Unsere Landesregierung steht mit unserer Fraktion hinter den europäischen Werten, die im Lissaboner Vertrag festgehalten sind. Ich möchte nur noch einmal auch der CDU sagen: Da zu gehören die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demo kratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit,
Das gilt natürlich auch für Menschen aus Bulgarien und Ru mänien und von wo auch immer, die hier bei uns Arbeit su chen. Alle 28 Nationen der EU
haben sich mit der Unterzeichnung der Europäischen Verträ ge verpflichtet, diese Werte einzuhalten. Wir müssen da vor angehen. Mit 69 Jahren Frieden ist die EU ein Erfolgsmodell. Wir unterstützen unsere Landesregierung, hier voranzuschrei ten.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Wenn von Donnerstag bis Sonn tag 400 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen sind, dann ist es, denke ich, unser aller Anliegen, an einem Tag wie heu te positiv für Europa zu werben. Ich will hinzufügen: Wir, die Union, sind seit Beginn dieser Europäischen Union die Euro papartei. Die Christdemokraten Adenauer, Schumann, De Gasperi haben das begonnen und aufgebaut. Übrigens: Ro man Herzog hat als Vorsitzender des Europäischen Konvents die Charta der Grundrechte der Europäischen Union betreut und mit erarbeitet. Deshalb verwahren wir uns hier dagegen, wenn Sie CDU oder CSU in einem Atemzug mit der AfD gleichstellen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Fra gen Sie sich doch lieber einmal, warum! – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)
Auch bei der Frage der Zuwanderung wird es zu Recht dar um gehen, dass keine missbräuchliche Zuwanderung in Sozi alsysteme, sondern eine bedarfsgerechte, legale Zuwanderung stattfindet. Dazu stehen wir genauso, wie wir zur Freizügig keit stehen. Das ist eine klare Position, die wir immer betont haben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle wollen natürlich nicht, dass am kommenden Wochenende die Extremisten, sei es von rechts oder links, zunehmende Stimmenanteile ver zeichnen oder sozusagen die stärkste Stimmenführerschaft be kommen. Ich will Ihnen auch bewusst sagen: Ich habe mich gefreut, dass der Spitzenkandidat der EVP öffentlich erklärt hat, dass er sich nicht von Rechts- oder Linksextremen als Kommissionspräsident wählen lassen wird, sondern von De mokraten gewählt werden will. Deshalb kämpfen wir um die Mehrheit der Demokraten und der EVP wie in der Vergangen heit.
Dieses Europa ist ohne Demokraten auch nicht denkbar. In soweit beinhaltet diese heutige Aktuelle Debatte eine rhetori sche Frage, die wir debattieren.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen jetzt in den Fragen „Wie nehmen wir es mit Extremisten auf? Oder schwei gen wir einfach über sie?“ die Diskussion mit Extremisten ernst nehmen. Sie totzuschweigen wäre ein Fehler. Deshalb geht es sicherlich darum, dass wir die Stärken Europas gera de jetzt in dieser Zeit betonen. Wenn wir täglich nach Syrien oder in die Ukraine schauen, wissen wir angesichts der dorti gen Konflikte, worum es geht. Dieses große Geschenk der längsten Friedenszeit der modernen Geschichte bei uns in Eu ropa verdanken wir den Gründungsvätern und der Friedens gemeinschaft der Europäischen Union. Wir werden für Euro pa werben und dafür einstehen. Deshalb begrüßen wir auch positive Ausführungen dazu.
Meine Damen und Herren, natürlich wird zu Recht darauf hin gewiesen, dass unser Heimatland Baden-Württemberg das Ex portland Nummer 1 ist. Von den Exporten im Volumen von 160 Milliarden € gehen rund 60 % in die Staaten der Europä ischen Union. Das heißt, jeder dritte Arbeitsplatz ist im Grun de genommen abhängig von diesem Binnenmarkt der Euro päischen Union. Deshalb ist es gerade für Wohlstand und Ar beit in unserem Land wichtig, für die Vorteile des Binnen markts zu werben und auch dessen positive Funktionen in den Mittelpunkt zu stellen.
