Protokoll der Sitzung vom 30.04.2014

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Abg. Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir haben es gehört: Die Kommunen sind in einer guten Verfassung. Lieber Herr Schwarz, das wird doch nicht möglicherweise eine Erblast der früheren Regie rung sein?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Daran haben wir nachhaltig gearbei tet! – Weitere Zurufe von der SPD)

Gerade nicht. – Ach ja, Verzeihung, ich habe das vergessen. Herr Heiler hat ja eine neue Theorie:

(Zuruf: Was?)

Die Kommunen waren fast 60 Jahre lang trotz der Landesre gierung stark, und jetzt sind sie es drei Jahre lang wegen der Landesregierung.

(Zurufe von der SPD)

Soll man das noch ernst nehmen? Soll man weiterhin diesen hemmungslosen Akt der Selbstbeweihräucherung, den wir vorhin erlebt haben, ernst nehmen?

Ich möchte – nicht aus Oppositionslust, sondern damit in die sem Haus wenigstens ein halbwegs objektives Bild entsteht, das die Lage der Kommunen und ihr Verhältnis zur Landes regierung beschreibt – ein paar Anmerkungen machen. Eini ges hat Kollege Klein schon gesagt.

Sie wissen auch, dass am Himmel düstere Wolken hängen und dass Sie etwas tun können und dass auch etwas von Ihnen er wartet wird. Die Tatsache, dass die Kommunen gerade im so

zialen Bereich immer höheren Ausgaben ausgesetzt sind, hängt z. B. mit der Eingliederungshilfe für Behinderte zusam men. Das ist zwar eine Bundesmaterie, aber dazu hat z. B. die SPD versprochen, dass schon im Jahr 2014 eine Entlastung für die Kommunen eintreten werde. Bisher ist aber nichts pas siert. Was tut die Landesregierung, damit diese Entlastung tat sächlich kommt?

Schauen wir weiter ins Land: Dort sind die Ängste der Kom munen unübersehbar, gerade was die Aufnahme der Flücht linge angeht. Wenn Sie sich bei den Verbänden umhören, er fahren Sie, dass sie sich von der Landesregierung im Moment eher im Stich gelassen fühlen, weil einerseits Gesetze gemacht werden, die das ganze Unterfangen noch teurer machen, an dererseits aber nicht die Rede davon ist, ob es dafür auch Geld gibt.

Ich kann verstehen, dass Sie die Kleinkindbetreuung wie ei ne Monstranz vor sich hertragen. Aber auch da erlaube ich mir den Hinweis, dass Sie die Grunderwerbsteuer erhöht haben und behauptet haben, Sie verwendeten einen kleinen Teil für den Straßenbau und gäben die anderen Mehreinnahmen den Kommunen. Sie haben den Kommunen aber nur einen Teil davon gegeben – das müssen Sie auch sagen – und den Rest ganz einfach zur Haushaltsdeckung verwendet.

Ich fahre fort: Falsch oder zumindest irreführend ist, wenn Sie sagen, Sie hätten keine Initiativen entwickelt, die die Kom munen belasten. Denn vor der Tür steht ein neues Personal vertretungsgesetz,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

welches zu 200 bis 300 neuen Stellen bei den Kommunen füh ren und damit Belastungen in Millionenhöhe auslösen wird, und zwar ohne Kompensation.

Sie machen sich wenig Gedanken darüber – das hat Kollege Klein richtigerweise schon angesprochen –, was Sie mit Ihrer Bildungspolitik finanziell anrichten. Der Kannibalisierungs prozess, wie es auch Timm Kern genannt hat, sieht ja so aus, dass in manchen Kommunen jetzt Fehlinvestitionen herum stehen, während die anderen, weil sie im Wettbewerb um ei ne Gemeinschaftsschule erfolgreich sein wollen, sich in neue Kosten stürzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sie haben doch jahrelang zugeschaut!)

