Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

Klar ist aber auch: Kunststoffe, insbesondere Mikro- und Na noplastikpartikel, haben in der Natur nichts zu suchen. Zwar ist längst noch nicht hinreichend erforscht, welche Auswir kungen Mikro- und Nanoplastik auf die Gesundheit von Men schen, Tieren und Pflanzen haben; dennoch spricht sich auch die AfD klar dafür aus, den Eintrag von Kunststoffen so ge ring wie möglich zu halten.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ob jedoch das Wattestäbchen- und Strohhalmverdikt der EU der große Wurf war, darf zumindest einmal bezweifelt wer den. Gefordert wird von uns jedenfalls, keine Symbolpolitik und keinen blinden Aktionismus zu betreiben, sondern Maß nahmen zu ergreifen, die einen echten Nutzen stiften.

(Beifall bei der AfD)

Natürlich kann man es sich leicht machen und auf eine Stu die der Universität Oxford verweisen, die belegt, dass der Hauptverursacher der vermüllten Weltmeere in Fernost sitzt. Das Umweltbundesamt spricht von rund 142 Millionen t, drei Viertel davon seien Plastik. Die weltweit höchsten Plastikein träge in die Umwelt stammen aus China, Indonesien, den Phi lippinen, Vietnam und Thailand. Von den zehn weltweit am stärksten mit Kunststoffen belasteten Flüssen befinden sich acht in Asien und zwei in Afrika.

Doch was hilft es, mit dem Finger auf andere zu zeigen und sich als Mitteleuropäer unter Verweis auf den eigenen Recy clingbeitrag von 30 % bei einer thermischen Verwertung von 39 % und einer Entsorgungsquote von 31 % selbstzufrieden zurückzulehnen? Flüsse und Ozeane hängen nun einmal un trennbar miteinander zusammen, und der Plastikmüll wird über die Nahrungskette früher oder später auch auf unseren Tellern landen. Wir haben also gar keine andere Wahl, als den Entwicklungs- und Schwellenländern finanziell und techno logisch dabei zu helfen, ein eigenes Abfallwirtschaftssystem aufzubauen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Ba ron AfD: Sehr richtig!)

So, wie es den frühgeschichtlichen Menschen gelungen ist, ihre Werkstoffe weitestgehend aus der Nahrungskette heraus zuhalten, sollte es auch für den Homo sapiens des 21. Jahr hunderts kein unüberwindliches Hindernis sein, die Natur und die Pflanzenwelt vor den Produkten seines Wirkens in Schutz zu nehmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Frau Abg. Reich-Gutjahr das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der Grü nen greift ein wichtiges Thema auf, nämlich den Plastikmüll. Ursächlich für die Zunahme des Plastikmülls in Deutschland – wir haben es verschiedentlich schon gehört – ist u. a. der verstärkte Trend zum Onlineversandhandel und der To-goVerzehr, was sich in Verpackungsmüll niederschlägt. Der Um fang dieser Müllarten hat sich in den letzten Jahren, anders als andere Verpackungsmüllvarianten, nach oben entwickelt.

Plastikmüll trat in den letzten Jahren verstärkt in unser Be wusstsein, weil wir ihn als globales Problem erkannt haben. Die Bilder von verendeten Tieren, von Müllbergen in Mee ren, von Plastik in der Nahrungskette, von Plastikmüll oder Mikroplastik in Bächen, Flüssen und Seen auch unseres eige nen Landes sind natürlich alarmierend; dies bedarf einer kon sequenten Handhabung.

Andererseits sind Kunststoffe in vielen Anwendungen ein Se gen für die Menschheit geworden: Infektionsschutz in der Me dizin, Alltagshygiene, Haltbarmachung von Lebensmitteln,

(Abg. Anton Baron AfD: Leichtbau!)

beim Tragen, denn Kunststoffe sind leicht. Man muss auch sa gen, dass sie teilweise einen besseren ökologischen Fußab druck haben als so manches Glasgefäß,

(Abg. Anton Baron AfD: Oder Papiere! Oder Baum wolle!)

wenn man an recycelte PET-Flaschen denkt, die zu fast 100 % wiederverwertet werden.

Deswegen muss man einfach registrieren: Kunststoffe sind aus dem Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken, und zwar weltweit. Wir müssen davon ausgehen, dass mit der wirt schaftlichen Entwicklung weiterer Länder und deren Konsum verhalten noch mehr Plastik entstehen wird.