Natürlich gehört auch die Währungsunion zu diesem Thema. Ich will Ihnen schon sagen: Wenn ich höre, dass der Spitzen kandidat der Sozialisten, Herr Schulz, wie auch viele Länder Europas mit den Sozialisten an der Position festhält: „Wir wol len eine Haftungsgemeinschaft, eine Schuldenunion, wir wol len Eurobonds“, dann sage ich auch heute klipp und klar: Wir unterstützen die Politik von Angela Merkel, die sagt: „Solida rität nur gegen Solidität“, die sagt: „Eigenverantwortung“ und die vor allem sagt: „Keine Eurobonds mit uns.“
Natürlich gibt es auch immer wieder Diskussionen über Vor teile, Nachteile, Kritik zu Europa. Wir wollen, dass man sich in Brüssel auf die Kernaufgaben konzentriert. Ich habe hier oft gesagt – ich habe das übrigens schon vor zehn Jahren im Bundesrat gesagt –: Nicht jede Aufgabe in Europa ist eine Sa che für Europa. Das ist mittlerweile oft wiederholt und zitiert worden. Wir brauchen die richtige Balance zwischen Einheit und Vielfalt. Natürlich gehört dazu nicht eine Privatisierung der Wasserversorgung oder eine Entwertung des Meisterbriefs, sondern man muss sich auf die großen Themen konzentrieren. Ich glaube, dann sind die Erfolge auch sichtbar.
Die Bedeutung der gemeinsamen Währung zeigt sich mittler weile bei Irland, bei Portugal, bei Spanien. Insoweit ist es wichtig, nachdem die Akzeptanz Europas gelitten hat, nach dem am vergangenen Wochenende die Forschungsgruppe Wahlen veröffentlicht hat, dass immer noch 60 % der Befrag ten auf die Frage zur am kommenden Sonntag anstehenden Wahl antworten: „Uns ist Europa gleichgültig, auch diese Wahl“, dass wir alle gemeinsam als Demokraten für die Be deutung dieser Wahl werben.
Das Land Baden-Württemberg hat viele Partnerschaften in Europa aufgebaut. Ich will hier beginnen mit den Gemisch ten Kommissionen mit Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Kroa tien oder Serbien. Ich will die grenzüberschreitende Zusam menarbeit mit dem Elsass, mit der Schweiz, die „Vier Moto ren“ hier erwähnen. Ich will auch die Donauraumstrategie, die unsere Idee war und die wir aufgebaut haben, hier erwähnen. Denn auch das ist Partnerschaft. Ich erwähne die 900 europä ischen Städtepartnerschaften. Das ist Begegnung von Men schen.
Deshalb ist Europa für uns eine Herzensangelegenheit. Dafür werben wir heute und auch am Wochenende.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an die beiden Vorred ner anschließen und den Standpunkt vertreten, der bei diesem Thema heute auch vertreten werden muss. Ich glaube, dass die heutige Debatte für diesen Landtag von Baden-Württem berg einen großen Schritt nach vorn bringen kann, indem wir nämlich gerade kurz vor der Europawahl eine Schneise schla gen für eine positive europäische Grundüberzeugung in Ba den-Württemberg, an der wir alle arbeiten, zu der die Elemen te Freiheit, Solidarität und Demokratie gehören. Es wäre ein Gewinn, wenn diese Grundüberzeugung über diesen Plenar saal hinausstrahlt.
