Protokoll der Sitzung vom 11.12.2019

vieler Phrasen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das reicht nicht, um das Land Baden-Württemberg erfolgreich in die Zukunft zu führen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir über die Zukunft dieses Landes Baden-Württem berg sprechen, dann müssen wir auch über diesen Doppel haushalt sprechen; dann ist dieser Doppelhaushalt eine wich tige Prüfmarke, ob diese Regierung diesem Anspruch gerecht wird.

Ich schicke voraus: Die Voraussetzung für erfolgreiches Re gierungshandeln ist wahrscheinlich so gut wie noch nie in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg. Die Steuerein nahmen sind auf Bundes-, Landes- und auch auf kommuna ler Ebene so gut wie noch nie. Durch die zuletzt entstandenen Effekte der Steuermehreinnahmen, der Steuerschätzungen und auch der Bußgelder, die aus der Automobilindustrie kamen, hat diese Landesregierung einen großen Handlungsspielraum.

Die Frage ist nur: Nutzt sie diesen Handlungsspielraum auch für die richtigen Ausgaben? Denn allein Geld auszugeben, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist überhaupt keine Leistung für eine Regierung. Es geht darum, dass Geld in die richtigen Felder investiert wird – und das tun Sie nicht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Rudi Fischer FDP/ DVP)

Ein Beispiel ist doch das Verhalten gegenüber den Kommu nen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das haben wir doch geklärt, Herr Kollege! Zeitung lesen! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Zeitung lesen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das haben wir getan!)

Das Verhältnis der Kommunen zu dieser Landesregierung ist – ich glaube, das kann man mit Fug und Recht behaupten – von erheblichem Misstrauen geprägt. Vor zwei Jahren, bei der Einbringung des letzten Doppelhaushalts in diesen Landtag, hat es diese Landesregierung – erstmals seit Jahrzehnten – nicht geschafft, mit der kommunalen Seite eine Einigung her beizuführen. Sie sind mit voller Kraft gegen den Brückenpfei ler geknallt und haben sich die eine Seite Ihres Autos ziem lich ruiniert.

(Abg. Nese Erikli GRÜNE: Quatsch!)

Dieses Mal war es wieder das gleiche Thema: Die Kommunen erbringen wichtige Aufgaben, die sie gar nicht originär zu fi nanzieren haben. Beispiele sind die Unterbringung von Flücht lingen und die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes.

Die Landesregierung brauchte tatsächlich bis Anfang dieser Woche, um eine Einigung mit den Kommunen herbeizufüh ren. Das stiftet kein Vertrauen bei den Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist gut, dass inzwischen eine Einigung herbeigeführt wur de – die höchst überfällig war. Aber wenn ich in dieser Wo che lese, dass Frau Eisenmann, Spitzenkandidatin der CDU, gegenüber Frau Sitzmann, Finanzministerin, öffentlich erklärt, dass die Kommunen zu Recht auf dem Geld bestehen und dass eine gesetzliche Regelung notwendig ist, dann sage ich Ihnen: Das Gleiche habe ich an dieser Stelle bereits vor vier Wochen gesagt. Es hat viel zu lange gedauert. Ich bin froh, dass jetzt alles auf dem richtigen Weg ist. So geht man allerdings nicht mit den Kommunen in Baden-Württemberg um.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir müssen in einer solchen Haushaltsdebatte, gerade in der Generaldebatte, natürlich über die großen Fragen diskutieren, nämlich: Was sind die Zukunftsaufgaben dieses Landes? Die großen Aufgaben dieses Landes sind beispielsweise mehr Be mühungen beim Klimaschutz, aber auch die Bewältigung der Großen Transformation – der Transformation in unserer Ge sellschaft, aber vor allem auch in unserer Wirtschaft.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir diese He rausforderungen bewältigen wollen, dann müssen wir sie jetzt angehen. Wir dürfen nicht nur zuschauen.

Gerade beim Klimaschutz müssen wir auch auf die Leistungs bilanz dieser Landesregierung blicken. Dabei stellen wir fest, dass diese Regierung aus Grünen und CDU sowohl beim The ma Energiewende als auch beim zentralen Thema Mobilitäts wende keinen Meter weiterkommt, weil zwischen den Partei en schwerwiegende ideologische Unterschiede bestehen, weil die Regierung bei diesen wichtigen Zukunftsthemen keine Schnittmenge hat. Daraus kann keine gute Politik entstehen.

