Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Drei Bundesländer halten sich in den bundesweiten Vergleichen der Schülerleistungen seit Jahren im Spitzenfeld: Bayern, Sachsen und Thüringen. Früher ha ben sich auch die baden-württembergischen Schülerleistun gen durchgängig im Spitzenfeld bewegt. Doch mit dem Jahr 2015 stieg unser Land im Ländervergleich in dramatischer und beispielloser Weise ab.
Was zeichnet nun die drei erwähnten Bundesländer aus? Alle drei verfügen nicht nur über ein vielgliedriges und differen ziertes Schulsystem, sondern auch als einzige Bundesländer über eine verbindliche Grundschulempfehlung für die weiter führende Schulart nach Klasse 4.
Auch in Baden-Württemberg gab es lange eine verbindliche Grundschulempfehlung. Als einer ihrer ersten größeren bil dungspolitischen Amtshandlungen schaffte die damalige,
grün-rote Landesregierung die verbindliche Grundschulemp fehlung ab – ohne Vorbereitung, ohne Begleitmaßnahmen, oh ne zusätzliche Unterstützung für die Kolleginnen und Kolle gen an den Schulen.
Als Folge dieser grün-roten Entscheidung schnellten die Sit zenbleiberquoten in der Klasse 5 der Realschulen von 0,7 % im Jahr 2012 auf 3,3 % im Jahr 2013 und an den Gymnasien von 0,5 % im Jahr 2012 auf 1,2 % im Jahr 2013 bzw. auf 1,5 % im Jahr 2015 hoch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit verdreifachten sich die Werte an den Gymnasien; an den Realschulen verfünffachten sie sich sogar beinahe.
Der FDP/DVP-Fraktion ist dabei eines ganz besonders wich tig: Wir dürfen nicht vergessen, dass hinter diesen Zahlen Ein zelschicksale junger Menschen stehen. Was bedeutet es für junge Menschen und ihr Vertrauen in die eigene Leistungsfä higkeit, wenn sie – meist im Alter von zehn Jahren – pausen los frustriert werden, weil die Lehrerin bzw. der Lehrer per manent zum Überbringer schlechter Nachrichten, das heißt schlechter Noten, wird?
Aber dieses Wiederholen ergibt nur Sinn, wenn für den be troffenen Schüler die Aussicht besteht, dass er oder sie durch dieses zusätzliche Jahr den Lernrückstand tatsächlich aufho len kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wie ging es nun mit der Entwicklung weiter? Gemäß Statis tischem Landesamt halten sich die Sitzenbleiberquoten an den Gymnasien bis heute und an den Realschulen bis zur Abschaf fung des Wiederholens in Klasse 5 relativ konstant auf die sem besorgniserregend hohen Niveau. Außerdem erhöhte sich nach Angaben des Kultusministeriums die Zahl der Schul wechsler von den Gymnasien auf andere weiterführende Schu len von 1 965 im Schuljahr 2011/2012 auf 2 455 im Schuljahr 2017/2018. Das bedeutet eine Steigerung um 24,93 % und da mit ca. ein Viertel mehr Schulwechsler von den Gymnasien.
Schließlich weist der Philologenverband seit dem Schuljahr 2015/2016 auf den konstant hohen Anteil überforderter Schü ler in den Eingangsklassen des Gymnasiums hin. Wie aus der Umfrage des Verbands zum Schuljahr 2018/2019 hervorgeht, an der landesweit 60 Gymnasien teilgenommen hatten, waren rund 7,2 % der Schülerinnen und Schüler in den Klassenstu fen 5 bis 8 an den Gymnasien im Land überfordert. In der Klassenstufe 6 belief sich der Anteil der überforderten Schü ler sogar auf 8,6 %.
Verantwortungsvollen Bildungspolitikern müssen diese be sorgniserregenden Zahlen in Baden-Württemberg Anlass zu großer Sorge und Aufforderung zu konsequentem Handeln sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir, die FDP/DVP-Fraktion, haben diese Entwicklung nun fünf Jahre lang mit großer Sorge beobachtet. Wir können nicht und wollen auch nicht länger zuschauen. Deshalb haben wir nun einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, um im Interesse der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehre rinnen und Lehrer die Verbindlichkeit der Grundschulempfeh lung wieder einzuführen.
Eine verbindliche Grundschulempfehlung erleichtert die Bil dung von Klassen aus Schülern mit vergleichbaren Begabun gen und Leistungsvoraussetzungen stark. Dies wiederum ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass jeder Schüler und je de Schülerin bestmöglich gefördert werden können.
Wir, die FDP/DVP-Fraktion, wollen eben nicht die eine Schu le für alle, sondern die passende Schule für jedes Kind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
In diesem Zusammenhang vertrauen wir Freien Demokraten im Gegensatz zur SPD, zu den Grünen und offensichtlich auch zur CDU
den Einschätzungen der Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen, die die passenden weiterführenden Schulen für die Kinder empfehlen.
Wichtig ist uns Freien Demokraten, dass es bei einer verbind lichen Grundschulempfehlung selbstverständlich eine Mög lichkeit ihrer Überprüfung gibt. Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass ein Schüler auch durch Bestehen einer Auf nahmeprüfung an einer Schule der gewünschten Schulart auf genommen werden kann.
Für die Durchführungsbestimmungen favorisiert die FDP/ DVP-Fraktion eine Aufnahmeprüfung auf der Grundlage ein heitlicher Standards an der weiterführenden Schule, für die sich der Schüler bewirbt. Besteht er die Prüfung, gilt die Auf nahme nur für die betreffende Schule.
Der verbindlichen Grundschulempfehlung kommt eine ent scheidende Bedeutung für die Funktionsfähigkeit eines viel fältigen und differenzierten Schulsystems insgesamt zu. Sie dürfte auf längere Sicht maßgeblich zu dessen Erhalt beitra gen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Ge setzentwurf will die FDP/DVP vermeintlich die Herausforde rungen des 21. Jahrhunderts mit Konzepten der Vergangen heit bewältigen. Diesen Weg werden wir nicht gehen, und wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Dabei kann man wieder einmal feststellen, dass bei einigen in der Bildungspolitik Fakten und Wissenschaft nach wie vor keinerlei Grundlage für ihr Handeln sind. Ich frage daher an dieser Stelle schon: Können Sie denn überhaupt beweisen, dass ein leistungsstarkes Bildungssystem, wie Sie es immer behaupten, eine verbindliche Grundschulempfehlung braucht?
(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Grüne Wissenschaft! – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])
Darf ich bitte ausreden? Vielen Dank. – Kein Experte, den wir im Zusammenhang mit den Leistungsvergleichen – –
(Anhaltende Zurufe, u. a. Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner [fraktionslos]: Hier wird es doch immer schlech ter dank Ihrer Bildungspolitik! – Gegenruf von den Grünen: Wir wollen jetzt Frau Boser hören und nie mand anderes! – Gegenruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Sie vielleicht!)
das sind renommierte Wissenschaftler wie Professor Traut wein, wie Professor Bohl, wie Professorin Sliwka;
fordert die Rückkehr zur verbindlichen Grundschulempfeh lung. Sie stehen mit dieser Meinung an dieser Stelle allein.
Ich möchte auch auf eine Studie hinweisen. Es lohnt sich im mer, auch mal Studien zu lesen. Ich weiß, die Wissenschaft interessiert Sie weniger, aber es lohnt sich.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Die Pip pi-Langstrumpf-Wissenschaft der Grünen! Mit ge kauften Wissenschaftlern!)
Es gibt eine Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die ausführlich beschreibt, welche Wirksamkeit