Protokoll der Sitzung vom 30.04.2014

Herr Ministerpräsident, das ist Unrecht. Sie stellen damit nicht nur die Unabhängigkeit der Justiz infrage.

Der Inhalt dieser Mail ist uns bekannt aus der Antwort des Jus tizministeriums auf die Kleine Anfrage Drucksache 15/4957. Die Motive des Staatsministeriums kennen wir jedoch nicht, und wir wissen nicht, wer Urheber dieser E-Mail ist. Schnell erkannte das Staatsministerium ihre Brisanz. Die Mail wurde zu einem Mysterium. Niemand durfte sie sehen. Transparenz, ein Mantra grüner Politik für andere, ist in eigener Sache ei ne Chinesische Mauer.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf: Sehr richtig!)

Die Presse hat recherchiert. Der Chef der Staatskanzlei, Mu rawski, die Staatsministerin Krebs, ja sogar Sie selbst, Herr Ministerpräsident, werden von den Medien ins Spiel gebracht. Kommt die Mail von der Arbeitsebene Ihres Hauses, Herr Mi nisterpräsident, ist es Unrecht. Haben die Spitzen Ihrer Regie rung zur Feder gegriffen, liegt staatlich organisierte Einfluss nahme auf die Justiz vor. Es ist eine ewige Erfahrung, dass je der Mensch, der Macht in den Händen hat, geneigt ist, diese zu missbrauchen. Diese Befürchtung Montesquieus können Sie, Herr Ministerpräsident, heute Lügen strafen. Legen Sie die E-Mail vor, nennen Sie Ross und Reiter.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Die ter Hillebrand CDU: Genau!)

Herr Ministerpräsident, es geht auch um Vertrauen. Es geht um Vertrauen, um das Sie bei den Bürgerinnen und Bürgern werben. Lassen Sie die Menschen wissen, welche Erkenntnis se über laufende Strafverfahren, über Anzeigeerstatter und Be schuldigte in Ihrem Staatsministerium gesammelt werden. Sa gen Sie, was mit den Namen geschieht. Spielen Sie nicht mit dem Vertrauen der Menschen. Meine Fraktion und ich wollen in unserem Land keinen grünen Überwachungsstaat, und die Bürgerinnen und Bürger wollen das auch nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Zurufe von den Grü nen und der SPD)

Herr Ministerpräsident, die heimlichen Aktivitäten des Staats ministeriums machen Angst.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

Wofür und wozu braucht die Regierung dieses Wissen? Kann es sein, dass die Fronten von S-21-Befürwortern und -Geg nern namentlich erfasst werden, um die einen zu schützen und die anderen zu diskreditieren? Spielte die anstehende Volks abstimmung eine Rolle? Dafür spricht viel.

Ich nenne ein paar Beispiele. Die Vizepräsidentin des Land tags intervenierte beim Justizminister, nachdem ein bekann ter Parkschützer unter falschem Namen 1 500 Spam-Mails an SPD-Abgeordnete verschickte und deren Accounts zum „Plat zen“ brachte. Ein Kollege stellte Strafanzeige. Daraufhin ver anlasste die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung und eine Beschlagnahmung des Computers beim Beschuldigten, was die Vizepräsidentin gegenüber dem Justizminister prompt als unverhältnismäßig und rechtswidrig tadelte und von ihm eine Rechtfertigung einforderte.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das ist unglaublich! – Abg. Willi Stächele CDU: Unglaublich!)

Zudem beschuldigte sie die Staatsanwaltschaft, Parkschützer bewusst zu kriminalisieren, um das Ergebnis der Volksabstim mung zu S 21 zu beeinflussen,

(Zuruf von der CDU: Skandal!)

und sie nannte den Namen des Kollegen und Anzeigeerstat ters. Nach Intervention der Vizepräsidentin beim Justizminis ter wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt.

(Zurufe von der CDU: Wie bitte? – Unglaublich!)

Für mich wirft das Fragen auf.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es entspreche dem Wählerauftrag, korrigierend in staatsan waltschaftliche Handlungen einzugreifen, ließ sich die Vize präsidentin in der „Stuttgarter Zeitung“ zitieren.

(Zuruf von der CDU: Wie bitte?)

Was für eine Mär! Bei dem Beschuldigten handelt es sich um den Sohn ihres Zweitkandidaten.

Dass die Vizepräsidentin ihren Briefkopf und die Autorität ih res Amtes wie selbstverständlich einsetzt, ist Amtsmissbrauch. Alles nachzulesen auf ihrer Homepage.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

In einem anhängigen Verfahren wegen des Wasserwerferein satzes wollte es die Vizepräsidentin ganz genau wissen. Der Justizminister sollte das prozesstaktische Denken der Staats anwaltschaft und die Überlegungen zum Straftatbestand preis geben. So etwas bezeichnet man als Eingriff in die Unabhän gigkeit der Justiz.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Mein Verständnis von Rechtsstaat ist das nicht und auch nicht das Verständnis meiner Fraktion und der Menschen draußen im Land.

Wer sich zu S 21 bekennt, rückt ins Fadenkreuz der Vizeprä sidentin. So hat sie mit ihrer Amtsautorität vom Evangelischen Oberkirchenrat gefordert, einen Pfarrer und bundesweit be kannten S-21-Befürworter wieder aus dem Amt zu entfernen.

