Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Das verkaufen Sie dann als einen gewaltigen Fortschritt im Bereich der Bürgerbeteiligung.

(Zuruf von der SPD: Jawohl! – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Placeboeffekt!)

Nein, meine Damen und Herren! Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann, haben selbst definiert, was Sie unter Ideologie verstehen, nämlich – ich darf es zitieren –

eine hermetische Abschottung von Anschauungen... und eine harte Durchsetzung dieser Anschauungen... von oben.

Nichts anderes machen Sie, beispielsweise beim Nationalpark. Dieser Vorwurf fällt auf Sie selbst zurück.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Dann geht es weiter mit den philosophischen Einsichten. Es wird erklärt – offensichtlich meinen Sie damit die Bürger im Schwarzwald; ich zitiere –:

Nicht nur wir haben, sondern auch die Bürgerschaft hat eine Bringschuld. Diese Bringschuld besteht darin, zivi lisiert für die eigene Sache zu argumentieren.

Diesen Satz, Herr Ministerpräsident,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Hätten wir gern im Schlossgarten gehört!)

hätten wir uns von Ihnen einmal an die Adresse der Stuttgart21-Gegner gewünscht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Genau! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Oder an die Grüne Ju gend!)

Fazit beim Thema „Bürgerbeteiligung und direkte Demokra tie bei dieser Landesregierung“: Da, wo die Probe aufs Exem pel gemacht wird, geht die Sache schief. Nationalpark: in die Hose gegangen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Da ist gar nichts schiefgegangen!)

Filderdialog: in die Hose gegangen. Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie: Das macht der Landtag, nicht die Regie rung. Das Einzige, was Ihre Regierung hinbekommt, ist der erwähnte staubtrockene Planungsleitfaden.

Abschließendes Fazit, meine Damen und Herren: Wer bei der Vorlage eines Planungsleitfadens eine Regierungserklärung hält, der muss politisch verdammt wenig zu bieten haben. Ge nau das ist das Problem Ihrer Landesregierung nach drei Jah ren Regierungszeit, und deshalb werden Sie in zwei Jahren auch wieder abgewählt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsrätin Erler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt wird es dy namisch!)

Ja, jetzt wird es ganz dynamisch. – Ich möchte auch etwas zu unserem „staubtrockenen“ Leitfaden

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Planungs leitfaden! – Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt kom men zitierfähige Sätze!)

Planungsleitfaden – sagen. Ich weiß nicht, ob Sie mitverfol gen, dass im Moment gemeinsam mit der Wirtschaft große Diskurse und Entwicklungen rund um die Fragen – da geht es natürlich nicht um den Planungsleitfaden – stattfinden: Wie geht Bauen, und wie geht die Realisierung von Infrastruktur projekten und auch von Industrieprojekten in einem stark be siedelten Bundesland in Deutschland überhaupt weiter? Wie ist das möglich, und zwar nicht nur bei uns in Baden-Würt temberg, sondern in ganz Deutschland? Sie wissen, dass wir viele Projekte haben – nicht nur bei uns, sondern in der gan zen Republik –, die sehr umkämpft sind. Sie wissen, dass es beim Thema Trassen außerordentlich schwierig ist, und Sie wissen auch, dass ein Ministerpräsident, nämlich der bayeri sche Ministerpräsident, gewissermaßen das Gemeinwohl und die Bindung an Gesetze außer Kraft gesetzt hat, weil er mit dem Bürgerwiderstand vor Ort nicht zurechtkommt

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Was?)

und weil er sich deshalb entlang der Trasse bei den Kommu nalwahlen auch einen Stimmenzuwachs verschafft hat, indem er das Bundesrecht in diesem Zusammenhang ignoriert und indem er Versprechungen macht, an die er sich nach Recht und Gesetz eigentlich nicht halten kann.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Aha!)

Was heißt das? Das heißt, dass wir dringend – – Das sagt auch die Wirtschaft. Wir haben morgen gemeinsam mit der Wirt schaft einen großen Kongress in der Stuttgarter Reithalle, bei dem der VDI seinen eigenen Leitfaden zur Verwirklichung von großen Bauprojekten vorstellt. Dieser Leitfaden – das mag Ihnen als kleiner Schritt erscheinen – ist für die Verwirk lichung von zukünftigen Projekten im Land wichtig. Er ist Schritt für Schritt ganz eng mit uns abgestimmt.