Ich denke, dass es richtig ist – das ist gerade angesprochen worden –, dass der neue Präsident der Kommission von de mokratisch gesinnten Abgeordneten gewählt wird. Das soll ten wir uns auch gegenseitig hier versprechen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Volker Schebesta CDU: Prima! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)
Da wir hier im baden-württembergischen Landtag über Nati onalismus in Europa reden, erinnere ich an einen Satz, der ein Vermächtnis ist, besonders für diejenigen, die in unserer po litischen Tradition stehen: „Die Nationalisten grenzen sich ge gen andere Nationen ab; sie sind negativ. Die Patrioten setzen sich für ihr Land ein.“ Das hat uns Willy Brandt ins Stamm buch geschrieben. Deswegen ist es wichtig, dass wir aus Deutsch land heraus auch europäische Patrioten sind. Darauf kommt es in dieser Situation besonders an, meine Damen und Her ren.
Die SPD hat schon zwischen den Kriegen mit dem Heidelber ger Programm die Grundlagen gelegt. Dennoch ist es schwie rig, das immer wieder neu zu begründen. Das wissen wir als Politikerinnen und Politiker. Nicht jeder Tag kann ein Sonn tag sein. Wer redet, muss über die Realität sprechen. Gerade dieser Patriotismus für Europa ist für manche eine Pflicht und nicht unbedingt eine Berufung. Deswegen haben wir da, den ke ich, immer wieder an uns selbst zu arbeiten.
Rechtspopulismus ist eine Realität in Europa. Es gibt einen fließenden Übergang zum Rechtsextremismus. Das darf uns nicht in Ruhe lassen. Der Kern dieses Rechtspopulismus ist das Ressentiment; das Ressentiment gegen irgendetwas ist das Verbindende. Dahinter steckt die Unsicherheit über die eige ne Identität. Viele fragen sich in dieser größer gewordenen, zusammengewachsenen Welt: „Wer bin ich?“ Das muss man auch in Deutschland ernst nehmen. Wir sehen vor allem in an deren Ländern, dass dieses Ressentiment und die Suche nach der eigenen Identität Probleme sind.
Wenn die Politik zulässt, dass es heißt, „die da oben“, „die an deren“ oder „die Verhältnisse“ seien schuld, entsteht eine Si tuation, in der nach Blitzableitern gesucht wird. Dieser Blitz ableiter ist derzeit Europa. Ich sage in diesem Landtag: Wir dürfen nicht zulassen, dass Europa der Blitzableiter ist in ei ner Situation, die wir bezogen auf das Verhältnis von Bürgern und Politik wieder verändern müssen.
Es ist unsere Aufgabe, dass wir das rechtzeitig aufspüren. Dies ist nicht überall gelungen. Dies wird man an dieser Stelle kon zedieren müssen, wenn man die Bewegungen in manchen eu ropäischen Ländern betrachtet wie in Ungarn – mit der dorti gen Situation können wir in keiner Weise zufrieden sein – oder auch in Italien, von wo wir von der Lega Nord nur Dinge hö ren, die uns unruhig werden lassen.
Deswegen müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass wir diese Bewegungen nicht allein auf der politischen, auf der ra tionalen Ebene einfangen werden. Es haben sich – gestatten Sie mir diese etwas unpolitische Bemerkung – bei vielen Men schen, die Teil dieser Bewegungen sind – das sieht man, wenn man fernsieht –, sozusagen archaische Lebensformen – der Umgang mit der Waffe, der kraftstrotzende Auftritt – wieder eingeschwungen. Es ist beunruhigend, dass der zivile Umgang miteinander in Europa nicht gesichert ist. Das ist enorm schwie rig. In der Ukraine sieht man bis vor den Wahllokalen Men schen mit Waffen. Das ist zutiefst beunruhigend.
Ich will dazu einfach sagen: Meine Partei – ich will es aber nicht gegen andere wenden – hat nicht zu denen gehört, die es nicht erwarten konnten, im Fernsehen von drei Program men auf 30 Programme, auf 300 Programme zu kommen. Es ist eine Schwierigkeit, dass kulturelle Prägungen bestehen, die nahelegen, dass rechtsextremes, rechtspopulistisches Verhal ten Platz greift. Das ist eine Schwierigkeit.