Hören Sie sich dort einmal um, ob sie mit dem Verhältnis mit dem Land zufrieden sind.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sie haben doch jah relang zugeschaut, wie Schulstandorte in die Knie ge gangen sind! So ein Blödsinn!)

Wo leben Sie, wenn Sie sagen, mit den Kommunen sei alles in Ordnung?

Wenn man sich z. B. nach langem Zögern und nachdem man das Geld des Bundes versaubeutelt hat wieder entschließt, Straßen zu bauen, kommt gleich der nächste unfreundliche Akt, indem man den Kommunen einen größeren Anteil ab knöpft. Wenn es darum geht, dass die Kommunen sich entwi ckeln können und ihre Kraft behalten können, die sie in den

vergangenen Jahrzehnten gesammelt haben, dann hindern Sie sie durch extreme Regeln zur Begrenzung des Flächenver brauchs daran, weil diese Regeln in vielen Kommunen eigent lich gar keine Entwicklung mehr zulassen.

Meine Damen und Herren, wenn ich das alles Revue passie ren lasse, wird mir allerdings schon wieder eines klar: Diese Landesregierung geht im Gegensatz zu früheren Regierungen nicht von pragmatischen Ansätzen aus, sondern geht von be stimmten ideologischen Vorstellungen aus.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Nach diesen Vorstellungen will sie das Land umkrempeln. Wenn Sie irgendwo auf zu starken Widerstand stoßen, drehen Sie bei. Das beste Beispiel war die Gemeinschaftsschule. Als klar war, dass die Schüler des Gymnasiums und ihre Eltern sowie die Lehrer nicht mitmachen wollen, haben Sie beige dreht. Seitdem haben wir sozusagen zwei halbe Gemeinschaf ten. Aber Sie haben natürlich nicht aus besserer Einsicht bei gedreht, sondern deshalb, weil der Gegner zu mächtig ist. Ich habe den Eindruck, Sie gehen mit den Kommunen deshalb vorsichtig um, weil Sie wissen, dass Sie es da mit einem mächtigen Gegner zu tun haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Wenn Sie aber die Chance haben, mit Ihren ideologischen Vor stellungen, beinahe hätte ich gesagt: „zuzuschlagen“, dann tun Sie es ziemlich rigoros. Davon können einige Gemeinden im Schwarzwald ein Lied singen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf: Bravo!)

Die wurden dann zu „Hintertupfingen“ erklärt. Aber glauben Sie nicht, dass die Bürgermeister dieses Landes so blöd sind. Die ahnen schon, dass „Hintertupfingen“ morgen dort und morgen da sein kann. Deswegen frage ich mich schon, ob in dieser Landesregierung die wahren Freunde der Kommunen sitzen. Mir fällt dazu eher ein Wort von Bert Brecht ein:

Wer mit dem Teufel frühstückt, der muss einen langen Löf fel haben.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Das habt ihr lange genug gemacht!)

Der Teufel ist jetzt in Pension, aber man möchte den Kommu nen schon zurufen: Wer mit dem Kretschmann frühstückt, muss einen langen Löffel haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister Gall.

Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Gelegenheit nutzen, um mich zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion GRÜNE dafür zu bedanken, dass sie mit ihrem An

trag das wichtige Thema „Lage der Kommunen und Stärke des Landes und der Kommunen“ zum Gegenstand einer Ple nardebatte gemacht haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Denn das eröffnet die Möglichkeit, deutlich zu machen, wie sich das Verhältnis zwischen den Städten, Gemeinden und Landkreisen sowie dem Land Baden-Württemberg, der Lan desregierung und den sie tragenden Fraktionen in der Lebens wirklichkeit und vor Ort gestaltet.