Das Neue – von Ihnen war des Öfteren zu hören: das ist gar nichts Neues; das haben wir alles schon gemacht – – Nein, meine Damen und Herren, das stimmt nicht. Neu ist, dass – das geschieht auch auf Forderungen der Wirtschaft hin – in Zukunft ganz früh, bevor gezeichnet und geplant wird, bereits im Rahmen der Raumordnung die Bürger einbezogen werden. Neu ist auch, dass es dabei Suchverfahren gibt;

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

man nennt das eine Umfeldanalyse. Das macht auch die Wirt schaft so; das machen Leute, die etwas von Beteiligungsver fahren verstehen. Dazu gehört als ein Element übrigens auch die von Ihnen oft belächelte Methode, „Zufallsbürger“ auszu wählen. Ja, es kommen nicht alle; das stimmt. Aber es ist nicht peinlich, „Zufallsbürger“ zu suchen; das ist ein etabliertes Ver fahren, das in vielen Ländern praktiziert wird und das Ihnen anscheinend nicht bekannt ist. – Aber gut.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Wer hat denn etwas da gegen?)

Es geht also darum, dass wir – egal, wer regiert – notwendi ge Entwicklungsprojekte durchsetzen können.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Dazu gibt es einen Verwaltungsleitfaden. Das klingt nach et was Kleinem; es ist aber für die Bewältigung großer Aufga ben in diesem Land wichtig.

Es ist nun tatsächlich der Fall – Sie werden es nicht glauben –, dass andere Landesregierungen sehr auf uns schauen und das Thema sehr begrüßen; Wirtschaftsvertreter aus ganz Deutschland kommen nach Baden-Württemberg, nach Stutt gart, um sich das anzuschauen, und verkünden, dass sie bei diesem Punkt an unserer Seite stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Glocke der Präsidentin)

Nun reden Sie das klein. Das ist auch Ihr gutes Recht. Ich per sönlich glaube aber, dass das ein wichtiges Element ist.

Ganz wichtig ist dabei jedoch Folgendes – das geht in der De batte immer wieder unter, und ich möchte Sie bitten, an die sem Punkt doch mitzuhelfen –: Bei Planfeststellungsverfah ren können Bürger nicht abstimmen. Sie sollten dabei mithel fen, dies politisch zu klären, und nicht immer dann, wenn Sie in einer anderen Situation sind, darauf herumreiten, dass es bei einem Planfeststellungsverfahren keine Möglichkeit gibt, Mehrheitsentscheidungen herbeizuführen. Das ist verfas sungsrechtlich nicht möglich.

Die Bürger werden eingebunden. Es ist ja geradezu lachhaft, davon auszugehen, dass unsere Regierungspräsidien bei die

sen Hunderten von Verfahren, die jetzt anstehen, die sie mit neuen Methoden betreiben – –

(Abg. Peter Hauk CDU: Die es noch nie gab! Die es noch gar nie gab!)

Jawohl, es gab diese Form der informellen Bürgerbeteili gung nicht. Sie wird zusätzlich eingeführt. Es hat sie auch in der frühen Phase bisher nicht gegeben. Sie wird in Zukunft auch nachlaufend stattfinden.

Schauen Sie einmal, was in Stuttgart los ist, wo die Bahn die sogenannte nachlaufende Beteiligung zu ihrem eigenen Bau projekt nicht durchführt und keine Transparenz herstellt. Dann schauen Sie einmal im Vergleich dazu, wie die ÖBB beim Westbahnhof in Wien eine nachlaufende Bürgerbeteiligung in der Realisierungsphase durchführen. So etwas brauchen wir hier dringend von den Bauträgern, aber so etwas tun sie bis her nicht. Deswegen setzen wir das um.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU – Glocke der Präsidentin)

Frau Staatsrätin, gestat ten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Gurr-Hirsch?

Ja, natürlich.

Frau Staatsrätin, leider ist Ihr Vortrag mittlerweile über den Gegenstand meiner Fra ge hinweggegangen. Ich möchte die Frage trotzdem noch stel len. Sie waren so beredt.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Immer!)

Sie haben uns informiert, dass morgen ein Austausch mit dem VDI zu dem Thema „Geht noch etwas in einem dicht besie delten Raum?“ in der Reithalle in Stuttgart stattfindet. Wann findet diese Veranstaltung statt? Mich würde sie als Abgeord nete interessieren.

Die Veranstaltung wird vom VDI durchgeführt, und der Ministerpräsident ist dort Redner.

(Abg. Peter Hauk CDU: Während der Plenarsitzung!)