Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

(Unruhe – Ministerin Dr. Susanne Eisenmann unter hält sich mit Minister Thomas Strobl und Staatsse kretär Wilfried Klenk.)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe auf der Regierungsbank bitten, damit Frau Abg. Lösch ihre Rede fortsetzen kann.

Und ich habe zu meiner Mi nisterin Blickkontakt.

(Zuruf: Und dem Parlament nicht den Rücken zuwen den!)

Danke schön.

Wie Sie wissen, haben wir uns beim „Gute Kita“-Gesetz aus den zehn Handlungsfeldern für drei entschieden: für die Fachkräfteoffensive, für die Weiter qualifizierung der Kindertagespflege und vor allem für die Stärkung der Leitungen von Kindertagesstätten.

Mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes, des Finanzausgleichsgeset zes und der Kindertagesstättenverordnung werden die Rechts grundlagen geschaffen, um die Bundesmittel aus dem „Gute Kita“-Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität in den Ki tas nach Baden-Württemberg zu bekommen. Dafür wurde im FAG auch ein neuer § 29 e eingeführt.

Mit dem „Gute Kita“-Gesetz unterstützt der Bund die Länder bis 2022 mit insgesamt 5,5 Milliarden €, wovon rund 730 Mil lionen € nach Baden-Württemberg fließen. Das heißt, wir er halten – leider nur befristet – im Jahr 2019 Fördermittel in Hö he von 65,7 Millionen €. Im Jahr 2020 sind es 132 Millionen € und in den Jahren 2021 und 2022 jeweils rund 265 Millio nen €.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Infolgedessen, dass die Bundesmittel befristet sind – 2022 –, sind natürlich auch die entsprechenden gesetzlichen Regelun gen zeitlich befristet.

(Abg. Daniel Born SPD: Das machen andere Bundes länder anders! So natürlich ist das nicht! Das ist Ihre Entscheidung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wünschenswert wäre natür lich, dass der Bund die Mittel unbefristet zur Verfügung stellt.

(Abg. Daniel Born SPD: Ja!)

Wie schon erwähnt, wird der überwiegende Teil der Bundes mittel für die Leitungszeit investiert. Ich bin der 4-K-Konfe renz sehr dankbar für den Hinweis, dass es sich nicht um ei ne Leitungsfreistellung handelt – dieser Begriff suggeriert ja, es würde sich um eine Freistellung von der eigentlichen Ar beit handeln –, sondern der Begriff Leitungszeit viel sachge rechter ist, da es sich um eine reguläre Arbeit im Rahmen des Berufsbilds, nämlich um Arbeitszeit mit besonderen Aufga ben, handelt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Norbert Beck CDU)

Die Leitungsfunktion in einer Kindertageseinrichtung hat sich zu einer vielschichtigen Aufgabe entwickelt, die mit der Füh rung eines kleinen Unternehmens durchaus vergleichbar ist. Die Kitaleitung ist verantwortlich für die pädagogische Qua lität, die Personalführung, die Öffentlichkeitsarbeit und viel fältige Managementaufgaben. Die Stärkung der Leitungen von Kindertageseinrichtungen ist ein vonseiten der Beschäftigten und der Träger seit Jahren verfolgtes Anliegen. Wir begrüßen es sehr, dass die Stärkung der Leitung nun endlich gesetzlich verankert wird.

(Abg. Daniel Born SPD: Aber die Verwaltungsaufga ben stehen doch gar nicht im Gesetz drin!)

Das ist dringend notwendig, Kollege Born, denn der Länder monitor „Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung zeigt auf, dass der Anteil von Kitas ohne ausgewie sene Leitungszeit in Baden-Württemberg bei 20 % liegt,

(Abg. Daniel Born SPD: Schlimm genug!)

und nur Hessen, Berlin und Bremen schneiden schlechter ab.

(Abg. Daniel Born SPD: Ja!)

Das gilt übrigens auch unabhängig von der Größe der Einrich tungen. So haben 27 % der kleinen und 20 % der mittelgro ßen Kitas keine Leitungszeit, und auch in 12 % der großen Kitas steht keine Zeit für Leitungsaufgaben zur Verfügung.

