Protokoll der Sitzung vom 05.02.2020

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Trennen Sie sich von den Grünen!)

Es gab einen Betrugsskandal, aber es gibt keinen Dieselskan dal.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Der Diesel wird gerade in Baden-Württemberg stetig weiter entwickelt. Der Diesel ist ein Teil der Zukunftslösung. Mit Scheuklappen werden wir die Herausforderungen bei den The men Klima und „Arbeitsplätze in der Automobilindustrie“ nicht lösen.

Die einen setzen die Priorität auf die batteriebetriebene E-Mo bilität, manche wollen sogar den Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2030 verbieten.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Ihr Koalitionspartner!)

Dabei übersehen diese, dass mit einem solchen Plan auch im Jahr 2030 noch mindestens drei Viertel der Fahrzeuge mit Ver brennungsmotor fahren werden – selbst wenn 50 % der Neu wagen E-Autos wären. Damit könnten die Klimaziele von Pa ris nicht erreicht werden. Die baden-württembergische Auto mobilindustrie läge am Boden –

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der AfD – Vereinzelt Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es!)

obwohl die Marktforschung von Bosch sagt, im Jahr 2030 würden weltweit noch zwei Drittel der Neuwagen als Verbren ner verkauft. Das zeigt: Wir werden das CO2-Problem nicht lösen können,

(Zuruf)

indem wir die Industrie in unserem Land kaputt machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP, Abgeordne ten der AfD sowie der Abg. Dr. Heinrich Fiechtner, Harald Pfeiffer und Stefan Herre [fraktionslos] – Ver einzelt Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Herr Abg. Mack, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Rottmann zu?

Nein. – Die FDP schlägt heute einen ähnlich einseitigen Weg vor – bloß andersherum:

(Vereinzelt Heiterkeit)

Elektroauto verteufeln, Rest prima. Das ist zu simpel gedacht. Das E-Auto ist ein Teil der Lösung, über Hybrid- und Was serstofflösungen können sich zudem neue Möglichkeiten er geben. Jedenfalls sei der FDP gesagt: In der sozialen Markt wirtschaft entscheiden die Kunden über den Erfolg eines Pro dukts.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Das machen sie ja gerade beim E-Auto!)

Herr Abg. Mack, lassen Sie – –

Nein, Frau Präsidentin. – Die entscheidende Frage für uns im Land lautet: Wie schaffen wir es, dass das Auto der Zukunft aus Baden-Württemberg kommt und hier produziert wird?

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Dazu müssen wir klare Ziele formulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD – Vereinzelt Beifall bei den Grünen und der SPD)

Erstens: Wir wollen zur Weltspitze der Motorenentwicklung gehören. Früher war das selbstverständlich, heute muss man das extra sagen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: „Wir wollen“!)

Japan reaktiviert gerade seine Grundlagenforschung für den Verbrennungsmotor – übrigens nach deutschem Vorbild. Chi na fährt ein massives Langfristprogramm zur individuellen Mobilität, in dem der Verbrennungsmotor ein unabdingbarer Bestandteil ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Ah!)

Es gibt Berichte, wonach baden-württembergische Hersteller ihre Grundlagenforschung zu Motoren nach China verlegen.

(Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Natürlich! Das ist doch klar!)

Tja, der Anschluss an die Weltspitze ist schnell verloren.

Deshalb zweitens: Der Weg zur emissionsfreien Mobilität muss wirklich technologieoffen sein. Nur so bleibt die Mobi lität für einen großen Teil der Bevölkerung bezahlbar. Erfah rene Wissenschaftler sagen, dass eine Sektorentrennung – al so Scheuklappen – zu falschen Anreizen und eindimensiona ler Technologieförderung führt. Deshalb muss ganz klar tech nologieoffen gehandelt werden.

Drittens: Wir müssen ein Programm für Investitionssicherheit auflegen und stringent verfolgen, und zwar investiv und regu latorisch, weil die Zeit drängt.

