Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

Der Automarkt in China ist zusammengebrochen – das haben wir schon gehört –, doch wir sollten uns hier nicht in ein na tionales Häuschen zurückziehen wollen. Wir leben in einer vernetzten Welt. Das soll auch so bleiben. Wir müssen mit den Risiken dieser vernetzten Welt umgehen und umzugehen ler nen. Viren verbreiten sich, und auch die Bekämpfung einer solchen Krise in gesundheitlicher und in wirtschaftlicher Hin sicht erfordert internationale Zusammenarbeit. Dafür stehen wir in Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Wenn das Geschäft wegbricht, hat man schrumpfende Umsät ze bei fortbestehenden Kosten, und die Erträge brechen ein. Heute um halb zehn war eine Pressekonferenz von sechs füh renden Ökonomen in Deutschland, die sehr umfassende wirt schaftspolitische Maßnahmen gefordert haben. Eine ganze Reihe davon sind mit dem Paket, das Bund und Länder ges tern verabredet haben, bereits angestoßen.

Auch wir begrüßen die Maßnahmen der Bundesregierung und den Dreistufenplan. Baden-Württemberg wird an diesem mit wirken und seinen Teil dazu beitragen. Das ist sehr wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Liquiditätshilfen – Kurzarbeitergeld ist letztlich eine Form der Liquiditätshilfe – sind der Kern. Es gibt eine Konjunkturkri se in der ganz klassischen Art. Strukturell hat sich nichts ge ändert, sondern ein äußerer Umstand lässt ein geplantes Ge schäft auf einmal wegbrechen. Deswegen sind Liquiditätshil fen hier ein Kern.

Die KfW als Bundesförderbank ist dabei entscheidend, und es ist klar, dass unsere Förderbank, die L-Bank, hier mitwirkt.

Es ist richtig, dass Bund und Länder verabredet haben, dass dieser Kernpunkt Liquiditätshilfen über Bund und Länder zu sammengetragen wird. Dazu werden wir beitragen. Dafür ste hen wir bereit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld sind ebenfalls ent scheidend. Wir brauchen dieses Instrument, damit es nicht zu Entlassungen kommt. Denn Entlassungen sind ein riesiger Einschnitt für die betroffenen Beschäftigten. Sie sollten aber auch vermieden werden, damit die Unternehmen in unserem Land nicht durch einen Konjunktureinbruch in einen Brain drain kommen. Wir brauchen die Beschäftigten, und das Kurz arbeitergeld soll hier helfen. Wir wollen Entlassungen verhin dern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wir können auch im Land einen eigenen Beitrag leisten. Des wegen gibt es ja dafür, dass die Welt dynamisch ist, eine Ri sikorücklage in unserem Landeshaushalt. Wir werden jetzt sehr bald beschließen – das hat die Landesregierung bereits in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht und an den Landtag adressiert –, unsere Risikorücklage zu öffnen. Dieser Titel wird dafür bereitgestellt, dass der Coronakrise entgegen gewirkt werden kann. Das ist ein wichtiger Beitrag, und das sollten wir – vielleicht auch im ganzen Haus zusammen – sehr zügig beschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Steuerstundungen sind ebenfalls ein wichtiges Instrument, da mit Unternehmen jetzt nicht in Schieflage kommen. Auch Re geln für die Abschreibungen können jetzt angepasst werden. Dies hilft über die Breite unserer Unternehmen, die natürlich von der Industrie über den Handel bis zum Tourismus betrof fen sind. Das werden wir tun.

Wir, das Land, haben unsere Instrumente der Bürgschaften. Die Bürgschaftsbank ist eine gemeinsame Institution mit der Wirtschaft. Die L-Bank steht als Förderbank bereit.

Wir werden sicherlich dazu kommen, dass das Instrument der Bürgschaft, das wir aus der Krise kennen, wieder ins Laufen kommt, und wir werden uns in bewährter Tradition und sehr ernsthaft mit diesen Fällen beschäftigen. Wir werden in Zu sammenarbeit mit den Banken im Land dafür sorgen, dass Bürgschaften in angemessenen Fällen gewährt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das alles bedeutet: Wir lassen die Unternehmen nicht im Stich. Und wir kümmern uns auch um die Zukunft unseres Gesundheitsstandorts als wirtschaftliche Größe und als Teil der Versorgung unserer Bevölkerung. Es ist gut, dass wir das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg hier gegrün det haben, dass die Landesregierung hier vorangegangen ist und so viele Ministerien, Verbände, Institutionen und Unter nehmen hieran mitwirken.

