Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Was gut ist, was sich in der Praxis bewährt hat, was alle für richtig erachten, das sollte man nicht unnötig än dern und ideologisieren. Das geltende Jagdgesetz deckt die Erfordernisse im Hinblick auf den Tierschutz und den Natur schutz sowie die Vorgaben des Grundgesetzes ab.

Deshalb muss man sich zunächst einmal die Frage stellen, wa rum nicht eine Fortschreibung, sondern eine solche Umschrei bung des Jagdrechts erfolgt, die – jedenfalls nach meinem Ein druck von der Novelle – bevormundet, entrechtet, gängelt und zu Entwicklungen führt, die für die Praxis nicht gut sein kön nen und auch völlig an der Praxis vorbeigehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Gleich vorweg: Ich werde Zwischenfragen gern am Ende be antworten.

Die Aktuelle Debatte könnte nicht aktueller sein, denn in 27 Sitzungen des Koordinierungskreises – ich glaube, jetzt läuft gerade die 28. Sitzung – wurden keine brauchbaren Ergebnis se erzielt. Die Ergebnisse, die man dort gemeinsam hat erzie len können, hätte man ohne Gesetzesänderung auch hinbe kommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Herr Minister, Sie haben den Referentenentwurf häufig ange kündigt, und immer wieder ist er dann doch nicht gekommen. Nachdem nun alle den Entwurf haben, haben Sie ihn nun vor gestern freigegeben. Es ist meines Erachtens nicht der Poli tikstil, den man in diesem Haus praktizieren sollte, dass man

sich aus der Zeitung und aus hinteren Kanälen informieren muss.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Herr Minister, Sie haben selbst lange einem Parlament ange hört. Ich glaube, Sie würden sich richtig ärgern, wenn ein Mi nister in Berlin so mit Ihnen umgegangen wäre.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Meine Damen und Herren, nachdem nun eigentlich jedem der Entwurf vorliegt, können wir hier ansprechen, was dieser ei gentlich beinhaltet. Er wird nämlich die Beteiligten spalten. Der Entwurf ist – das muss man sich einmal vorstellen – ideo logiebehaftet, in weiten Teilen nicht praktikabel und vor al lem eigentumsfeindlich.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Hast du etwas an deres erwartet?)

Bevor ich zu einzelnen Punkten und zum Grundsätzlichen komme, möchte ich an dieser Stelle den 40 000 Hegern und Pflegern, also den Jägerinnen und Jägern in Baden-Württem berg, für den aktiven Tierschutz und die Landschaftspflege als staatlich anerkannte, geprüfte und praktizierende Naturschüt zer ganz herzlich danken.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Sie haben es nicht verdient, ideologiegeprägte Gesetze, die bis hin zur Entmündigung und Bevormundung reichen, jetzt einhalten zu müssen. Diese Jäger schwätzen nicht, sie schrei ben keine Leserbriefe, sie theoretisieren oder ideologisieren keine grünen Extremmeinungen, sondern sie betreiben prak tischen Naturschutz.

(Zurufe von den Grünen)

Sie sind 365 Tage im Jahr unterwegs, sie legen Biotope an, räumen verunfallte Tiere auf, damit keine Unfälle passieren. Sie ersparen uns damit Kosten, meine Damen und Herren. Auch dafür ein großes Dankeschön.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Auch das möchte ich am Anfang feststellen: Wir leben in Ba den-Württemberg nicht im Urwald, sondern in einem dicht besiedelten, hoch entwickelten Industrie-, Dienstleistungs- und Forschungsland mit knapp elf Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Es gilt also: Leben und leben lassen. Wir sind gefordert, Natur und Umwelt im Kompromiss zu organisie ren und die Kulturlandschaft – nicht die Urlandschaft – durch Nützen und Schützen zu erhalten.

Bei der beabsichtigten Novellierung des Jagdgesetzes muss klar sein – darauf lege ich großen Wert –, dass das Jagdrecht und das Jagdausübungsrecht Bestandteil des grundgesetzlich geschützten Eigentumsrechts nach Artikel 14 des Grundge setzes sind. Ich weiß, das passt einigen von Ihnen, die ein ge störtes Verhältnis zum Eigentum haben, nicht.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Was für eine be scheuerte Unterstellung! – Zuruf von den Grünen: Na, na, na!)

Den Rechtsinhabern, also den Grundeigentümern und den Jagdausübungsberechtigten, steht ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe zu. Einschränkungen dieser Rech te sind nur im Rahmen der von der Verfassung vorgegebenen Schranken zulässig. Das gilt sowohl für das Verbot bestimm ter Jagdarten als auch für die Ausbildung der Jagdhunde oder die Änderung der Jagdzeiten. Keinesfalls darf ein Fachrecht ideologisch das Grundgesetz aushöhlen.

