Protokoll der Sitzung vom 16.10.2019

und konkrete Vorschläge gemacht, auf die ich auch gleich ein gehen werde. Er hat schon damals eine klare Position bezo gen. Bei der CDU, bei den Grünen gab es immer ein Hin und Her. Der eine Abgeordnete hat das gesagt, der andere Abge ordnete hat jenes gesagt. Da gab es einfach keine klare Hal tung, was dazu geführt hat, dass viele Landwirte im Land lan ge im Unklaren waren und auch die Zukunft des Volksbegeh rens infrage stand.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Erst in der vorigen Woche erklärte dann Ministerpräsident Kretschmann, das Volksbegehren gehe so auf gar keinen Fall, und kündigte an, dass eine Alternative ausgearbeitet werde. Das ist schon einmal gut. Es ist anscheinend etwas angekom men. Aber erst am 14. Oktober, also vorgestern, hat der CDULandesvorstand einen Antrag beschlossen, nach dem das Volksbegehren in der jetzigen Form nicht geht und eine Al

ternative bestellt wird. Sie erzählen hier aber, das hätten Sie schon von Anfang an gewusst. Das ist schon ein bisschen va ge formuliert und ein bisschen an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: Was wollen Sie denn?)

Was wollen wir denn? Das wird hier gerade hereingerufen. Wir haben klare Vorschläge zum Artenschutz gemacht. Denn eines ist klar: Das Thema Artenschutz ist wichtig. Das ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit für uns, für die kommenden Gene rationen. Wir brauchen eine große Artenvielfalt, damit die Na tur auch bestehen kann.

Wir wollen mehr Mittel für umweltfreundliche Techniken. Das sollte z. B. ins Agrarinvestitionsförderungsprogramm hinein genommen und mehr berücksichtigt werden. Ein schon lange überfälliger Schritt ist der Einsatz von mehr Digitalisierung in der Landwirtschaft, z. B. indem man die Geodaten und Sa tellitenunterstützung mit SAPOS und HEPS gebührenfrei zur Verfügung stellt. Hier sind andere Länder schon deutlich wei ter als Baden-Württemberg. Bei uns ist das schon lange über fällig. Da passiert überhaupt nichts.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Da passiert doch schon etwas!)

Das führt auch dazu, dass zum Teil zu viele Spritzmittel aus gebracht werden. Das könnte man deutlich reduzieren. For scher sprechen von einem Einsparpotenzial von bis zu einem Drittel. Das geht eigentlich genau in die Stoßrichtung des Volksbegehrens. Darüber hinaus brauchen wir noch mehr For schung im Bereich der standortangepassten Fruchtfolgen. Das sind nur die drei zentralsten Punkte, die wir angesprochen ha ben.

Zu dem Kompromissvorschlag, der uns jetzt vorliegt: Wie ge sagt, das ist schon einmal ein Anfang. Es werden viele Schnit zer ausgemerzt, aber in dem Vorschlag sind immer noch eini ge Probleme enthalten, die wir sehen. Zum einen wurde schon vielfach beteuert: „Artenschutz kostet nun einmal etwas.“ Ja, das mag sein. Allerdings wird das, was man dem Eckpunkte papier entnehmen kann, wahrscheinlich pro Jahr zu Kosten führen, die mindestens im zweistelligen Millionenbereich lie gen, und wir sind gespannt, wer das am Schluss bezahlen soll. Tun dies die Verbraucher?

(Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Schön wär’s!)

Man weiß es nicht. Wahrscheinlich kaufen sie dann lieber Pro dukte aus Neuseeland oder aus Südtirol.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Die FDP will wieder gar nichts machen!)

Muss es dann das Land machen? Wer macht es dann? Der Landwirt, der auf Erträge verzichten will? Das kann man schon einmal in Zweifel ziehen. Damit kommen wir zu dem Punkt, bei dem wir bereits beginnen, kontraproduktiv zu han deln. Wenn die Produkte teurer werden, wenn wir mehr Öko landbau haben usw. und der Rest Europas, der Rest Deutsch lands nicht mitmacht, dann importieren wir eben mehr Wa ren, die unter ganz anderen Bedingungen hergestellt werden.

Dabei stellt sich die Frage, ob wir das wirklich wollen und ob das ein Beitrag zum globalen Artenschutz ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Wollen wir nicht! – Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

Darüber hinaus kommt noch eine große Bürokratiebelastung auf uns zu, mit Dokumentations- und Kontrollpflichten, die neu dazukommen. Das wird auch noch einmal spaßig für je ne werden, die dem nachkommen müssen – sowohl für die Behörden als auch für die Betroffenen.