(Beifall bei der SPD)

Bei der zweiten großen Herausforderung, nämlich den Trans formationsprozessen in unserer Wirtschaft, fehlt mir bei der Landesregierung jedes Anzeichen der notwendigen Ernsthaf tigkeit. Wir stehen vor gewaltigen wirtschaftlichen Verände rungen. Es wurde bereits angesprochen – Herr Kollege Rein hart hat es gesagt –: Die Aussagen darüber, was in den nächs ten Wochen und Monaten im Bereich der Arbeitsplätze in Ba den-Württemberg passiert, müssen uns Sorgen machen.

In der Wirtschaft laufen derzeit mehrere Veränderungsprozes se gleichzeitig.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Das war doch vorhersehbar! Ist doch nichts Neues!)

Das ist u. a. der Prozess der Digitalisierung. In der wichtigen Automobilindustrie finden erhebliche Umwälzungen statt. Deswegen ist es gerade dort besonders wichtig, dem Hand lungsbedarf auch politisch zu entsprechen.

Wenn es um Arbeitsplätze geht, hören wir allerdings von der Landesregierung, von dem Verkehrsminister – es ging um die Frage der Ansiedlung der Automobilfirma Tesla in BadenWürttemberg –, dass das Land Baden-Württemberg gar nicht so besonders scharf auf diese Firma gewesen sei.

(Lachen bei der AfD – Abg. Martin Rivoir SPD: „Missverständnis“!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen Sie sich doch mal vor die zigtausend Menschen, die Angst um ihren Arbeits platz haben, die Arbeit suchen, und lassen einen solchen Spruch los. Das ist zynisch gegenüber den Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dass die Grünen nicht klatschen, ist mir klar. Dass die CDU deutlich sichtbar nickt, ist aber auch ein klares Zeichen für diese Landesregierung.

Herr Ministerpräsident Kretschmann, wo waren denn Sie, oder wo waren Sie, Herr Verkehrsminister Hermann, oder Sie, Frau Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut, am 22. November, als da drüben auf dem Stuttgarter Schlossplatz ca. 15 000 Be schäftigte, organisiert von der IG Metall, aus Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze demonstriert haben?

Diese Menschen haben Angst davor, dass sie durch Rationa lisierung, Digitalisierung, aber vor allem durch die weiteren Umwälzungen im Automobilbereich ihren Arbeitsplatz ver lieren werden. Diese Menschen lassen sich nicht von wohl feilen Phrasen, wie Sie sie heute Morgen im Parlament ver breitet haben, besänftigen. Diese Menschen brauchen konkre te Antworten. Diese Menschen brauchen Qualifizierung und Weiterbildung. Diese Menschen brauchen Arbeitsplätze in Ba den-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Wie sieht es denn aus? Was macht das Land gerade? Wir for dern die Wirtschaft auf, sich auf diesen Wandel einzustellen. Wir fordern die Bürgerinnen und Bürger auf, sich für diesen Wandel fit zu machen. Wir fordern gewaltige Anstrengungen von allen. Aber das muss dann eben auch für die Landesre gierung, für den Staat gelten.

Deswegen ist es umso verwunderlicher, wofür diese Landes regierung glaubt Geld ausgeben zu müssen. Verwunderlich ist auch – das habe ich schon vor vier Wochen gesagt –, wenn diese Landesregierung glaubt, durch die Erhöhung von Rück lagen und das Anlegen von Geld auf dem Sparbuch etwas für die Zukunft dieses Landes tun zu können. Das Land darf nicht nur den Wandel bei anderen fordern, sondern muss den Wan del selbst konkret gestalten.

Wir wollen, dass unser Land in die Gänge kommt. Firmen, Beschäftigte, Forschung und Bildung sind da die zentralen Aufgabenfelder. Das muss dringend angegangen werden. Aber dann muss auch die Landesregierung größere Schritte machen. Es reicht nicht, nur das Ziel zu definieren. Wir müssen ge meinsam auch dafür sorgen, dass möglichst alle Menschen an dieses Ziel kommen können, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Peter Hofelich SPD: Sehr richtig!)