Deshalb ist es begrüßenswert, dass im vorliegenden Gesetz entwurf nun eine verbindliche Regelung der Leitungszeit mit sechs Stunden pro Woche als Sockel für alle Kitas vorgese hen ist, zuzüglich zwei Stunden pro Gruppe ab der zweiten Gruppe. Eine Deckelung der Leitungszeit für große Einrich tungen ist nicht vorgesehen. So wird es nun im Kindertages betreuungsgesetz und in der Kindertagesstättenverordnung verankert.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Eine weitere Verbesserung für die Kindertagespflege haben wir angestrebt – auch eine gesetzliche Verankerung der Kin dertagespflege jenseits der Kindertagesstättenverordnung –, und zwar mit einem Prüfauftrag an das Kultusministerium, wie und wo die Kindertagespflege zukünftig im Kindergar tengesetz gesetzlich verankert wird.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den zweiten Gesetz entwurf – Gesetz zur Einrichtung des Forums Frühkindliche Bildung Baden-Württemberg – zu sprechen kommen. Ich fin de es gut, dass wir ab 1. Januar 2020 auch in Baden-Württem berg ein Forum Frühkindliche Bildung haben werden, denn durch die Einrichtung dieses Forums erhält die frühkindliche Bildung im Kultusministerium auch den angemessenen Stel lenwert, der ihr zusteht.

Die Aufgabe des Forums ist es, die Qualität in der Kinderta gesbetreuung durch wissenschaftlich fundierte Begleitung zu sichern und weiterzuentwickeln und die Vernetzung von Pra xis und Theorie sowie den Wissenschaftstransfer zu ermögli chen.

Es darf keine Konkurrenz zu den bisher bestehenden QM-Sys temen und Gütesiegeln der freien Träger und der Kommunen

entstehen. Ich glaube, dass es sehr wohl so sein kann, dass die freien Trägerverbände mit ihren bestehenden QM-Systemen die Arbeit im Forum bereichern werden und dass man sich, wie in der Vergangenheit, gemeinsam für die Qualifizierungs programme entscheiden wird.

Ich glaube, wir sind in Baden-Württemberg nur deshalb so gut, weil wir eine Verantwortungsgemeinschaft haben und in dieser Verantwortungsgemeinschaft sowohl die freien Träger wie die Kommunen, die Kirchen wie auch das Land gemein sam arbeiten. Ich erwarte mir vom Forum Frühkindliche Bil dung natürlich eine wissenschaftliche Unabhängigkeit und dass alle Beteiligten wie in der Vergangenheit auch mit ein bezogen werden. Ich freue mich darauf, dass das Forum am 1. Januar 2020 seine Arbeit aufnimmt. Wo, weiß man ja noch nicht, aber vielleicht gibt es jetzt schon geeignete Räumlich keiten für das Forum.

Ich freue mich, über diese zwei Gesetzentwürfe heute abstim men zu können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Becker.

(Abg. Norbert Beck CDU: Guter Mann! – Abg. Tho mas Blenke CDU: Erste Rede! – Abg. Anton Baron AfD: Erste Rede! Dann lassen wir die Zurufe weg!)

Herr Kollege Dr. Becker hält seine erste Rede. Auch hier die Bitte, insgesamt ruhig zu sein und keine Zwischenfragen zu stellen. – Danke.

(Beifall des Abg. Norbert Beck CDU)

Kein Problem. – Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Insgesamt stellt der Bund im Rahmen des „Gute Kita“-Gesetzes 5,5 Milliarden € bis 2022 bereit. Rund 720 Millionen € werden davon nach Ba den-Württemberg fließen, jährlich aufwachsend auf über 260 Millionen € ab 2021. Sie haben die Zahlen ja gehört. Ich muss sie nicht weiter aufschlüsseln.

Das Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgeset zes, des Finanzausgleichsgesetzes und der Verordnung zur Än derung der Kindertagesstättenverordnung, um den Titel ein mal in voller verwaltungsjuristischer Pracht ausgesprochen zu haben, muss noch in diesem Jahr verkündet werden, damit keine Mittel verfallen. Einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul – so könnte man denken, doch das wäre hier falsch. Nicht nur weil wir als überzeugte Föderalis ten Bundesförderung immer beäugen und begutachten, um nicht durch das Danaergeschenk der Fördermittel unseren fö deralen Aufbau auszuhöhlen – diese Diskussion haben wir ja im Zusammenhang mit den Digitalisierungsmitteln geführt –, der genaue Blick lohnt sich in diesem Fall vor allem auch aus inhaltlichen Gründen.