Aber genau das haben Sie vor, meine Damen und Herren, ganz so, wie es der zuständige Abteilungsleiter der rot-grünen Re gierung in Nordrhein-Westfalen ehrlicherweise gesagt hat. Ich zitiere: „Die Jagd müssen wir uninteressant machen, damit die Jäger die Lust verlieren.“ Meine Damen und Herren, auf die sem Weg sind Sie sehr gut unterwegs.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. An drea Lindlohr GRÜNE: Was hat das mit uns zu tun? Wo sind wir eigentlich? Wir sind hier in Stuttgart! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Haben Sie keinen bes seren Zeugen?)

Anstatt das bewährte Landesjagdgesetz, das praktikabel ist, das auch den Ansprüchen des Natur- und des Tierschutzes ent spricht, fortzuschreiben, versuchen Sie nun, das Jagdrecht voll unter das Naturschutzrecht zu stellen und in vielen Bereichen fernab von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ideologi sche Ansätze dem Sachverstand vorzuziehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Statt auf Eigenverantwortlichkeit setzen Sie auf Bevormun dung. Der Entwurf ist für mich ein Schlag ins Gesicht aller verantwortlichen und engagierten Jägerinnen und Jäger, die zukünftig nicht nur in ihren Eigentumsrechten in nicht ver tretbarem Umfang eingeschränkt werden – nein, Sie bevor munden und gängeln sie auch noch.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bra vo! – Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Die beabsichtigte Einführung eines staatlichen Wildtiermana gers in jedem Stadt- und Landkreis kostet nicht nur viel Geld und Personalstellen. Dieser von Ihnen verordnete „Bevormun der“ und „Kontrolleur“ macht vielmehr die Jägerinnen und Jäger zu Mündeln und wird das ehrenamtliche Engagement vergällen.

Es ist zu befürchten, dass sich immer weniger dazu bereitfin den, bei hohen Kosten und bei immer mehr Bürokratie und Berichtspflichten, die Sie auch vorschreiben – also auch hier wieder Gängelung und Entmündigung –, Hege und Pflege zu betreiben oder überhaupt noch eine Jagd auszuüben.

Nicht nur die Jäger, sondern auch die Bauern halten nichts von Ihrem Gesetzentwurf. Ich zitiere den Vizepräsidenten des Bau ernverbands, Klaus Mugele, der sagte: „Die Novellierung des Gesetzes ist unnötig wie ein Kropf.“ Weiter sagte er: „In Stutt gart finden nur noch die Naturschützer Gehör.“

Umbruchverbot, Randstreifen, Juchtenkäfer vor dem Men schen, das ist Ihre Linie, und die ist falsch.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Meine Damen und Herren, nicht die Eigenverantwortung und der mündige Bürger haben bei Ihnen einen hohen Stellenwert und sind gefragt, sondern ideologische Verbotskultur und zahl reiche bürokratische Auflagen.

(Zurufe von den Grünen, u. a.: Mein Gott!)

Ohne auf die einzelnen Punkte an dieser Stelle noch näher ein zugehen, möchte ich ein paar Beispiele nennen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD zu Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Herr Rülke, warum fragen Sie ihn nicht nach der freien Rede?)

In § 41 – Jagd- und Schonzeiten – ist vorgesehen, dass zwei Monate – die Naturschutzverbände wollten mehr – Jagdruhe herrschen soll, und das bei dem Problem der Schwarzkittel bzw. der Schweineseuche vor der Tür.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nichts gegen die CDU! Schwarzkittel! – Gegenruf des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: So gehen wir mit dem Rotwild um! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Schmiedel sagt so schön, der Entwurf sei jägerfreund lich – die Jäger lachen sich doch halb tot –, weil er die Rolle der Jäger aufwerte. Ich frage Sie ernsthaft: Was macht denn der Jäger im Februar, März, April? Er geht durch den Wald

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Schürzenjäger!)

und erklärt den Wildschweinen, dass sie in die freie Natur müssten, damit man sie abschießen kann. Meine Damen und Herren, das, was Sie hier vorhaben, ist doch fern aller Praxis und einfach weltfremd.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Die Schwarzkittel sind nämlich in dieser Zeit in Deckung im Wald. Sobald sie geschossen werden dürften, können sie sich bis Weihnachten im Raps, im Mais und im Weizen verstecken.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Deshalb werden Sie das Problem nicht in den Griff bekom men.

(Glocke des Präsidenten)

Kollege Dr. Bullinger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmiedel?

Am Anfang habe ich – wie der Kollege auch gehört hat – gesagt, dass ich am Ende meiner Rede gern Fragen zulasse. Da hat er wohl nicht aufgepasst.

Weitere Beispiele sind das Verbot der Jagd auf Jungfüchse oder das Fütterungsverbot oder die Informationspflicht und die Diskussion über wildernde Haustiere, für deren Abschuss man im Einzelfall jetzt Genehmigungen einholen muss. Mei ne Damen und Herren, wer schon einmal die Schreie eines Rehes, einer Ricke, gehört hat, wenn ein wildernder Hund Fleischbrocken aus dem Körper herausreißt, der weiß, dass diese vorgesehene Regelung in der Praxis Schwachsinn ist.