Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Wir bekommen jetzt gemeinsam mehr direkte Demokratie hin. Hinsichtlich der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bau en Sie hier einen Popanz auf. Dieser entzieht sich eigentlich einer realen Beschäftigung damit, weil es abstrakte, absurde Vorwürfe sind. Es gibt genügend Beispiele – Landesjagdge setz, Nationalpark, aber auch das Landespersonalvertretungs gesetz oder die ganzen Schulreformen sowie die erweiterten Möglichkeiten –, anhand derer wir belegen können, dass das Miteinander der Koalition, der Regierung, der Bürgerinnen und Bürger sowie der Betroffenen auf Augenhöhe ein Leit maßstab ist. Das ist eine Haltung. Es bedarf natürlich auch formaler Prozesse, wenn es um Planerisches geht, weil da auch Gesetze eine Rolle spielen. Aber insbesondere ist es ei ne Haltung, dass auf Augenhöhe verhandelt wird, dass nie mand Herr und niemand Knecht ist. Das ist die Politik der Ko alition, und die bewährt sich.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Niemand klopft sich so gut auf die ei genen Schultern wie Sie!)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen!

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sprechen Sie auch vom Tannenstachelbart?)

Wir widmen uns am heutigen Tag der Themenstellung „Di rekte Demokratie und Bürgerbeteiligung“. Zunächst einmal: Meiner Fraktion ist es wichtig, dieses Thema immer wieder voranzutreiben. Wir haben in den zurückliegenden Jahren im mer wieder großen Wert auf dieses Thema gelegt und auch ei ne Reihe von Gesetzentwürfen eingebracht, die die Bürgerbe teiligung und die direkte Demokratie in Baden-Württemberg vorangebracht hätten, wenn sie nicht von Ihnen abgelehnt worden wären – wie beispielsweise der Gesetzentwurf zu den Jugendgemeinderäten oder der Gesetzentwurf zur Direktwahl der Landräte. Dazu haben Sie nämlich in Ihrem Koalitions vertrag nur Ankündigungen gemacht, aber umsetzen wollen Sie sie offensichtlich nicht.

Es ist richtig, Herr Ministerpräsident – da stimmen wir durch aus überein –, dass es notwendig ist, zum einen Bürgerbetei

ligung, also direkte Demokratie, und zum anderen die über Jahrzehnte bewährte repräsentative Demokratie in ein ver nünftiges, in ein fruchtbares Verhältnis zu bringen.

Sie sagen in Ihrer Regierungserklärung, man dürfe nicht zwi schen dem „guten“ einfachen Bürger auf der einen Seite und dem „bösen“ Berufspolitiker auf der anderen Seite unterschei den. Da haben Sie in der Tat recht, und ich bin auch dankbar, dass Sie die zweite Version Ihrer Regierungserklärung um das ergänzt haben, was in der ersten Version nicht stand, nämlich dass es wichtig ist, auch die Kommunalpolitiker – die Tausen de von Kreisräten, Stadträten, Gemeinderäten, Ortschaftsrä ten – zu würdigen, die vor Ort ehrenamtlich Politik betreiben. Denen darf man nämlich nicht sagen: „Ihr dürft zwar Hunder te Stunden an Freizeit im Rathaus verbringen, aber letztend lich entscheiden andere.“ Es ist falsch, die repräsentative De mokratie nun gänzlich abzuschreiben, wenn man die direkte Demokratie voranbringen möchte.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das demokratische Ehrenamt ist wichtig, oder, um es mit ei ner Aussage des langjährigen Landesvorsitzenden der Freien Wähler, Heinz Kälberer, zu formulieren: Es darf eben am En de nicht so sein, dass diejenigen in der Kommunalpolitik ent scheiden, die bei der Kommunalwahl verloren haben.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklä rung hervorgehoben, was die vier Landtagsfraktionen jetzt so zusagen geleistet haben und wo die Regierung irgendwann nachziehen sollte. Bislang gibt es aber nur Eckpunkte. Es gibt noch keine Gesetzentwürfe. Aber diese Eckpunkte sind in der Tat ein guter Kompromiss, und wir, die Fraktion der FDP/ DVP, freuen uns sehr über das Erreichte, beispielswiese über die Volksinitiative auf Landesebene, sodass es künftig hof fentlich möglich sein wird, mit über 40 000 Unterschriften, die in zwölf Monaten gesammelt werden, den Landtag dazu zu zwingen, sich einer Sache anzunehmen. Wir freuen uns, dass das Eingangsquorum für Volksbegehren von einem Sechstel auf ein Zehntel abgesenkt und die freie Sammlung ermöglicht wird.

Vor allem freut es uns, dass das Zustimmungsquorum für Volksabstimmungen von einem Drittel auf ein Fünftel abge senkt wird. Wir haben das schon in unserem Wahlprogramm 2011 genau so gefordert. Das wurde auch im selben Jahr 2011 in den Landtag von Baden-Württemberg eingebracht, ist da mals allerdings an der Sperrminorität der CDU-Fraktion für Verfassungsänderungen gescheitert. Aber wir sind zuversicht lich, dass wir dies jetzt umsetzen. Es ist eine Position, die wir schon seit Langem vertreten.

