Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

(Beifall bei der AfD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Brauer.

(Abg. Tobias Wald CDU: Aber jetzt etwas zum Haus halt! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Jetzt gibt es vielleicht noch Hoffnung! Ich bin ge spannt! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Für den Fiechtner nicht mehr!)

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushalte ruiniert man in guten Zeiten. Leider trifft dieser Spruch auch auf den Doppelhaushalt 2020/2021 zu. Dieser wird wohl heute nach der dritten Lesung unser künftiger Haushalt werden. Fraglich ist nur, ob er auch zukunftsfähig ist. Ich behaupte, nein – zum

einen, weil es der Job eines Oppositionspolitikers ist, Schwä chen im Haushalt aufzudecken, zum anderen, weil Sie mir so viele Gelegenheiten geben, Kritik zu üben. Es ist geradezu fahrlässig, wie Ihre Politik unter dem Spruch „Haushalte rui niert man in guten Zeiten“ subsumiert werden kann.

(Beifall der Abg. Daniel Rottmann AfD und Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos])

Die Frage ist nämlich nicht, ob wir im Südwesten wirtschaft lich gute Zeiten hatten und ob das Land während dieser zehn jährigen Wachstumsphase hohe Einnahmen generiert hat. Das war unstreitig der Fall. Die Frage ist, ob wir mit Ihren Schwer punktsetzungen, mit den Themen, die diese Landesregierung für wichtig hält, auch das kommende Jahrzehnt erfolgreich bestreiten können.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Daniel Rottmann AfD und Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Prognosen sind dann besonders schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Deshalb beginne ich lieber einmal mit der Gegenwart. Das ist einfacher, vor allem wenn man bereit ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Die Arbeitsplatzauswirkungen werden in der Regel als Spät indikatoren für die konjunkturelle Entwicklung angesehen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: „Spätin dikatoren“!)

Wenn nun bereits jetzt Stellenabbaupläne veröffentlicht wer den, so lässt dies auf eine Rezession schließen, eine Rezessi on, die schon lange begonnen hat.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Für die baden-württembergische Industrie sah es nämlich be reits seit Ende 2018 nicht mehr so rosig aus. Dass die anhal tende künstliche Niedrigzinsphase durch die Geldpolitik der EZB und die noch stabile Binnenkonjunktur dem insgesamt entgegengewirkt haben und noch immer entgegenwirken, kann nicht über die bevorstehenden Entwicklungen hinweg täuschen. Wir stehen an einem Scheideweg. Spätestens jetzt hätte man klug reagieren müssen. Denn es ist durchaus zu be fürchten, dass sich die Negativmeldungen verstetigen und uns nicht nur eine konjunkturelle Delle bevorsteht, sondern struk turelle Verwerfungen zu einer lang anhaltenden Rezession führen werden, wenn man jetzt nicht gegensteuert.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Daniel Rottmann AfD und Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los] – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [frakti onslos])

Betrachtet man die Weltwirtschaft, muss man schon ein gro ßer Optimist sein, um die Gefahren für die Wirtschaft in un serem Land zu übersehen. Wenn eine Teileinigung im globa len Handelsstreit zwischen den USA und China schon als Sil berstreif am Horizont interpretiert wird, ist es um die Welt wirtschaft nicht gut bestellt. Wenn nach der Wahl in Großbri tannien der Brexit zur traurigen Gewissheit wird, hat dies Aus wirkungen auf die Wirtschaft in unserem Land.

(Abg. Thekla Walker GRÜNE: So ist es!)

Das Vereinigte Königreich ist der fünftgrößte Exportpartner Deutschlands. Schon prozentual niedrigere Einbrüche werden wir deutlich spüren.