Darum glauben wir, dass in dem Eckpunktepapier auf jeden Fall noch Verbesserungspotenzial vorhanden ist, und hoffen, dass etwas passiert. Wir stehen ebenso für den Artenschutz ein und sehen ihn ebenso als wichtig an. Allerdings stehen wir auch an der Seite der Landwirte und sehen, welche Heraus forderungen dies mit sich bringt. Wir wollen ein Vorgehen mit Maß und Mitte und den Einsatz von Innovationen, bevor wir die Gesetzeskeule schwingen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Nun darf ich die Regie rung ans Redepult bitten. Zuerst spricht Herr Minister Unter steller.

Frau Präsidentin, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Veröffentlichungen der letz ten Monate anschaut, dann stellt man fest, dass wir in einer Situation sind – nicht nur bei uns, sondern weltweit –, in der die Natur massiv in die roten Zahlen rutscht. Zuletzt ist dies noch einmal durch eine Veröffentlichung des Weltbiodiversi tätsrats dokumentiert worden. Es sind Hunderte von Fachleu ten, die regelmäßig, alle paar Jahre, einen Bericht herausge ben. In diesem Frühjahr hieß es darin: Von den acht bis neun Millionen Arten, die es weltweit gibt, sind eine Million Arten in den kommenden Jahren gefährdet und vom Aussterben be droht.

(Abg. Hans Peter Stauch AfD: In Deutschland!)

Das heißt unterm Strich – ich sage es einmal so drastisch –: Wir vernichten, was uns am Leben hält, und lösen damit so zusagen, wenn es so weitergeht, unsere eigene Lebensversi cherung auf.

(Zurufe von der AfD: Windräder!)

Und was ausgestorben ist – das wissen wir –, ist dann für im mer und ewig verloren.

(Zuruf: Das heißt Reproduktion!)

Auch bei uns im Land ist dieser Artenschwund zu verzeich nen. Das haben die kürzlich von meinem Staatssekretär vor gestellten ersten Ergebnisse der Untersuchungen der LUBW ebenfalls eindrucksvoll gezeigt. Wir stehen in der Verantwor tung, dieses Artensterben aufzuhalten.

Herr Kollege Stoch, ich muss mich schon etwas darüber wun dern, was Sie hier ausgeführt haben. Sie haben ein wenig den

Eindruck erweckt, als hätten wir hier jahrelang geschlafen und nichts gemacht.

(Abg. Reinhold Gall SPD: In den letzten drei! – Hei terkeit)

Nein, dem muss ich widersprechen. Auch nicht in den letz ten drei, lieber Herr Kollege Gall.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE zu Abg. Reinhold Gall SPD: Sag mal! – Abg. Reinhold Gall SPD: Entschul digung, was ist passiert? – Weitere Zurufe – Unruhe)

Ich will Ihnen nur einmal ein Beispiel nennen: Diese Landes regierung und die sie tragenden Fraktionen von Grünen und CDU haben beispielsweise ein Sonderprogramm in Höhe von über 36 Millionen € beschlossen, das über zwei Jahre laufen soll

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig! – Abg. Andreas Stoch SPD: Wir sprechen hier von Landwirtschaft!)

und bundesweit seinesgleichen sucht. Davon gehen 13,5 Mil lionen € in den Haushalt des Kollegen Hauk, 13,5 Millionen € in meinen Haushalt und 3,5 Millionen € in den Haushalt des Kollegen Hermann.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wir haben landesweit ein Monitoringprogramm über 6 Milli onen €, das ebenfalls seinesgleichen sucht und um das uns an dere Bundesländer – das versichern mir die Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundesländer immer wieder – benei den.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Überwiegend habt ihr Per sonalstellen aufgebaut in dem Bereich!)

Wir haben das Moorschutzprogramm in den letzten Jahren in tensiviert. So könnte ich Ihnen noch vieles Weitere nennen.

(Abg. Hans Peter Stauch AfD: Warum haben wir dann die Probleme?)

Aber – jetzt kommt das Aber – es ist bei uns so wie auch an derswo: All diese Initiativen reichen nicht aus, um den Arten schwund zu stoppen. Das war in Bayern sozusagen die Initi ative für das dortige Volksbegehren. Jetzt muss ich auch ein mal sagen: In Bayern gingen innerhalb von 14 Tagen 1,4 Mil lionen Menschen in die Rathäuser. Daran sieht man, dass die ses Thema in der Gesellschaft angekommen ist und die Leu te umtreibt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Und bei uns war es auch notwendig!)

Ich finde es erst einmal positiv,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Richtig!)

dass es so ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Habe ich doch gesagt! – Abg. Reinhold Gall SPD: Darum geht es!)

Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass wir uns heute so intensiv mit dem Problem auseinandersetzen,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir auch nicht!)

wie wir die biologische Vielfalt in unserem Land erhalten kön nen und was wir, die Landesregierung, noch weiter tun kön nen. Das ist auch ein Verdienst der Initiatoren des Volksbe gehrens hier in Baden-Württemberg. Damit habe ich über haupt kein Problem.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)