Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

die im Straßen- und Wegebau im ländlichen Raum unterwegs sind.

Meine Damen und Herren, Sie haben Sprüche; wir haben Konzepte. Ihnen fehlen eigene Impulse, ebenso wie übrigens auch eigene Ansätze zur Entwicklung des ländlichen Raums. Das einzige Prestigeprojekt, das Sie haben, ist der National park. Dazu sage ich ganz frei und unumwunden: Wir hätten dem zugestimmt, wenn Sie die Menschen vor Ort mitgenom men hätten. Das aber haben Sie nicht getan. Daran sind Sie gescheitert – von wegen „Politik des Gehörtwerdens“!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Beate Böhlen GRÜNE und Helmut Walter Rüeck CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben ein Konzept auf den Tisch gelegt, und zwar nicht erst vor Toresschluss, kurz vor der Kommunalwahl. Herr Ministerpräsident, ich spreche Sie an: Sie haben auf dem Parteitag – da haben Sie recht – die Kommunen auf ihre Verantwortung für den ländlichen Raum angesprochen. Deshalb kommt nun ganz konkret ein Konzept von uns, das bereits eingebracht wurde.

Erstens geht es dabei um eine Änderung des Finanzausgleichs gesetzes unter Aufnahme einer Demografiekomponente für die Kommunen. Am Beispiel Bayern lässt sich erkennen, dass dies gut funktioniert und die Gemeinden dadurch im Prozess des demografischen Wandels begleitet werden.

Zudem ist eine Flächenkomponente vorgesehen; es zählen nicht nur die Köpfe, sondern auch die Aufgaben in der Flä che. Der Gemeindetag ist hier an unserer Seite.

Des Weiteren, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grü nen – das ist hochinteressant –, sehen wir eine Naturaus gleichskomponente im Finanzausgleichsgesetz vor. Anstatt einnahmeträchtiger Gewerbeflächen soll es Schlüsselzuwei sungen für den Naturschutz geben. Das ist doch eine Idee! Die Vorschläge sind eingereicht, und Sie können ihnen dann zu stimmen.

Zweitens: Wir haben eine Verfassungsänderung beantragt in sofern, als zunächst einmal das Ziel gleichwertiger Lebens verhältnisse im ländlichen Raum und in den Ballungsräumen in die Verfassung aufgenommen werden soll. Daneben geht es insbesondere auch um die Anerkennung des Ehrenamts, die ebenfalls Staatsziel werden soll – gerade im Ehrenamtsland Nummer 1, in Baden-Württemberg.

Herr Minister Bonde, Sie können diese Vorschläge nun auf den Kabinettstisch legen – Herr Innenminister Reinhold Gall hatte ja dazu aufgefordert, Anträge von Fraktionen, die auf ei ne Verfassungsänderung abzielen, zu melden.

Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie beschäftigen sich auf Ihrem Parteitag mit uns, mit der CDU. Das ehrt uns,

und das zeigt uns, dass Sie unserer Arbeit Respekt entgegen bringen. Und das ist gut so.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Leopold Grimm FDP/DVP)

Denn eine gute Politik für den ländlichen Raum ist eine ge staltende Politik und keine Politik der Fremdbestimmung und der Verbote, so, wie Sie sie praktizieren.

Herr Minister Bonde, Sie tragen – so wie auch ich – gern Jan ker. Ich erinnere noch einmal an meine Äußerung in der Ple narsitzung am 28. November 2013 und wiederhole sie: „Ein Janker macht noch keinen guten Landwirtschaftsminister.“

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Was war das jetzt?)

Sie können also noch dazulernen, und Sie sollten sich anstren gen.

Ich danke Ihnen ganz herzlich.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Hofelich.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Keiner aus dem AK! – Gegenruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Er ist immerhin der Mittelstandsbeauftragte der Lan desregierung!)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Kollegen Hans-Peter Storz entschul digen, der zu diesem Thema hätte sprechen sollen, aber aus persönlichen Gründen heute nicht anwesend sein kann. Da her darf nun ich einige Gedanken zum Thema vortragen. Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit, zumal ich mich mit diesem Thema auch immer wieder einmal befasst habe.