Wenn wir auf uns schauen, ist das Thema Vermeiden natür lich eine Strategie. Dazu gehört insbesondere die Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger. Das beginnt in der Schule. Dort gibt es in den Bildungsplänen bereits verschiedene Ansätze, was zu tun ist. Wichtig wäre, auch die ökonomische Seite des Themas Müll mit aufzunehmen, z. B. im Fach Wirtschaft.

Aufklärung obliegt auch den Kommunen. Sie erhalten vom Dualen System Geld dafür, dass sie zur Aufklärung der Bür gerinnen und Bürger beitragen. Ich glaube, hier ist noch Luft nach oben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber nationale Verzichts-, Verbots- und Preiserhöhungsansät ze springen zu kurz. Hier braucht es den globalen Blick über Deutschland hinaus. Wir müssen den Müll zum Wertstoff ma chen. Im Bewusstsein der Bürger ist Müll, glaube ich, in ers ter Linie Dreck. Dreck ist etwas Schmutziges. Die Kunst ist, aus Müll wieder einen Wertstoff zu machen.

Die technologischen Innovationen sind durchaus schon vor handen. Wir müssen aber die Kreislaufwirtschaft weiterent wickeln, den stofflichen Kreislauf schließen und dies wirt schaftlich tragfähig machen. Zu diesem Thema können Sie nachher vielleicht auch etwas sagen, Herr Untersteller. Che mische Verfahren, die heute noch nicht als Recycling gelten, müssen in diesen Kreislauf mit hineingenommen werden, Pri märrohstofferzeugung muss damit quasi auch einen Nieder schlag finden können.

Kürzlich hatte ich Kontakt mit einem Unternehmen, das in der Lage ist, mit seinem Verfahren sogar aus dem Meer gezoge ne, salzbelastete Plastikabfälle wieder umzuwandeln – in ei nen Treibstoff. Sie haben aber das Problem, dass dieser An satz nicht als Recycling gilt, weshalb sie sich am Markt nicht richtig durchsetzen können. Die Technologien gibt es also schon.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Es fehlt der gesetzliche Rahmen. Wir denken, dass Ansatz punkte hier bei uns in Deutschland liegen, aber auch auf eu ropäischer Ebene.

Nehmen wir das Thema „Gleichstellung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen“. Ein schönes Beispiel, das ihr alle kennt, ist der Kleiderbügel. Wenn ich einen Klei derbügel vom Breuninger mit nach Hause trage, die Kleidung in den Kleiderschrank packe und den Bügel wegwerfen möch te, darf ich ihn nicht in den Gelben Sack tun.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: War das jetzt Schleich werbung?)

Ja, ich weiß. – Wenn ich das Kleidungsstück aber online be stellt habe, gehört das zur Verpackung, und ich darf den Bü gel in den Gelben Sack werfen. Das ist für den Bürger natür lich nicht nachvollziehbar. Hier brauchen wir einen stringen teren Rechtsrahmen.

Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, um Investi tionen in Recyclinganlagen zu ermöglichen. Dazu gehört – auch das wurde schon angesprochen – die stoffliche Zusam mensetzung von Kunststoffen: Diese müssen wir so standar disieren, dass ihre Wiederverwertung wirtschaftlich attraktiv möglich wird.

Dazu brauchen wir vom europäischen Richtliniengeber einen Cradle-to-Cradle-Ansatz, der dafür sorgt, dass Kunststoffe von Anfang an so hergestellt, eingesetzt und gekennzeichnet wer den, dass sie als Rezyklat einen möglichst langen Stoffkreis lauf durchlaufen können. Das gilt sowohl für mineralölbasier te Kunststoffe als auch für biobasierte Kunststoffe. Hier be steht sicherlich noch Handlungsbedarf beim Forschen und Entwickeln, aber die ersten Schritte sind getan.

Wichtig ist auch, dass wir Rezyklate in den gleichen Verpa ckungsarten wiederverwenden können. Das ist heute noch re lativ schwierig, insbesondere wenn es um Verpackungen im Lebensmittelbereich geht. Hier ist im Moment vonseiten der EU noch nicht die Voraussetzung dafür geschaffen; das Ver fahren sollte nun dringend zum Abschluss gebracht werden, damit das Downsizing von Plastikmüll ein Ende hat.