(Lachen des Abg. Joachim Kößler CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Unglaublich!)

Die latenten Drohungen in diesem Schreiben sind nicht zu überlesen. Ob Justiz oder Kirche, grüne Allmachtsfantasien und Amtsmissbrauch – ist das der grüne Politikstil?

Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie auf, heute in diesem Haus alle Karten auf den Tisch zu legen und nicht wieder wie in der Pädophiliedebatte zu kneifen und auf ein Gutachten zu verweisen, das nie kommt. Herr Ministerpräsident, Sie haben den Amtseid auf die Verfassung geleistet. Erfüllen Sie ihn hier und heute.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Hic Rhodus, hic sal ta!)

Der Künstler Thomas Baumgärtel hat vor der Tür des Land tags eine Banane gesprayt. Das Symbol der Banane passt nicht

zu unserer Republik. Bananen passen zur grünen Politik, nicht zu unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Sckerl.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt sind wir mal ge spannt! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Der Knappe!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um was geht es eigentlich heute?

(Zuruf von der FDP/DVP: Amtsmissbrauch! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Haben Sie das nicht mitbekommen?)

Woraus ist der Stoff, in dem die Opposition hier einen angeb lich ungeheuren Skandal wittert? Das Staatsministerium frag te – so ist es der Antwort des geschätzten Herrn Justizminis ters auf die Kleine Anfrage des Abg. Dr. Löffler, Drucksache 15/4957, zu entnehmen – am 10. Oktober 2011 nach dem Stand von Ermittlungs- und Strafverfahren im Zusammen hang mit Stuttgart 21 in den letzten 14 Monaten. Es fragte, gegen welche Personengruppen sich die Verfahren richten, und nannte dazu einige Beispiele. Neben den Strafverfahren wurde auch nach möglichen Verfahren rund um den Komplex „Mischfinanzierung zu Stuttgart 21“ gefragt; das war eine da mals in der Öffentlichkeit virulente Diskussion, nachdem auch Klageerhebungen seitens der Gegner von Stuttgart 21 aus drücklich angekündigt waren. Es wurde ausdrücklich nicht nach konkreten Personen oder personenbezogenen Daten ge fragt – ausdrücklich nicht; an keiner Stelle. Das Justizminis terium antwortete auch an keiner Stelle personenbezogen.

Es ist eine Mär, eine böswillige Unterstellung, die Sie hier bringen. Ich weise sie mit allem Nachdruck zurück.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Im Oktober 2011 gab es im Vorfeld der Volksabstimmung ei ne intensive öffentliche Diskussion auch über die Aufarbei tung des sogenannten Schwarzen Donnerstags, über den Stand von Strafverfahren. Selbstverständlich wurde auch und im mer wieder, Herr Kollege Löffler – in einem demokratischen Rechtsstaat sehe ich darin zunächst einmal kein Problem –, die Frage öffentlich diskutiert: Ist alles, was da an Ermitt lungstätigkeiten passiert, in Ordnung? Oder kann man Dinge auch anders erledigen? Das wird immer wieder diskutiert.

Schauen Sie sich aktuell an, wie die Rolle der Staatsanwalt schaften im Fall Wulff oder in anderen Fällen öffentlich in den Medien diskutiert wird. Eine Staatsanwaltschaft ist grundsätz lich nicht sakrosankt. Aber wir achten selbstverständlich die Gewaltenteilung. Selbstverständlich verteidigen wir die Prin zipien unseres Rechtsstaats. Deswegen gibt es an keiner ein zigen Stelle eine Einflussnahme. Es gibt keine Einflussnah me, wie von Ihnen behauptet wird. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU)

Weder die E-Mail des Staatsministeriums noch Briefe von Ab geordneten bedeuten eine Einflussnahme. Eine Einflussnah me bestünde, wenn konkrete Forderungen, etwas zu tun, er hoben würden. Das ist nicht der Fall.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das war doch der Fall!)

So etwas wird Ihnen auch der Justizminister nicht bestätigen können. Der Justizminister hat in der ihm gebotenen Gründ lichkeit auf alle aufgeworfenen Fragen geantwortet. Die Vor gänge waren für Abgeordnete,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

aber auch für das Staatsministerium mit diesen Auskünften erledigt.

Oder, Herr Kollege Löffler, wollen Sie etwa behaupten, auch der Landtag habe sich unzulässig in die Ermittlungstätigkeit von Justiz und Staatsanwaltschaft eingemischt? Im gleichen Zeitraum, in dem die E-Mail des Staatsministeriums ver schickt worden ist, wurde im Ständigen Ausschuss – und zwar von allen Fraktionen – der Wunsch geäußert, im Ständigen Ausschuss einmal eine Übersicht über die Ermittlungsverfah ren, den Stand des Verfahrens zu bekommen, zu erfahren, ob es Verurteilungen gibt, wie viele Verurteilungen es gibt, wie viele Verfahrenseinstellungen es gibt, was noch ansteht und wer jeweils betroffen ist. Auch Ihre Fraktion hat diesen Wunsch damals formuliert.