Was ist mit dem Rest der Europäischen Union? Uneinigkeit im Umgang mit dem Klimawandel und tiefe Zerwürfnisse bei der Steuerung der Zuwanderung; nach wie vor keine Einigung bei der Bankenunion und in Bezug auf den Schuldenberg man cher Mitgliedsstaaten. Das alles sind ungeklärte Rahmenbe dingungen, die alles andere als geeignet erscheinen, um die europäischen Volkswirtschaften in ruhigeres Fahrwasser zu bringen.

Diese exogenen Faktoren sind nur bedingt vorhersehbar und kaum von Baden-Württemberg zu beeinflussen. Sie geben die Leitplanken vor, innerhalb derer wir uns in den nächsten Jah ren bewegen. Die Frage ist also, wie wir uns verhalten, wie sich Baden-Württemberg als Land verhält, wie wir uns anpas sen, um unseren Wohlstand zu erhalten und dauerhaft zu si chern.

Dabei geht es nicht nur um landespolitisches Klein-Klein, bzw. es sollte nicht darum gehen. Auch hier bei uns muss in großen Linien gedacht werden, um den Bürgerinnen und Bür gern im Land eine Perspektive für ihr Leben zu geben. Es geht bei uns Gott sei Dank für die allermeisten nicht um das Über leben, sondern darum, das eigene Potenzial zu entwickeln, ökonomisch zu prosperieren und ihre Freiheit bestmöglich für sich und andere zu nutzen.

Bildung spielt hier die zentrale Rolle. Bildung ist zwar die wichtigste Ressource, sie darf aber nicht nur funktional für die Erzielung eines guten Einkommens oder, volkswirtschaft lich, für die Deckung des Arbeitskräftebedarfs betrachtet wer den. Bildung ist Selbstzweck, ist als Selbstausformung geis tiger Kräfte Zweck an sich und unmittelbarer Garant für un sere Demokratie und für die Selbstbestimmung des Menschen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Leider gilt die Formel „Viel Geld gleich gute Bildung“ nicht automatisch. Klar muss sich die Wertschätzung auch im Haus halt widerspiegeln. Deshalb haben wir den Änderungsanträ gen der Regierungsfraktionen für über 1 000 neue Lehrerstel len auch zugestimmt. Viel wichtiger ist aber der gezielte Ein satz dieser Mittel. Es gibt Defizite in Mathematik und Deutsch, wenig Affinität zu Technik und Naturwissenschaften, geringe Leistungsorientierung sowie zunehmend psychische Auffäl ligkeiten.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los] – Zuruf von der AfD: Ja!)

Das Ganze wird dann abgerundet durch eine angebliche Stu dierfähigkeitsquote von fast 80 %. Das duale System, einst Vorzeigemodell in Baden-Württemberg, wird zum Auslauf modell. Bravo, Baden-Württemberg!

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los] – Abg. Martin Grath GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht!)

Während es bei der schulischen Bildung am richtigen Um gang mit Geld mangelt, fehlt dieses bei den Hochschulen an allen Ecken und Enden. Immer mehr Studierende mit schlech ten Voraussetzungen werden mit den identischen Ressourcen wie vor zehn Jahren zum Bachelor und Master geschleust. 1 000 € mehr pro Student wären erforderlich gewesen. Es kreißte der Berg und gebar: eine Maus. 257 € zusätzliche Mit tel je Student waren dieser Landesregierung die Hochschulen wert.

Bildung und Wissenschaft sind nur langfristig wieder auf die richtige Spur zu setzen. Kurzfristig müssen andere Maßnah men ergriffen werden, damit wir den Anschluss nicht verlie ren.

Dem drohenden Abbau von Arbeitsplätzen in der Automobil industrie muss schnell begegnet werden. Man könnte sich na türlich ordnungspolitisch argumentierend zurücklehnen und sagen: „Die Automobilindustrie hat beschissen, sie hat strate gische Fehler gemacht, und sie hat zu lange aufs falsche Pferd gesetzt. Der Markt wird jetzt bereinigt.“ „Riding a dead hor se“ ist die entsprechende Metapher aus dem Wilden Westen: ein totes Pferd reiten.