Nach der geltenden EU-Flottenregel dürfen Automobilherstel ler seit dem 1. Januar praktisch nur dann einen Verbrenner ver kaufen, wenn sie zuvor ein E-Auto verkauft haben. Dies muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Sie dürfen nur dann einen Verbrenner verkaufen, wenn sie zuvor ein E-Auto ver

kauft haben. Diese Vorschrift wird zu Recht als „E-Auto-Wet te“, als eine Wette gesehen. Im Moment ist also die Techno logiepolitik bei uns ein Lotteriespiel.

Manche in diesem Haus fordern, dass man die EU-Flottenre gel auch noch verschärfen soll. Wir brauchen aber stattdessen innovative Lösungen, und das heißt: Synthetische Kraftstof fe und grüner Wasserstoff müssen rasch für den Auto- und Schwerlastverkehr zugelassen werden. Dazu gibt es im Mo ment eine aktuelle Diskussion in der Bundesregierung. Syn thetische Kraftstoffe und Wasserstoff müssen in der EU-Flot tenregel umgehend anerkannt werden.

(Abg. Anton Baron AfD: Ah!)

Denn die EU-Flottenregel geht davon aus, dass nur der Strom aus der Steckdose CO2-neutral sei. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau so ist es! Aber das haben Sie doch mitbeschlossen!)

Synthetische Kraftstoffe, die im Verbrennungsmotor genutzt und aus erneuerbaren Energien erzeugt werden, sind nämlich tatsächlich CO2-neutral.

(Abg. Anton Baron AfD: Das haben Sie doch mitbe schlossen!)

Also: Volle Kraft voraus für synthetische Kraftstoffe, für die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie, volle Kraft für Hybridlösungen, volle Kraft für die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors, und zwar bei uns in Baden-Württem berg, und unbedingt auch für die Weiterentwicklung der Bat terie, auch bei uns in Baden-Württemberg. Baden-Württem berg war doch immer das Zukunftslabor Europas, und wir wollen, dass das auch weiterhin so bleibt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD, der AfD und der FDP/DVP)

Deshalb: Runter mit den Scheuklappen! Wir sind jetzt stark gefordert als Möglichmacher. Noch haben wir beim Auto die Chance, den Anschluss Baden-Württembergs an die Weltspit ze zu halten. Es ist aber nicht fünf vor zwölf, es ist eins vor zwölf.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Rainer Stickel berger SPD, Anton Baron AfD und Gabriele Reich- Gutjahr FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Die Debatte, die wir heute hier im Land tag von Baden-Württemberg führen, ist eine zentrale – wenn nicht d i e zentrale – wirtschafts- und industriepolitische Debatte für die Zukunft unseres Landes.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir uns eines eingestehen: Wir alle wissen nicht, wie die tech nologische Entwicklung im Bereich des Fahrzeugbaus, wie

die technologische Entwicklung im Bereich der Mobilität wei tergeht. Letztlich stellt sich die Frage: Wer von uns kann bes ser in die Zukunft schauen? Es ist auszuschließen, dass je mand in unserem Parlament weiß – und zwar mit Sicherheit weiß –, wie wir uns in 20 Jahren fortbewegen. Wüsste es je mand, wäre er wahrscheinlich schon längst in die Wirtschaft gewechselt; er würde dort sehr viel Geld bekommen.

Wir wissen nicht, welche Antriebsarten sich auf Dauer durch setzen werden. Es ist aber längst klar, dass es wohl nie wie der eine Monokultur der Verbrennungsmotoren geben wird, so wie früher. Vielleicht werden sich die Brennstoffzellen durchsetzen, vielleicht alternative Kraftstoffe, vielleicht im mer bessere und umweltfreundlichere Batterien. Auch dort findet technologische Innovation statt. Womöglich – das hal te ich sogar für sehr wahrscheinlich – werden sich unter schiedliche Antriebskonzepte für unterschiedliche Einsatz möglichkeiten durchsetzen.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Genau!)

Wir wissen es nicht. Deswegen sind wir gut beraten, keine dieser Möglichkeiten auszuschließen.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich es für falsch, wenn wir an den Anfang der Debatte eine Über schrift stellen, die lautet: „Die batterieelektrische Mobilität ist ein Irrweg“. Wenn wir die ideologische Festlegung auf eine Antriebsart und Technik kritisieren, können wir doch nicht ideologisch motiviert einen Feldzug gegen eine von mehre ren möglichen Antriebsarten führen.