(Beifall bei der CDU)

Denn Baden-Württemberg hat mit diesem Geld viel vor. Wer mit Praktikern über die vorgesehenen Maßnahmen spricht,

erntet Beifall, mitunter sogar begeisterte Zustimmung. Mit dem „Pakt für gute Bildung und Betreuung“ legt das Land au ßerdem noch bis zu 80 Millionen € jährlich dazu – viel Geld also, das in den kommenden Jahren in die Qualitätssicherung investiert wird.

Der „Pakt für gute Bildung“ und die Umsetzung des „Gute Kita“-Gesetzes sind dabei eng miteinander verzahnt und in den Maßnahmen aufeinander abgestimmt. Der wesentliche Aspekt ist die verstärkte Aus- und Weiterbildung von Erzie herinnen und Erziehern und der Kitaleitungen sowie von Ta gesmüttern und Tagesvätern. Ja, auch Letztere gibt es, und sie spielen als männliche Bezugspersonen eine besondere Rolle.

Die zentrale Steuerungsmaßnahme ist für uns die Bereitstel lung von Leitungszeit, wie die Kollegin ausgeführt hat, für pädagogische Aufgaben. Knapp 442 Millionen € sind hierfür in vier Jahren vorgesehen. Wohlgemerkt, nicht für die weite re Übernahme von Verwaltungstätigkeit, sondern für pädago gische Leitungsaufgaben wie die Erarbeitung und Umsetzung eines pädagogischen Konzepts, die Teamentwicklung in der Einrichtung sowie für die Interaktion mit Eltern und Kindern sind diese Mittel gedacht.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Zur Stärkung der pädagogischen Arbeit gehört auch die regel mäßige Fort- und Weiterbildung der Kitaleitungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich kurz auf ein mögliches Missverständnis eingehen. Bei frühkindli cher Bildung geht es nicht um eine wie auch immer gedach te Optimierung von Kindern, sondern es geht darum, Schwä chen zu erkennen und auf Defizite zu reagieren, Stärken zu stärken und z. B. beim Spracherwerb oder bei der Motorik ge nau hinzuschauen. Damit ist die Stärkung der frühkindlichen Bildung vor allem auch ein Beitrag zu mehr Chancengerech tigkeit und zur Partizipation. Um das vernünftig anzugehen, gerade auch für die Bewältigung des Übergangs in die Grund schule, ist Arbeitszeit erforderlich. Oder wie man bei den Ein satzkräften sagt: Wer führen soll, darf selbst keine Arbeit ha ben.

Der zweite wichtige Punkt betrifft die Gewinnung von Fach kräften und die Aufwertung der Ausbildung. Die Fachkräfte offensive des Bundesfamilienministeriums verdreifachen wir von 339 Plätzen auf rund 1 000 Ausbildungsplätze. Anlei tungsstunden für PiA-Auszubildende und die Aufstockung von Unterrichtseinheiten für angehende Tagespflegerinnen von 180 auf 300 Unterrichtseinheiten bedeuten eine weitere, erhebliche qualitative Verbesserung der Ausbildung.

Die Kindertagespflege ist dabei für uns kein Notnagel, son dern ein wichtiger Bestandteil im Angebot. Sie ist flexibel und deckt Bedarfe ab, die mit klassischen Einrichtungen nicht zu decken sind.

Sowohl von der PiA-Ausbildung als auch von der Aufwertung der Tagespflege versprechen wir uns viel. Beide Wege spre chen Personen an, die als Umsteiger oder aufgrund eigener Erfahrungen als Eltern eine andere Sichtweise mitbringen, als dies in der bisherigen Erzieherinnenausbildung in der Schule der Fall ist. Wir berücksichtigen damit Lebenserfahrung im Umgang mit Kindern endlich einmal stärker. So entstehen ge mischte Gruppen auf pädagogischer Seite.

Der dritte Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist die Grün dung des Forums Frühkindliche Bildung aus dem „Pakt für gute Bildung“. Dieses Forum ist von zentraler Bedeutung mit Blick auf die Vernetzung der Akteure, auch für den Austausch von Theorie und Praxis und damit für die Qualitätsentwick lung der pädagogischen Arbeit.