Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Weitere Beispiele sind das Verbot der Jagd auf Jungfüchse oder das Fütterungsverbot oder die Informationspflicht und die Diskussion über wildernde Haustiere, für deren Abschuss man im Einzelfall jetzt Genehmigungen einholen muss. Mei ne Damen und Herren, wer schon einmal die Schreie eines Rehes, einer Ricke, gehört hat, wenn ein wildernder Hund Fleischbrocken aus dem Körper herausreißt, der weiß, dass diese vorgesehene Regelung in der Praxis Schwachsinn ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wo sind denn eigentlich die Ruhezeiten und die Einschrän kungen für Mountainbiker, Reiter, Jogger, die die Natur Tag und Nacht in Unruhe bringen? Selbst ein Wegegebot zur Nacht zeit für Waldbesucher, wie dies im Hessischen Waldgesetz enthalten ist, finde ich nicht.

Noch ein Wort zur Wildschadensregelung: Diese ist weder sach- noch fachgerecht. Dafür gebe ich Ihnen ein Beispiel aus der Praxis: So hat – wie in einem Zeitungsartikel sehr schön dargestellt ist – der Nachbar vom Ministerialdirektor einen Hof mit einer ordentlichen Fruchtfolge – 20 % Mais für sei ne Milchkühe. Sein Maisbestand wird nun von Wildschwei nen zerstört. Nun soll er 20 % des Schadens selbst bezahlen, obwohl er nichts dafür kann. Was ist denn das für eine Scha densregelung? Das versteht nun wirklich keiner mehr. Es kann ja wohl nicht sein, meine Damen und Herren, dass dies so pra xisfern angegangen wird.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Meine Damen und Herren, ich fordere, dass Sie vor allem in der Beratung, auch im Ausschuss, mit einer öffentlichen An hörung, den einen oder anderen Unsinn, der jetzt im Entwurf steht, noch beseitigen.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Besser wäre – ich freue mich, Herr Ministerpräsident, dass Sie zum Landesjägertag gehen; das schätze ich auch –,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

wenn Sie diesen für die Praxis unbrauchbaren Entwurf vor Einbringung in diesem Haus dem Minister zurückgeben und ihm vielleicht den Hinweis geben, er möge das Papier, auf dem der Entwurf formuliert ist – diese dicke Schwarte –, ther misch oder stofflich verwerten, auf gut Deutsch: in den Pa pierkorb werfen.

Wir werden auf alle Fälle ein solches Gesetz, das durch die Hintertür auf gewisse Art die Feudalherrschaft wieder ein führt, ablehnen. Wir lehnen dieses ideologisch orientierte und für die Praxis untaugliche Gesetz ab, weil es für den ländli chen Raum insgesamt schädlich ist, weil es Eigeninitiative und Ehrenamt bestraft, weil es bevormundet und gängelt, weil es die Eigentumsrechte mit den Füßen tritt und weil wir über zeugt sind, dass dieses Gesetz im Hinblick auf Artikel 14 des Grundgesetzes verfassungswidrig ist.

Wer diesem Gesetz in der jetzigen Entwurfsfassung zustimmt, meine Damen und Herren, muss ein ökologisches Brett vor dem Kopf haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Staatsse kretär Ingo Rust: Hervorragende freie Rede! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE meldet sich. – Glo cke des Präsidenten)

Es sind keine Nachfragen mehr zu lässig. Der Kollege hat die Redezeit bereits überschritten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Oh, tut mir leid! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Immer derselbe Trick!)

Für die CDU-Fraktion spricht Kollege Reuther.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jetzt kommt das Glanzstück!)

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den feinnervigen Ausführungen des Kollegen Bullinger zum Auf takt über die Schmerzensschreie einer gerissenen Ricke – –

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Sie sollten noch nicht klatschen;

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das geht von Ihrer Redezeit ab!)

denn diese Schmerzensschreie werden Sie demnächst aus dem Ministerium vernehmen, wenn die Jagdverbände und die Bau ern denen an die Weste gehen. Das kann ich Ihnen sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Was war das? War das ein Gewaltaufruf?)