Möglicherweise weichen die Gedanken, die Sie jetzt hören werden, etwas von dem ab, was bisher gesagt wurde.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie im Dom von Siena sind, nicht weit von der Piazza del Campo, sehen Sie ein Gemälde des Malers Lorenzetti, das den Titel trägt – ich bin kein Kunstkenner, aber das habe ich mir gemerkt –: „Il Buon Governo“ – „Das gute Regieren“. Auf diesem Bild ist zu lesen: „Citta“ und „Campagna“ – „Stadt“ und „Land“. Dargestellt werden die Austauschbezie hungen zwischen beiden Bereichen. Es wird gezeigt, was dort jeweils geleistet wird. Manufakturen, Handwerk sowie auch das Administrieren gehören zur Stadt; die Früchte des Feldes und die entsprechenden Arbeitskräfte werden dem Land zu geordnet. Zwischen beiden findet ein Austausch statt – ein sympathisches Bild.

Die Frage ist, ob dieses Bild auch heute noch auf Baden-Würt temberg zutrifft und ob die klare Zweiteilung zwischen länd lichem Raum und städtischen Räumen aufrechtzuerhalten ist. Tatsächlich – das schlägt sich auch in der Landesentwick lungsplanung nieder – ist es anders. Es gibt Verdichtungsräu me, es gibt Randzonen von Verdichtungsräumen, es gibt länd liche Räume, es gibt Verdichtungsräume in den ländlichen Räumen – die übrigens voll in der Förderkulisse des ländli

chen Raums enthalten sind. Das Bild ist heute also differen zierter.

Bei genauer Betrachtung des Bruttoinlandsprodukts je Erwerbs tätigem zeigt sich: In Baden-Württemberg liegt der schwächste Landkreis, Breisgau-Hochschwarzwald, bei 84 %, der stärks te Kreis, Stuttgart, liegt bei 112 % des Landesdurchschnitts. Im Nachbarland Bayern ist die Spanne viel größer, sie reicht von 79 bis 175 %. In Hessen sieht es ähnlich aus. Baden-Würt temberg weist also faktisch, empirisch, eine große Flächen stärke auf.

Die erste These, die ich in diese Debatte einbringen möchte, lautet daher: Es hat keinen Wert, die einzelnen Räume in Ba den-Württemberg gegeneinander auszuspielen. Baden-Würt temberg ist insgesamt ein flächenstarkes Land, und es kann nur im Miteinander stark bleiben, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Der zweite Punkt: Diese Ausdifferenzierung zeigt die große Bedeutung der ländlichen Räume. 28 % der Beschäftigten lan desweit arbeiten im ländlichen Raum; gleichzeitig werden dort 23 % des landesweiten Umsatzes erzielt. Natürlich liegt ein starker Schwerpunkt in der Produktion; daneben gibt es aber auch einen ausgeprägten Trend zur Tertiarisierung, also in Richtung des Ausbaus des Dienstleistungssektors. Laut einer Studie gibt es in Baden-Württemberg 252 Hidden Champi ons; 122 davon – das sind weit mehr als 40 % – sind im länd lichen Raum.

Das ist eine Momentaufnahme; es zeigt aber auch die gewach senen Strukturen. Wir alle können daher zu Recht stolz dar auf sein – und sollten dies auch zum Ausdruck bringen –, dass wir in Baden-Württemberg einen starken ländlichen Raum ha ben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Leopold Grimm FDP/DVP: Sind wir auch!)