Es geht jetzt darum, dass wir hinstehen, dass wir sicherlich auch abwehren und sagen: „Die Errungenschaften BadenWürttembergs dürfen nicht gefährdet werden.“ In Wirklich keit geht es darum, dass wir mit unserer demokratischen Kul tur in Europa all denen, die anders auftreten wollen, die Stirn bieten. Wir brauchen in der politischen Auseinandersetzung einen offensiven Geist, meine Damen und Herren.
Ich will dazu ein paar Sätze sagen: Gerade Baden-Württem berg, ein international ausgerichtetes Land, ist darauf ange legt, dass mit Minderheiten tolerant umgegangen wird, dass Religionsfreiheit betont wird, dass Freizügigkeit gewollt wird. Das ist sozusagen das Lebenselixier, und nur daraus können wir unsere Stärke beziehen. Wir haben überhaupt keine Wahl, uns in eine andere Richtung zu bewegen.
Das eine ist – davon habe ich schon gesprochen –, dass wir Patriotismus für Europa brauchen. Dessen Kern bilden die Verfassungen, die ab 1789 geschaffen worden sind. Deswe gen ist es das Wichtigste, dass wir einen Verfassungspatrio tismus leben, der auch tatsächlich von unserem Land, von Ba den-Württemberg aus, von Deutschland aus ausstrahlt. Es ist wichtig, bei Kontakten auch darauf hinzuweisen, was Grund rechte bedeuten. Wir sollten sie nicht bloß larmoyant sozusa gen im Gepäck mitschleppen. Aspekte, die hier für uns eine Rolle spielen, wie etwa die kommunale Selbstverwaltung, können an anderer Stelle auch sinngebend und wohltuend sein. Deswegen bin ich dafür, dass wir mit unserem Verfas
sungspatriotismus offensiver umgehen. Meine Damen und Herren, ich halte das für die künftige Praxis in unseren Aus landsbeziehungen für wichtig.
Der zweite Punkt ist das Regionalbewusstsein. Viele der rechts populistischen Bewegungen speisen sich aus einem miss brauchten Regionalbewusstsein. Die Situation in Baden-Würt temberg ist anders. Wir wissen, dass Globalisierung keine Abwehr verträgt, sondern eine Aufnahme, einen Ausgleich braucht. Dies erkennt man, wenn man daran denkt, dass wir mit regionalen Lebensmitteln künftig besser umgehen müs sen. Deswegen gilt immer: Regionalität und Globalität sind zwei Seiten einer Medaille. Ein solches Regionalbewusstsein kann man in Europa tatsächlich brauchen und nicht eines, das auf Abschottung angelegt ist. Der baden-württembergische Weg gemäß dem Prinzip „Stark hier im Land und solidarisch in Europa und in der Welt“, den wir mit unserem Regionalbe wusstsein gehen, ist der richtige Weg.
Der dritte Beitrag ist eine Beispielkultur. Wir können die Köp fe nicht allein im Abstrakten gewinnen. Man muss denen, die verführt und die verleitet sind, auch sagen können, was daran gut ist, wenn man aus dem demokratischen Fundus heraus et was tut. Ich nenne einfach einmal die duale Ausbildung, von der wir hier in diesem Haus – Gott sei Dank – zunehmend re den. Das ist ein Beispiel, das man nach außen transportieren kann. In der dualen Ausbildung gibt es auch ein persönliches Verhältnis zwischen dem Ausbilder und dem Auszubildenden, in dem der Ausbilder, wenn er eine Autorität ist, z. B. auch sa gen kann: „Junge, du bist beim falschen Klub, wenn du bei Jobbik in Ungarn mitmachst.“ Das ist etwas, was dann viel leicht auch geschieht.
Deswegen gilt es bei einer Beispielkultur z. B. auch darüber zu reden, wie sich die Wohlfahrtsverbände für eine zivile und demokratische Gesellschaft positiv auswirken. Das ist auch etwas, was es an anderer Stelle so nicht immer gibt.