanzeigen bei den Steuerbehör den steigt. Daher lässt sich ein Zusammenhang durchaus gut begründet herstellen. Natürlich kann ich jetzt nicht bei jedem einzelnen Steuerfall nachweisen, dass es so ist. Aber die Zahl der Selbstanzeigen bei unseren Steuerbehörden steigt regel mäßig, wenn in den Medien über den Ankauf einer „SteuerCD“ diskutiert wird.

Zur zweiten Frage: Wenn wir rückblickend sehen, was wir seit dem Scheitern des deutsch-schweizerischen Steuerabkom mens an Selbstanzeigen bekommen haben, und uns erinnern, dass einige Prominente sogar gesagt haben, sie hätten mit ih rer Selbstanzeige gewartet, ob das deutsch-schweizerische Steuerabkommen kommt oder nicht, dann, glaube ich, waren wir sehr, sehr gut beraten.

Vor allem wir in Baden-Württemberg waren ja federführend daran beteiligt, dass das deutsch-schweizerische Steuerabkom men nicht zustande gekommen ist.

(Abg. Klaus Maier SPD: Ja, genau!)

Denn all diese Fälle wären nicht publik geworden, und wir hätten auch diese Steuereinnahmen nicht erzielt. Deshalb bin ich ganz froh, dass wir standhaft geblieben sind und nicht wie andere der Versuchung des schnellen Geldes erlegen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Vielen Dank. – Eine weitere Frage des Herrn Abg. Maier von der SPD-Fraktion.

Ich komme noch einmal auf die Selbstanzeige zurück. Wie bewertet die Landesregierung das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige im Kampf um mehr Steuergerechtigkeit, und welchen Bedarf der Weiterent wicklung dieses Instruments sieht sie?

Ergänzend dazu: Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang insbesondere Überlegungen zur Vereinheitlichung von Ver jährungsfristen im Steuer- und Strafrecht? Diese Fristen ge hen ja noch auseinander. Gibt es Überlegungen, diese Fristen zu vereinheitlichen?

Bitte, Herr Staatssekre tär.

Vielen Dank. – Ich habe vorhin schon gesagt: Steuergerechtigkeit heißt für uns, dass der Ehr liche nicht der Dumme sein darf. Deshalb hat Baden-Würt temberg das Steuerabkommen abgelehnt. Wir beabsichtigen nach wie vor, uns an den Datenankäufen zu beteiligen. Nach Abwägung aller verfassungsrechtlichen, fiskalischen und ad ministrativen Aspekte sollten aber Selbstanzeigen nicht völ lig abgeschafft werden. Eine Abschaffung der Selbstanzeige wäre mit erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Unwäg barkeiten verbunden.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das sieht ja so aus, als wäre die Frage vorher bekannt gewesen! Die Frage und die Antwort sind in diesem Fall wohl gemeinsam vorbereitet worden!)

Steuerhinterzieher müssten sich künftig weder im Steuerstraf verfahren noch im Besteuerungsverfahren selbst belasten.

(Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Ist abgesprochen!)

Das hätte eine extreme Schwierigkeit mit sich gebracht. Des halb wären wir dafür, die Selbstanzeige grundsätzlich beizu behalten, aber durchaus zu überlegen, ob wir Elemente der Selbstanzeige noch etwas verschärfen könnten, um einen noch größeren Beitrag der Steuersünder einzufordern. Ich glaube, das wäre zu überlegen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Selbstverständlich wäre es wesent lich leichter, wenn die beiden Zeiträume, was das Besteue rungsverfahren und das Strafverfahren angeht, gleich lang wä ren. Beim einen Verfahren sind es fünf Jahre und beim ande ren zehn Jahre. Das führt in der Praxis zu einem hohen Auf wand in den Steuerbehörden, was das Erfassen der nicht ge zahlten Steuern auf die Kapitalerträge im Zeitraum von vor zehn bis vor fünf Jahren angeht. Für diesen Zeitraum müssen eben die reuigen Steuersünder, die sich selbst angezeigt ha ben, keine Angaben machen, weil das Ganze strafrechtlich verjährt ist. Daher wäre ein Angleichen der Zeiträume in un serem Sinn.

Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin sieht da zu eine kleine Verbesserung – aber noch keine Angleichung – vor, die wir als Schritt in die richtige Richtung werten.

Eine weitere Frage, Herr Abg. Zimmermann von der CDU-Fraktion.

Herr Staatssekretär, ist Ih nen bekannt, dass seitens der Strafverfolgungsbehörden des Landes Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, wenn Sie ei ne „Steuer-CD“ ankaufen? Dafür – das haben wir gehört – ge ben Sie viel Geld aus.

Betreffend den Verkäufer liegt eine Straftat vor. Kann sich ein Verkäufer im Land Baden-Württemberg sicher sein, dass er

das Geld, das er von Ihnen erhält, behalten darf, dass es „le gales Geld“ ist? Oder wird auch ein Verfahren gegen ihn ein geleitet?

Das ist eine juristische und keine steuerrechtliche Frage. Die Frage kann nicht ich, sondern bes tenfalls der Justizminister oder der Innenminister beantwor ten.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Klaus Herrmann CDU: Dann fragen wir ihn! – Gegenruf des Abg. Klaus Maier SPD: Versteuert wird es auf jeden Fall!)

Für uns, für die Steuerverwaltung, ist wichtig, dass wir die Daten verwerten dürfen. Das Gericht hat dies jetzt bestätigt. Das ist für unser Ministerium als oberste Finanzbehörde des Landes und für unsere Steuerverwaltung – das muss ich ganz ehrlich sagen – eine Bestätigung unserer bisher gefahrenen Linie.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich habe eine Nach frage!)

Ja, bitte.

Herr Staatssekretär, ist Ih nen bekannt, ob seitens Ihres Hauses die Namen der Verkäu fer an das Justizministerium oder die Staatsanwaltschaft wei tergegeben werden?