Dennoch ist es heute möglicherweise notwendig, zu einer neu en Denkweise zu gelangen. Der ländliche Raum weist insbe sondere eine Stabilität der sozialen Beziehungen auf. Man weiß voneinander, und man kann sich gegenseitig helfen. Die Abläufe sind weitgehend bekannt; es gibt keine solche Ano nymität. Auf der anderen Seite ist eine Verletzlichkeit vorhan den, und zwar gerade dann, wenn es einmal konjunkturell nicht so gut läuft und wenn eine bestimmte Branche einmal in den Schatten gerät. Die Hauptaufgabe des Staates – und Ba den-Württemberg ist ein Staat – besteht darin, Infrastruktur politik zu betreiben, sodass eine gute Infrastruktur als Voraus setzung für eine gute wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den ländlichen Räumen gewährleistet ist. Genau das tut die se Landesregierung mitsamt den sie tragenden Parteien und Fraktionen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Dr. Rapp?

Mit Freude.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nicht übertrei ben!)

Herr Kollege, Sie haben gera de wortreich erklärt, wie viel die Landesregierung für die In frastruktur im ländlichen Raum tut. Ich möchte Sie daher fra gen: Warum verhindern Sie dann Verkehrsprojekte?

Zunächst einmal ist es schön, dass Sie mir attestieren, meine Ausführungen seien wortreich. Ich habe zu diesem Thema gerade einmal einen Satz gesagt.

Zu Ihrer Frage: Wir verhindern keine Verkehrsprojekte, son dern wir haben eine Ausbauplanung. Sie müssen nur einmal in den Haushalt hineinschauen, um festzustellen: Wir tun ei niges für die Infrastruktur, und zwar auch im Straßenbau, Herr Kollege.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sogar im Nachtrag!)

Sogar im Nachtrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Ich fahre fort; Zwischenfragen können mich in meiner Argu mentation nur aufbauen.

Was sich hingegen geändert hat, meine Damen und Herren, ist die Philosophie. Denn es ist nicht mehr angemessen, pau schal an die Dinge heranzugehen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten vor dem Regierungswechsel hatte für den länd lichen Raum im Wesentlichen eine Politik mit der Gießkanne stattgefunden. Wir hingegen machen eine Politik der konkreten Hilfsangebote, und zwar dort, wo es wichtig ist. Der EFRE-Wettbewerb, der gerade stattfindet und bei dem wir für mehr Mittel gekämpft haben – wohingegen die Vorgängerre gierungen bereits zweimal mit ihren Entwürfen wegen Män geln in der Darstellung zurückgeschickt worden waren –,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, Herr Hauk!)

zeigt unser Bestreben: Wir wollen – und zwar als Angebot –, dass sich Regionen im Wettbewerb aufgefordert fühlen, mit den besten Ideen zu kommen. Wir betreiben keine Politik mit der Gießkanne, sondern wir treten in einen Wettbewerb um gute Ideen ein. Das ist die neue Philosophie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich darf Ihnen also sagen: Die Politik, die wir brauchen, ist eine Politik, die die Räume so betrachtet, dass konkrete Hilfs angebote möglich werden. Darum wird es im Wesentlichen gehen – übrigens im Konzert aller Ministerien; es ist wichtig, dass wir in diese Richtung denken.

Die Clusterpolitik ist ein aussagekräftiges Beispiel dafür. Wir haben die Situation, dass es in den Bereichen Feinmechanik, Optik, Uhren – Produktionszweige, die gerade in der Region Schwarzwald/Breisgau vorherrschen – schwierig wurde. In zwischen spürt man aber – ähnlich wie im Schweizer Jura oder wie am Rande des französischen Jura, in Besançon –, dass diese Tradition mithilfe neuer Technologien, etwa mit Mikro systemtechnik, wiederbelebt werden kann. Deswegen sind wir froh, dass Cluster wie etwa die Mikrosystemtechnik in Süd baden so groß herauskommen und tatsächlich auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene mit Preisen und Dotierun gen geehrt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir schauen – das will ich auch ansprechen – natürlich nach vorn. Es ist gut, Bilanz zu ziehen; aber es gibt Bereiche, die für die Zukunft wichtig sind und bei denen wir eine differen zierte Wirtschafts- und Strukturpolitik in diesem Land ma chen müssen.