Das Beteiligungsverfahren wurde angesprochen.

(Unruhe)

Hier muss ich dem Kollegen Bullinger völlig beipflichten. Es ist ein schlechter Stil, wenn man so mit den betroffenen Ver bänden, die in zähen 27 Sitzungen beteiligt waren, umspringt.

(Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Dass sie es am Schluss an Fastnacht aus der Presse erfahren müssen – ich kann mich nicht daran erinnern, dass die „Süd west Presse“ an einem dieser 27 runden Tische dabei war –, das ist wirklich ein Hohn.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zu ruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Dann wundert man sich, dass sich diese Verbände überhaupt nicht mitgetragen und nicht wiedergegeben fühlen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Politik des Ge hörtwerdens!)

Ich wundere mich nicht darüber. Die Jäger behaupten, es wä re eine zweimonatige Jagdruhe vereinbart. Das haben wir doch nie vereinbart. Der Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer fühlt sich überhaupt nicht mitgetragen. Die Bauernverbände fühlen sich hinsichtlich der Absicht, die Landwirte für die Regulierung von Wildschäden bei Maiskul turen mit 20 % heranzuziehen, nicht mitgetragen. Selbst der Verband „Menschen für Tierrechte“, Tierversuchsgegner Ba den-Württemberg e. V., kritisiert diesen Gesetzentwurf als für den Naturschutz völlig unzureichend. Herr Minister, ich muss

hier feststellen, dass es Ihnen wohl gelungen ist, so ziemlich alle beteiligten Verbände vor den Kopf zu stoßen – ausgenom men vielleicht die Raumpflegerinnen, die an diesem Tag zu gegen waren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. An drea Lindlohr GRÜNE: 5 € in die Chauvi-Kasse! – Glocke des Präsidenten)

Dann wundern wir uns doch nicht mehr länger darüber, wenn wir feststellen, dass die Vertreter heute wieder zusammenkom men. Sie kommen jetzt gerade zu dieser Zeit zusammen; das letzte Mal waren sie im Oktober letzten Jahres zusammenge kommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Gestern kam das Protokoll über die letzte Sitzung.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wahnsinn! So schaffen die!)

Fünf Monate später! Deshalb gibt es auch hier verschiedene, voneinander abweichende Auslegungen in wichtigen Punk ten. Nach fünf Monaten! Ich kann mich erinnern, dass nur die Hitler-Tagebücher damals länger verschollen waren.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Oh, noi! – Unruhe)

Die waren übrigens gefälscht. Hier fühlen sich die betroffe nen Verbände, wie gesagt, auf jeden Fall nicht mitgenommen. Sie fühlen sich – das haben sie nochmals ausdrücklich betont – von Ihnen vorgeführt und hintergangen – fürwahr ein gelun genes Beispiel für echte Bürgerbeteiligung; herzlichen Glück wunsch.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich möchte – deshalb bin ich auch so scharf im Ton – noch einmal auf die Rolle der Opposition, vornehmlich der CDU, im Prozess der Entwicklung dieses Gesetzentwurfs hinwei sen. Wir waren nämlich komplett ruhig.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Dafür können wir doch nichts! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Ihr wart ja auch gar nicht beteiligt!)

Es war klar abgesprochen, dass wir diese konstruktiven Ge spräche nicht stören wollen. Wir haben uns das erste Mal zu Wort gemeldet, als der Entwurf für das Gesetz über gewisse Kanäle an die Öffentlichkeit gelangt ist, nämlich in einer Lan despressekonferenz.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: „Gelangt ist“!)

Da waren wir dann doch etwas verwundert über die sehr deut lichen Ausführungen des Ministers. Denn wie hatte er uns doch bezeichnet? Er sagte, wir seien die „Krach-Fundi-Trup pe“ in der Opposition,

(Beifall der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

wir würden mit unseren Vorstellungen noch im letzten Jahr hundert hängen, in der Zeit von Gerhard Weiser.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wie geht man mit ihm um?)