Ein Thema, das hier jetzt zu Recht verstärkt aufkommt, ist die Frage nach der Arzneimittelversorgung bei uns. Auch hier wirkt die globale Vernetzung. Der Bundesrat hat sich aufge

stellt und fordert von der Bundesregierung, mehr Instrumen te zu ziehen, um die Vermeidung von Lieferengpässen bei Me dikamenten voranzubringen. Baden-Württemberg hat hierfür schon ein Forum geschaffen, eine Arbeitsgruppe, die darüber diskutiert. Keine Arzneimittellieferengpässe bei uns, darum geht es. Wir müssen einen Teil der Versorgung auch bei uns wieder sicherstellen. Wir müssen Risikovorsorge betreiben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Frau Abg. Lindlohr, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zimmermann zu?

(Zuruf von der SPD: Oh! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das vergesse ich ihr nie! – Heiterkeit)

Heute nicht, Jimmy. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, BadenWürttemberg ist die führende Innovationsregion in Deutsch land. Zu einer Krisenbewältigung gehört auch, dass wir unse re mittel- und langfristigen Ziele in der Wirtschaftspolitik nicht aus den Augen verlieren.

Deswegen können wir beides: Wir werden die Krise akut be kämpfen, wir haben die Sorgen der Unternehmen und natür lich die Gesundheitsvorsorge im Blick. Aber wir arbeiten auch weiter daran, dass wir innovativ bleiben.

Deswegen ist es richtig, dass wir mit den wichtigen Projek ten, mit unseren Bewerbungen beim Bund für die Wasser stoffstrategie und für die KI-Strategie weiter am Ball bleiben und dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft so robust und inno vativ bleibt. Das brauchen wir für unseren langfristigen wirt schaftlichen Erfolg. Der macht auch resistenter für die nächs te Krise. Daran arbeiten wir, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wir lassen niemanden im Stich, wir sind uns der Problemla ge voll bewusst. Und wir sind ein Teil des solidarischen Ba den-Württembergs, eines Baden-Württembergs, das darauf achtet, dass möglichst wenige gefährdete Menschen hier zu gesundheitlichem Schaden kommen.

Alles, was die öffentliche Hand derzeit tut, ist darauf ausge richtet, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, da mit unsere Gesundheitsstrukturen die Kranken versorgen kön nen. Das ist kein „Nice to have“, das ist elementar. Es geht um Intensivbetten, es geht um Beatmungsplätze, es geht dar um, dass es nicht Schlag auf Schlag geht, sondern dass wir es schaffen, die Kurve zu verflachen. Daran werden wir alle mit wirken.

Das ist auch eine Frage des Arbeitsplatzes. Ich glaube, wir kommen auch hier zu einer neuen Kultur. Es ist nicht mehr diejenige die beste Arbeitnehmerin, derjenige der beste Ar beitnehmer, die oder der auch noch krank zum Arbeitsplatz kommt. Ich glaube, wir schaffen es, dass wir hier zu einer an deren Kultur kommen, auch zu Bewertungen, wie sich Arbeit nehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz verhalten. Aber entscheidend ist, dass von uns hier, dem Landtag von Baden-Württemberg, angesichts der wirtschaftlichen Lage und angesichts der großen gesundheitlichen Herausforderungen

eine Solidarität ausgeht mit den gesundheitlich Schwachen, mit Älteren, mit Menschen, die gerade in einer Chemo sind, mit Herzerkrankten. Baden-Württemberg hält zusammen. Wir bekämpfen die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise, und wir sorgen für die Gesundheit unserer Bevölkerung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Andreas Kenner SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Wir haben bereits in der vergangenen Woche über die Herausforderungen der Coronakrise für un ser Land, für Baden-Württemberg, für unser Gesundheitssys tem gesprochen. Ich möchte noch einmal deutlich sagen, dass alle die, die uns helfen, dieses Virus in den Griff zu bekom men, die vor allem dazu beitragen, dass Menschen, die mit dem Virus infiziert sind, medizinische Hilfe bekommen – ob es die Gesundheitsämter, Ärzte oder Pfleger und Pflegerinnen sind –, für diese tolle und schwierige Arbeit in diesen Tagen unseren großen, großen Dank verdienen.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD)

