Aber auch das dritte Element, das Begeistern, hat für mich ei ne herausragende Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die emotionale Begeisterung, die mit Sport verbunden sein kann. Wir wissen heute, insbesondere auch aufgrund von For schungsergebnissen in den Neurowissenschaften, dass Sport und Bewegung gerade für Kinder und Heranwachsende ganz wichtige Faktoren für die Entwicklung der geistigen Leis tungsfähigkeit darstellen. Es muss daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, in unser aller Interesse liegen, Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die Möglichkeit zu bieten, möglichst früh mit Angeboten für Sport und Bewegung in Kontakt zu kommen, um auch diese Ent wicklungsfaktoren einzubeziehen.
Hier zeigt sich die Verbindung zur Schule: In einem guten Ganztagsschulkonzept müssen auch die Chancen und Mög lichkeiten des Sports so integriert werden, dass sie für die Schülerinnen und Schüler erlebbar sind und dass die damit verbundenen Potenziale für unsere Gesellschaft nutzbar ge macht werden.
Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass ein be trächtlicher Teil der Kinder bei uns gerade in diesem Bereich Defizite hat. So wissen wir aus entsprechenden Erhebungen, dass sich derzeit nur 30 % der Kinder mindestens eine Stun
de lang am Tag bewegen. Es ist klar, dass hierin auch eine Ur sache dafür liegt, dass sich die Gesellschaft in gesundheitli cher Hinsicht zum Negativen verändert. Deswegen müssen wir alle daran interessiert sein, hier zu Verbesserungen zu ge langen und die bestehenden Chancen zu nutzen, und zwar auch unter sich ändernden gesellschaftlichen Rahmenbedin gungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen es alle: Unsere Gesellschaft verändert sich sehr schnell. Diese Verän derungsprozesse betreffen auch die Schulen und die gesamte Bildungslandschaft. Heutzutage wünschen sich über 70 % der Eltern Ganztagsangebote für ihre Kinder. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als darüber nachzudenken, wie wir die se wichtigen Elemente, nämlich gute Bildung wie auch Sport und Bewegung, zueinanderführen. Die Ganztagsschule ist da bei aus meiner Sicht eine Einrichtung, die eine hervorragen de Ebene dafür bietet, genau dies zu gewährleisten.
Deswegen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, freut es mich ganz besonders, dass es uns gelungen ist, mit dem Lan dessportverband als Vertretung aller dieser über 11 400 Sport vereine im Land eine solche Rahmenvereinbarung auszuhan deln und diese Vereinbarung als Grundlage dafür zu verwen den, nun landesweit in den Städten und Gemeinden mit ihrer ganz unterschiedlichen Struktur die vor Ort jeweils passge nauen Lösungen zu finden. Das ist, meine ich, die richtige Po litik. Wir brauchen einen Rahmen, der dann vor Ort mit den geeigneten Lösungen ausgefüllt werden kann.
Frau Kollegin Schmid, ich glaube, Ihre eben geäußerten Be sorgnisse sind ganz fehl am Platz. Bei uns gibt es schon heu te ganz hervorragende Kooperationen, bei denen Sportverei ne und teilweise auch Vertreter von Verbänden in die Schulen gehen. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass wir schon im Grundschulalter – der Ganztagsschulausbau wird sich ja nun verstärkt auch im Grundschulbereich auswirken – eine zu star ke Spezialisierung auf einzelne Sportarten beobachten müss ten. Wir hören gerade auch vonseiten der Turnerbünde, wie wichtig es ist, bereits in dieser frühen Phase der kindlichen Entwicklung die motorischen Grundlagen zu legen. Es wird also nicht darum gehen, in dieser Phase bereits einzelne Sport arten in hoher Spezialisierung zu trainieren, sondern vielmehr darum, dass in einer Art „Grundschule des Sports“ gemein sam die motorischen und bewegungstechnischen Grundlagen für alle weiteren Entwicklungsprozesse gelegt werden.
Mir ist dabei ganz wichtig, dass die Schulen vor Ort ausrei chende Handlungsmöglichkeiten haben, um jeweils ein pass genaues Konzept zurechtzuschneidern. Da dürfen wir keine zu strikten Vorgaben machen. Denn eines ist auch klar: Für den Schulleiter, für die Schulleiterin ist es von großer Bedeu tung, dass in diesem pädagogischen Konzept der Ganztags schule auch eine hohe pädagogische Qualität gewährleistet wird. Dies ist im Sport gewährleistet; wir haben in der Rah menvereinbarung auch festgelegt, dass auch die Sportvereine für ein solches Qualifikationsniveau sorgen und deren Übungs leiter über die nötigen Qualifizierungen verfügen müssen. Denn die Eltern erwarten von uns schulische Qualität in der Ganztagsschule. Genau das wollen wir gemeinsam mit dem Sport erfüllen.