(Zuruf: Ja!)

Mit dem toten Gaul ist der Verbrennungsmotor gemeint. Al lerdings hinkt der Vergleich an allen Ecken und Enden. Ers tens ist der Gaul – der Verbrennungsmotor und insbesondere der Diesel – nicht tot, sondern nur angeschossen, und zwei tens haben die Grünen die qualmende Knarre noch in der Hand. Sie haben das Pferd angeschossen,

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

haben also die strategisch schlechte Situation für die Automo bilindustrie in unserem Land selbst mutwillig herbeigeredet und herbeigeführt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos] – Zurufe von der AfD, u. a.: Genau so ist es! – Bra vo! – Zuruf der Abg. Thekla Walker GRÜNE)

Sich jetzt auf den Markt zu berufen und zu leugnen, dass man durch die einseitige Bevorzugung der E-Mobilität den Unter gang der Automobilproduktion im Südwesten selbst herbei geführt hat, ist mehr als zynisch.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD – Zuruf von der AfD: Richtig! Ja!)

Eine Wasserstoffoffensive, wie von uns gefordert, und geziel te Forschung bei synthetischen Kraftstoffen schaffen faire Wettbewerbsbedingungen, die wir dringend brauchen, um un sere Stärken weiter nutzen zu können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Egal, welche Antriebsart das Auto hat – ich unterstelle jetzt einmal, dass Autos nicht komplett verboten werden sollen –,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Na, na, na! – Heiterkeit – Zuruf von der AfD: Doch! – Zuruf des Ministers Winfried Hermann)

muss es eine Straße zum Fahren geben. – Ja, da muss man vorsichtig sein. Dieses Axiom führe ich jetzt einfach einmal mit. – Dass man bei uns vor allem im ländlichen Raum von Schlagloch zu Funkloch und vom Funkloch zum nächsten Schlagloch fährt, wäre durchaus kurzfristig zu ändern. Ein „Digital-Voucher“, wie von uns gefordert, um die Nachfrager schneller in die Lage zu versetzen, die Digitalisierung vor Ort voranzutreiben, und die umfassende Sanierung von Brücken und Landesstraßen sowie die Bereitstellung des 5G-Standards beim Mobilfunk sind Maßnahmen, die kurzfristig wirken und schnell ergriffen werden müssen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Eine mittelfristig wirkende Maßnahme wäre eine wirkliche Reform der Landesbauordnung gewesen, die das Bauen ver einfacht und verbilligt, anstatt den Bauherren und Architek ten weitere Steine in den Weg zu legen. Auch hier sind von den Regierungsfraktionen nur minimale Verbesserungen er zielt worden.

(Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Ihr ehemaliger Parteivorsitzender sagte einmal: Entschei dend ist, was dabei herauskommt. Stuttgart ist inzwischen die teuerste Stadt Deutschlands. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe)

Sie müssen Wohnungen bauen und nicht regulieren. Regula rien haben wir genug.

Finanzielle Spielräume für Immobilienkäufer ließen sich ganz einfach durch die Absenkung der Grunderwerbsteuer auf den alten Satz von 3,5 % erreichen. Frau Walker sprach hier ein mal von Mitnahmeeffekten, die sich aus einer solchen Steu ersenkung ergeben würden. Aus dieser Formulierung springt einen der Etatismus förmlich an. Er korrespondiert mit den feuchten Sozialismusträumen von Habeck, Kühnert & Co.

Es wird Sie nicht verwundern, dass wir diesem Zeitgeist ent gegentreten. Nicht der Bürger ist in der Erklärungspflicht, um das, was ihm gehört, behalten zu dürfen, sondern der Staat, der die Zwangsabgaben erhebt, muss begründen, warum er das tut und welche Ziele er damit verfolgt.

(Beifall bei der FDP/DVP)