In dieser Frage und in vielen anderen Fragen reicht es eben nicht, nur zu sagen, das passiere schon von allein oder die Wirtschaft werde es schon machen. Wir brauchen Rahmenbe dingungen, die vom Staat, von unserem Gemeinwesen orga nisiert werden müssen. Der Staat ist die Organisationsform, die dafür sorgen muss, dass nicht die Einzel- und Individual interessen obsiegen, sondern das Gemeinwohl im Mittelpunkt steht.

Deswegen ist es wichtig, dass wir den Menschen Antworten geben. Draußen demonstrieren Menschen, weil sie Sorge um Klima- und Artenschutz haben. Genauso demonstrieren Men schen, weil sie sich um bezahlbaren Wohnraum in diesem Land sorgen. Die Menschen demonstrieren, weil sie Angst vor

dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir diese Ängste nicht ernst neh men und uns hier im Parlament ständig nur erzählen, wie schön und gut alles laufe, dann werden wir irgendwann nicht mehr ernst genommen, und dann verliert vor allem auch der Staat seine Autorität. Wir alle müssen dafür sorgen, dass der Staat die Autorität hat, dass die Menschen auch glauben kön nen, dass hier Lösungen entstehen und nicht nur wohlfeile Sprüche.

(Beifall bei der SPD – Abg. Rüdiger Klos AfD: Das sagt der Richtige! – Zuruf von der AfD: An die eige ne Nase fassen!)

Deswegen müssen wir handeln. Dieses Land, diese Landes regierung muss handeln. Die Ausgangslage ist gut; ich habe es erwähnt. Die baden-württembergische Wirtschaft läuft noch immer gut, und dank des Fleißes und des Ehrgeizes aller Men schen in diesem Land haben wir noch immer hohe Einnah men aus Steuern und Abgaben. Deswegen steht viel Geld zur Verfügung.

Es reicht aber nicht, nur Material, Pläne und Geld zu haben. Wir brauchen das Material nicht im Keller, wir brauchen das Geld nicht auf dem Konto, und wir brauchen uns die Pläne auch nicht einzurahmen. Wir müssen alles zusammennehmen und endlich loslegen.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Sozialistische Logik!)

Dieses Land ist in den letzten dreieinhalb, vier Jahren von al lein gelaufen. Da fiel ein zurückhaltender Staat nicht sonder lich auf. Jetzt aber, in dieser Umbruchphase, ist ein handlungs fähiger Staat, der die Themen aufgreift, ein extrem wichtiges Instrument.

Es gibt noch eine weitere wichtige Aufgabe: Der Wandel wird unsere Gesellschaft verändern. Darum ist es auch eine gesell schaftliche Aufgabe, diesem Wandel zu begegnen. Der Wirt schaft geht es noch gut, aber die Spaltung in unserer Gesell schaft nimmt zu. Wenn Sie den Menschen zuhören, die z. B. über steigende Mieten berichten, dann stellen Sie fest, dass viele Menschen inzwischen nicht mehr nur etwa ein Drittel ihres Einkommens für Wohn- und Mietkosten aufwenden, sondern in manchen Städten die 50-%-Grenze mittlerweile überschritten ist.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Höherbelastung!)

Diesen Menschen können wir nicht sagen, weil das Land jähr lich 250 Millionen € zur Verfügung stelle, entstünden in den nächsten Jahren einige Wohnungen mehr. Wir brauchen in ganz Deutschland, aber besonders im Land Baden-Württem berg mit seiner wachsenden Einwohnerzahl dringend eine Wohnraumoffensive, die diesen Namen auch verdient. Wenn Sie im Land unterwegs sind und mit Bürgermeistern sprechen, stellen Sie fest, dass diese das Problem haben, dass die Grund stücke fehlen.

(Abg. Karl Klein CDU: Aber warum?)

Aber auch wenn sie Grundstücke haben, fehlt ihnen oft das Instrumentarium. Dann reicht es nicht, wenn ein privater In vestor dieses Grundstück kauft – was der Gemeinde natürlich

zunächst einmal Geld in die Kasse spült –; denn wir brauchen Wohnraum, der für einen breiten Teil der Bevölkerung bezahl bar ist.