Aber dabei ist eben auch wichtig, dass aufseiten der Sportver eine – das habe ich bei den Verhandlungen ebenfalls vermit telt – realistische Erwartungen bestehen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn der Schulleiter bzw. die Schulleiterin die Mög lichkeit hat, entweder Lehrerstunden in Anspruch zu nehmen oder aber durch Rückgriff auf die Monetarisierung bis zu 50 % dieser Stunden in Geld zu verwandeln und dies entsprechend einzusetzen, dann wird es dabei – ganz wesentlich – zum ei nen um Qualität, zum anderen und zentral aber auch um Ver lässlichkeit gehen. Es wird auch um die Frage gehen, wie hoch der Organisationsaufwand ist.
Deswegen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, müssen die se Angebote der Vereine auch konkurrenzfähig sein. Wenn die Kosten für diese Angebote über dem liegen, was für den Schulleiter oder die Schulleiterin eine Lehrerwochenstunde bedeutet, dann wird sich in der Abwägung möglicherweise et was zulasten des außerschulischen Angebots verschieben. Da her ist es mir ganz wichtig, dass wir dort nicht von außen har te Grenzen setzen, sondern dass wir dort von außen Rahmen bedingungen vorgeben, die aber vor Ort das richtige, auch das vielfältige Ganztagsangebot an den Schulen ermöglichen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ist es, glau be ich, vollkommen richtig, an dieser Stelle in der Rahmen vereinbarung und in den entsprechenden Ausführungshinwei sen eine gewisse Freiheit für die Ausgestaltung vor Ort zu las sen.
Frau Kollegin Schmid, Ihre Angst kann ich Ihnen vollkom men nehmen. Wenn Sie mich zitieren, dann auch bitte richtig.
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wenn es in der Zeitung so steht! – Zuruf der Abg. Viktoria Schmid CDU)
Ich wurde in der Pressekonferenz gefragt, wer denn dann z. B. diese Angebote an der Ganztagsschule machen soll. Darauf sagte ich, dass es natürlich bereits heute Vereine gibt, die mit hauptamtlichen Mitarbeitern arbeiten, und es da die Möglich keit gibt, auch für die Ganztagsschule entsprechende Ange bote passgenau zu machen.
Aber unter den neuen Rahmenbedingungen wird es auch die Möglichkeit geben, dass sich Vereine, die noch keine haupt amtlichen Mitarbeiter haben, jetzt mit dem Thema „Haupt amtliche Mitarbeiter“ beschäftigen oder sich sogar mehrere Vereine gemeinsam um das Thema „Hauptamtliche Mitarbei ter im Sport“ kümmern.
Ich habe eines in dieser Pressekonferenz ganz deutlich gesagt. Ich war vor zwei Wochen in einer Sitzung mit dem Sportkreis in meinem Landkreis, an der 30 Sportvereinsvorsitzende teil genommen haben. Da wurde auch die Frage gestellt: „Wer soll denn diese Rolle übernehmen?“ Da wurde von den Vereinen selbst gesagt: „Wir haben bei uns mehrere Übungsleiterinnen, die Kinder erziehen und Erziehungsurlaub haben.“ Dies wur de von den Sportvereinen geäußert. Für mich ist es eine Mög lichkeit, die genauso gut funktioniert, wenn Männer diese Auf gabe übernehmen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wird es jetzt gerade auch aufseiten des Sports darum gehen, diese neue
Chance zu erkennen und diese Chance, nämlich diese weit of fene Tür in Richtung des Ganztagsbereichs, der Ganztagsschu len, zu nutzen und dort die passenden Angebote unter den in der Rahmenvereinbarung festgelegten Ausgangsbedingungen zu schaffen.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, der Sport war und ist in Baden-Württemberg eine wichtige gesellschaftliche – ich sage auch: eine wichtige gesellschaftspolitische – Kraft. Des wegen war es mir ganz besonders wichtig, auch aufgrund der guten Organisationsstruktur im Sport, dass wir hier ein frühes Zeichen setzen.
Aber ich kann Sie auch beruhigen, Herr Kollege Kern, Frau Kollegin Schmid wie die anderen Kolleginnen und Kollegen des Hauses: Wir stehen bereits mit allen Partnern im außer schulischen Bereich in intensiven Verhandlungen. Wir haben auch bereits eine Vereinbarung ausgehandelt. Wir werden in den nächsten Wochen diese Vereinbarung mit allen anderen Trägern – mit den Trägern aus dem musisch-kulturellen Be reich, aus dem kirchlichen Bereich, aus dem Bereich der frei en Jugendarbeit – offiziell unterzeichnen, um allen die glei chen Startvoraussetzungen zu geben.
Für uns ist es wichtig, dass die Ganztagsschule in BadenWürttemberg zu einem Erfolg wird, und zwar nicht in einem Gegeneinander zu den Interessen der Gesellschaft, der Verei ne und Verbände, sondern zur besseren Weiterentwicklung von ganz vielen Vereinen und Verbänden, egal, ob aus dem Bereich des Sports, der Musik, der Kultur oder aus den Kir chen.