Meine Redezeit ist leider schon um. Bei diesem wichtigen Thema gibt es viel zu sagen. Wir haben hier in unserem Land beispielsweise einen Recycler in Heilbronn, der dieses The ma seit 20 Jahren konsequent betreibt, der Wertstoffketten ent wickelt. Solche durchdachten Prozessketten in der Abfallwirt schaft sind ein wichtiger Teil, um hier voranzukommen, und sie sind eine Chance auch für deutsche Anlagenbauer mit ih ren vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in diesen Prozes sen.

Deswegen gilt: Müll ist ein Wertstoff. Je häufiger wir die Ma terialien recyceln, desto mehr schonen wir die Umwelt. Die entsprechenden Ansatzpunkte gibt es schon. Man muss nun die Regelungen im Land, im Bund und in Europa schaffen, sodass wir hier konsequent zur Anwendung gelangen können.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Gabi Rolland SPD)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

(Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Er sollte erst noch seine Tablette holen!)

Soll ich Ihnen eine verschreiben, Herr Rapp? – Frau Präsidentin, sehr ver ehrte Damen, sehr geehrte Herren, Sonstige A bis Z! Phan tomdebatten – das ist das Elixier der grün-kommunistischen Kultur-, Wirtschafts- und Familienzerstörer. Die Coronakri se, die die Bundesrepublik außer Gefecht setzt, die neuerliche Belagerung durch Wandererheere, verursacht durch „Sultan Erdolf“, und der aktuelle Zusammenbruch der deutschen Wirt schaft finden bei den Grünen keinen Platz in einer Aktuellen

Debatte; stattdessen übt sich der Landtag am heutigen Tag ein mal mehr in vergifteten Schwachsinnsdebatten.

Ungeachtet der Tatsache, dass unsere Städte vor allem auch dort mit Plastikmüll vermüllt sind, wo die Buntheit ganz be sonders laut beschworen wird – schauen Sie sich den Niedergang der Kehrwochenstadt Stuttgart hin zur „Königsmüllhalde“ an! –, möchte ich im Wesentlichen auf drei Dinge eingehen.

Erstens: Den Grünen und Roten ist die Umwelt total schnup pe. Ihre öffentlich vorgetragenen Überlegungen zur Einfüh rung einer Gelben Tonne zeigen den eigentlichen Kern Ihrer Politik: Gängelung, Bevormundung und eine neue, schöne Möglichkeit, bei entsprechender Zuwiderhandlung Bußgelder zu verteilen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Zweitens: Sie agieren einmal wieder im falschen Teil der Welt. Plastikvermeidungskonzepte müssen in der Dritten Welt an gestellt werden, beispielsweise in Westafrika oder Indien. Da bekommen Sie praktisch nichts, was nicht in Dutzende Plas tikfolien und Tüten eingewickelt ist, die nach Gebrauch wie selbstverständlich in den Straßengräben oder Vorgärten lan den. Setzen Sie dort mit Ihren Konzepten an! Wenn schon so genannte Entwicklungshilfe, dann so: Wer seine Heimat zer stört und verschandelt, hat dafür keine finanzielle Belohnung zu erwarten.

Drittens: Die Anfrage widmet sich zu einem großen Teil der Abfallvermeidung und eventuellen Schadstoffen in den Ab fällen. Ich hätte da eine ganz praktische Idee: Machen Sie Schluss mit dem Windkraftirrsinn. Hören Sie auf, Schneisen in den deutschen Wald zu schlagen und dort Ihren Sondermüll hinzustellen. Die Windräder rechnen sich nicht, und sie wer den in nicht langer Zeit nach Ablauf der immensen Subventi onen von der Vogelschreddermaschine zum giftigen, nicht ver wertbaren Sondermüll verwandelt werden. Das ist das Gegen teil von Umweltschutz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Als Patriot befürworte ich den Schutz unserer Schöpfung – aber jeder für sich und mit Verstand. Wir werden schon im Übermaß gegängelt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Rainer Hinderer SPD: Von Ihnen! – Abg. Jürgen Walter GRÜ NE: Der könnte im Kabarett auftreten!)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen Abgeordnete! 450 Jahre – so lange kann es dauern, bis eine Plastikflasche in der Umwelt zerkleinert ist.