Das greifen wir kurz vor der Kommunalwahl gern auf, weil es zum einen auch ein, wie ich finde, bedeutsames Signal an die Kommunen ist, dies nochmals deutlich zu machen und im mer wieder darauf hinzuweisen, damit Gutes nicht zu schnell in Vergessenheit gerät, wobei vieles von Ihnen offensichtlich noch gar nicht wahrgenommen worden ist. Zum anderen ist es wichtig, deutlich zu machen, welch bedeutsame Rolle die Kommunen, die Städte und Gemeinden, in Baden-Württem berg wahrnehmen. Wir, die Landesregierung, wissen nicht nur um diese bedeutsame Rolle, sondern würdigen dies entspre chend und unterstützen dies auch im Rahmen unserer Mög lichkeiten.

Wir haben in unserem Koalitionsvertrag formuliert und ver ankert, dass lebenswerte und leistungsfähige Kommunen für das Land und die Regierung von besonderer Bedeutung sind. Dieser Aussage fühlen wir uns selbstverständlich verpflichtet. Wir stellen dies auch entsprechend unter Beweis. Beispielswei se betrachten wir die Kommunen im zweigliedrigen Staatsauf bau der Bundesrepublik Deutschland nicht nur als Teil der Län der, sondern als eigenständige Gebietskörperschaften und ge hen mit ihnen partnerschaftlich um. Herr Professor Goll, der Begriff „Gegner“ stammt wohl – das hat sich anscheinend in Ihrem Kopf verankert – aus Ihrer Regierungszeit. So haben wir Kommunen noch nie gesehen. Kommunen sind für uns vielmehr wesentliche Partner, wenn es um die Gestaltung des Landes Baden-Württemberg geht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich die Gelegen heit gern auch nutzen, um mich, wie Kollege Heiler es gera de gemacht hat, bei all denen zu bedanken, die mit dafür Sor ge tragen, dass sich Städte, Gemeinden und Landkreise so ent wickeln können, wie sie sich entwickeln und – das will ich gern sagen – in den zurückliegenden 60 Jahren entwickelt ha ben. Aber wir haben einen neuen Drive in diese Entwicklung gebracht mit unserer Politik, die nicht von Ideologie bestimmt wird – von politischen Absichten jedoch schon – und die sich vor allem daran orientiert, was vor Ort notwendig ist und was die Menschen von uns erwarten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deshalb gilt mein Dank all jenen, die in den Städten und Ge meinden, in den Ortschaftsräten und den Kreistagen Verant wortung tragen, den kommunalen Mandatsträgern, den rund 30 000 Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die sich tagein, tag aus einbringen und sich für die kommunale Umsetzung von Politik engagieren.

Nicht vergessen möchte ich in diesem Zusammenhang die Bürgerschaft selbst, denn in unserem Bundesland mit einem

hohen Maß an Bürgersinn macht natürlich auch das Ehrenamt aus, wie sich die Städte und Gemeinden weiterentwickeln. Dies kann in Baden-Württemberg weiter positiv gelingen, weil wir, die Landesregierung, dafür eine gute Grundlage schaffen, weil wir die Bürger ernst nehmen, mit den Bürgern diskutie ren und sie in wichtigen und manchmal auch schwierigen po litischen Entscheidungsprozessen mitnehmen.

Nun weiß ich allerdings aus vielen Jahren eigener kommunal politischer Tätigkeit, dass dankende Worte den Kommunen nicht viel weiterhelfen. Deshalb kommt es darauf an, dass wir uns – aus gutem Grund – immer wieder die Frage stellen: Wie können wir, wie kann die Landespolitik die Kommunen hier bei unterstützen? Das haben meine Vorredner von den Regie rungsfraktionen, Kollege Schwarz und Kollege Heiler, finde ich, sehr deutlich gemacht, und sie haben Punkte genannt, an denen man dies auch wirklich deutlich machen kann. Eigent lich brauchte ich nur auf die umfangreiche Stellungnahme zu dem vorliegenden Antrag zu verweisen. Sie ist letztendlich nichts anderes als ein Katalog dessen, was die Landesregie rung in drei Jahren zugunsten der Kommunen im Land Ba den-Württemberg und damit für die Menschen in unserem Land bereits geleistet hat.