Wir alle wissen es: Die nachwachsende Generation wird zah lenmäßig immer geringer, die Zahl der Kinder und Jugendli chen wird nicht zunehmen, sondern geringer werden. Die Sportvereine genauso wie alle anderen Vereine stellen dies schon heute an der Entwicklung ihrer Mitgliederschaft fest. Deswegen bringt es nichts, zu lamentieren. Ich glaube, gera de die Sportvereine, aber auch die anderen Vereine haben es erkannt. Da bringt es nur etwas, wenn wir die Chance nutzen, jetzt dorthin zu gehen, wo die Kinder sind: in den vorschuli schen Einrichtungen, in den schulischen Einrichtungen. Denn dort werden die Grundlagen für ein langfristiges oder sogar lebenslanges gesellschaftliches Engagement dieser jungen Menschen gelegt.
Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen: Ich kritisiere nicht die Vereinbarung zwi schen der Landesregierung und dem Landessportverband, ganz und gar nicht. Aber es gibt einfach ein paar Punkte, die ich ansprechen wollte und jetzt auch noch einmal ansprechen möchte, die uns auf der Seele brennen und die im Gespräch vor Ort gerade auch mit den kleineren Vereinen an uns heran getragen werden.
Es ist vieles richtig, was Sie gesagt haben, und vieles davon können wir auch unterstützen. Trotzdem ist es einfach so, dass es gerade im ländlichen Raum Vereine gibt, die klein sind und
nur ehrenamtliche Strukturen haben und die es unglaublich schwerer haben werden als größere Vereine mit hauptamtli chen Strukturen, ihr Angebot an den Schulen sicherzustellen. Das ist einfach so, und das ist die Rückmeldung, die wir vor Ort in den Gesprächen mit kleinen Vereinen bekommen.
Sie wissen auch, dass ich im Sport relativ viel unterwegs bin und da auch viele Gespräche führe. Das Argument kann man nicht ganz von der Hand weisen, und ich glaube, die Sorge der kleinen Vereine muss man ernst nehmen.
Ein zweites Thema, das ich gern noch ansprechen möchte, ist das freiwillige soziale Jahr im Sport. Das soll ja auch mit da zu beitragen, dass man den Ganztagsbetrieb an den Schulen sicherstellen kann. Auch da bin ich der Meinung: sehr gute Idee. Ich finde es richtig gut, dass man versucht, junge Leute da in die Verantwortung zu nehmen. Aber es geht halt immer auch um die Frage der Qualität.
In den Ausführungen der Rahmenvereinbarung steht dazu ei ne etwas wachsweiche Formulierung: Die sollen Lizenzen ha ben. Sollen heißt nicht müssen. Ich möchte jetzt niemandem eine Qualifikation absprechen, der keine Lizenz hat, Jugend liche auszubilden. Trotzdem muss man auf die Qualität ach ten. Ich glaube, dass es für einen jungen Menschen wirklich eine Herausforderung ist, an einer Schule einen Unterricht mit 20 Jugendlichen und mit allen möglichen Herausforderungen sicherzustellen. Das ist keine Kritik an der Sache als solcher, sondern wirklich der Appell, auf die Qualität und auf pädago gisches Hintergrundwissen der jungen Menschen Wert zu le gen.
Ich möchte auch gern das aufgreifen, was Herr Dr. Kern vor hin gesagt hat. Es ist schön, dass Sie endlich begriffen haben, dass es wichtig ist, Ehrenamtliche an die Schulen zu holen. Das ist wirklich eine tolle Sache. Aber diese Forderung gibt es schon lange. Sie wird von der CDU schon lange formuliert, und von der FDP/DVP haben wir sie eben auch gehört.
Das kann man jetzt nicht ganz un erwidert lassen. Denn im ländlichen Raum gibt es auch die Sportkreise, die das ebenfalls organisieren. Auch ich führe vor Ort viele Gespräche auch mit den kleinen Vereinen. Wir kön nen natürlich die Probleme der kleinen Vereine nicht durch gängig lösen. Aber was wir jetzt haben, ist ein Angebot – ich habe übrigens die Rahmenvereinbarung in meinem Landkreis an alle Vereine, auch an kleine Vereine geschickt –, und ich erlebe durchweg nur positive Reaktionen. Die Vereine sehen eine Chance. Natürlich kann nicht jeder Verein jemanden fin
den, der am Nachmittag ein Angebot sicherstellt. Aber die Ver eine wissen jetzt, wohin die Reise geht, und können sich da rauf einstellen.
Aber was ist denn Ihre Alternative dazu? Ich kann Ihre Be denken, ehrlich gesagt, nicht ganz nachvollziehen. Also noch einmal: Es funktioniert in vielen Bereichen sehr gut.
Ich habe soeben auch erwähnt, dass es in anderen Bundeslän dern schon seit Jahren solche Rahmenvereinbarungen gibt. Wenn man einmal nachfragt, erfährt man, dass die Probleme, die Sie hier kolportieren, zum Teil überhaupt nicht aufgetre ten sind. Auch in Rheinland-Pfalz, in Hessen, in NordrheinWestfalen haben sich die Vereine im ländlichen Raum – na türlich nicht gleich am Anfang – darauf eingestellt.
Also: Geben Sie dieser Rahmenvereinbarung eine Chance. Wir unterstützen den Sport. Wir sollten weiter unsere Gesprä che führen. Aber eine derartige Schwarzmalerei kann ich an dieser Stelle absolut nicht nachvollziehen.