Es ist auch gut, analog die Verbesserungen für Bürgerbegeh ren und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene umzuset zen. Nur, Herr Ministerpräsident, zu all dem erfolgte kein Bei trag Ihrer Regierung. Das ist jetzt offensichtlich nicht wegen Ihrer Regierung umgesetzt worden, sondern trotz der Landes regierung haben wir es geschafft, uns hier zu einigen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Peter Hauk CDU: Wo er recht hat, hat er recht! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unsinn!)

Deshalb ist es schon etwas eigenartig, wenn Sie sich hier hin stellen und die Erfolge Ihrer Regierung zum Thema „Direkte Demokratie“ feiern. Denn dort, wo die Landesregierung ein greift – ich meine beispielsweise Ihre Staatsrätin –, geht es dann schief; ich erwähne als Beispiel den Filderdialog. Das ist das Problem, meine Damen und Herren:

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie, die Landesregierung, haben in diesen drei Jahren im Grunde nichts zustande gebracht. Sie kündigen in Ihrer Re gierungserklärung an – ich darf das zitieren –:

Einen Referentenentwurf... auf der Basis der interfrakti onellen Vereinbarung werden wir Ihnen dazu in den kom menden Monaten zukommen lassen.

Herr Ministerpräsident, die Eckpunkte stehen schon seit Mo naten fest. Es war doch auch klar, in welche Richtung das geht. Aber Sie haben bisher nichts zustande gebracht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Grünen im Par lament!)

Trotzdem stellen Sie sich hier hin und feiern sich.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Er hat dem Landtag gedankt!)

Wir haben am heutigen Tag schon mehrfach das Jagdgesetz angesprochen. Sie haben sich die Jäger vorgenommen, um sie zu drangsalieren. Meine Damen und Herren, den Jägern wird gern unterstellt, dass sie es nach der Jagd mit der Anzahl der Abschüsse etwas übertreiben. Aber Sie, Herr Ministerpräsi dent, feiern sich für Abschüsse, noch bevor Sie das Jagdge wehr aus dem Schrank geholt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Welches Jagdgewehr? Diese Sprache überlassen wir Ihnen! – Abg. Helen Heberer SPD: Die FDP schießt wie im mer über das Ziel hinaus!)

Das ist das Problem an dieser Stelle.

Jetzt erklären Sie:

Daher ist meine heutige Regierungserklärung... ein Dank an die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Sie danken nicht den Bürgerinnen und Bürgern unseres Lan des, sondern Sie danken sich und Ihrer Regierung. Aber man fragt sich, wofür Sie sich und Ihrer Regierung danken. Sie ha ben nämlich nicht viel vorzuweisen.

Wir hätten uns gewünscht, dass Sie Ihre Regierungserklärung genutzt hätten, um die wirklich drängenden Fragen der Lan despolitik zu behandeln. Was ist denn jetzt, Herr Ministerprä sident, mit den 11 600 Lehrerstellen, deren Abbau Sie verkün det haben, hinsichtlich derer Ihr sozialdemokratischer Koali tionspartner aber ständig erklärt, die Zahl sei nicht in Stein gemeißelt? Werden diese Stellen jetzt abgebaut oder nicht? Was ist los mit Ihrer Regierung? Darauf hätten wir gern eine Antwort.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Oder: Was ist mit dem Länderfinanzausgleich? Dazu haben Sie gestern wieder eine Regierungspressekonferenz abgehal ten

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Jeden Dienstag gibt es die!)

und sinngemäß erklärt, demnächst werde verhandelt. Ja, das erklären Sie seit drei Jahren. Seit drei Jahren sagen Sie uns, Sie wollten den Länderfinanzausgleich auf dem Verhandlungs weg verändern,

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Kamingespräche!)

und wenn Sie nicht vorankämen, würden Sie auch eine Kla ge nicht ausschließen. Seit drei Jahren dieselbe Leier! Und was ist in diesen drei Jahren passiert?

(Zurufe von der CDU: Nichts!)

Was haben Sie erreicht? Nichts, aber auch gar nichts, Herr Mi nisterpräsident.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Nun zu anderen Themen. Dort drüben sitzen die Helden Ihrer Regierung. Der Verkehrsminister hat sich vorübergehend ver zogen,

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

aber es wäre auch einmal spannend, von Ihnen, Herr Minis terpräsident, zu hören, wie Sie die vielen Millionen beurtei len,

(Abg. Helen Heberer SPD: Bringen Sie mal was Neu es!)

die der Verkehrsminister – jetzt eilt er herbei – verschlampt hat und die dem Land Baden-Württemberg nicht zur Verfü gung stehen. Dazu haben Sie kürzlich im Festzelt erklärt, das sei dumm gelaufen. Herr Ministerpräsident, da erwarten wir etwas mehr von einem Regierungschef.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich komme zum Nächsten auf der Regierungsbank, zum Ener gieminister,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Zum Thema Bür gerbeteiligung haben Sie nichts mehr zu sagen, oder was?)

der 1 000 Windräder

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: 1 200!)

in Baden-Württemberg angekündigt und dann erklärt hat, 2011 sei das Jahr der Planung, 2012 das der Umsetzung. Dann hat er erklärt, 2012 sei das Jahr der Planung, 2013 das der Um setzung.