Aber – wir merken das Tag für Tag mehr – das Thema Coro navirus hat nicht nur Auswirkungen auf unser Gesundheits system. Wir merken immer mehr, dass wir sehr stark auch Ein schnitte in unser gesellschaftliches Leben haben, und wir mer ken sehr stark, dass auch unser Wirtschaftsstandort von die sem Thema erfasst wird.

Mich freut es sehr, dass in den bisherigen Beiträgen – auch von Ihnen, Herr Kollege Reinhart – darauf hingewiesen wur de, dass sich gerade in diesen krisenhaften Situationen erwei sen muss, ob ein Staat, ein handlungsfähiges Gemeinwesen da ist, um diese Krisen auch gemeinsam zu bewältigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist etwas, was für uns Sozialdemokraten schon immer wichtig ist: Wirtschaft allein wird nicht jede Krise und jede Konstellation einer kri tischen Situation bewältigen. Wir brauchen in der sozialen Marktwirtschaft einen sozialen, einen handlungsfähigen Staat und einen funktionierenden Markt, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen und der CDU)

Das gilt nicht nur für die momentane Situation angesichts der Coronakrise. Es gilt auch gerade für eine baden-württember gische Wirtschaft, die ohnehin in einer schwierigen Situation ist.

Als Bundesland ist Baden-Württemberg beim Wandel in der Automobilindustrie besonders herausgefordert. Wir sind auch von der Transformation, von der Digitalisierung, gerade auch was die Arbeitsplätze in unserem Land angeht, besonders he rausgefordert. Mehr als die meisten Regionen Europas leben wir vom Export. So treffen uns der Brexit und die aktuellen Handelskriege ganz besonders. Auch die Unsicherheiten durch

einen US-Präsidenten Trump sind für Baden-Württemberg be sonders schwer zu bewältigen.

Wir haben in diesem Land immer wieder beklagt, dass es nicht reicht, nur in Krisen zu handeln. Als Bundesland, das beson ders von der derzeitigen Wandlung und Transformation be troffen ist, braucht Baden-Württemberg ganz besondere An strengungen, um den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und die Arbeitsplätze in Baden-Württemberg zu erhalten. Die Aufgabe einer Landesregierung, einer Landespolitik ist es, ak tive Strukturpolitik zu betreiben.

(Beifall bei der SPD)

Hier im Haus haben wir Debatten zu den Themen Innovatio nen und „Künstliche Intelligenz“ geführt. Das wurde auch vom Kollegen Reinhart angesprochen. Für uns ist bisher zu wenig erkennbar, dass die Landesregierung hier eine aktive und wirklich wirksame strategische Struktur- und Industrie politik betreibt.

Wir werden für Baden-Württemberg, vor allem für die vielen Beschäftigten in diesem Land, eine gute Zukunft nur gestal ten können, wenn wir dafür sorgen, dass wir in diesen Berei chen die richtigen Antworten finden, damit Baden-Württem berg das tut, was es auch in der Vergangenheit tat, nämlich in der wirtschaftlichen Entwicklung vorn zu bleiben und eine Lokomotive für die Wirtschaftskraft Deutschlands und Euro pas zu sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben jetzt schon massive Auswirkungen durch das Co ronavirus. Es gibt die Unsicherheit bei vielen Menschen, ver ändertes Einkaufsverhalten, abgesagte Veranstaltungen. Auf unserer Wirtschaft liegt ein enormer Druck. Ich verweise ebenfalls auf die Prognose, die die Landesbank Baden-Würt temberg vor wenigen Tagen erstellt hat. Als Exportmeister ist Baden-Württemberg besonders betroffen. Laut der Prognose ist im Land mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu rechnen, der in Baden-Württemberg achtmal höher sein wird als im Bundesdurchschnitt. Insbesondere auch durch das Coronavirus werden die Wirtschaftsbeziehungen nach China, die hierzulande besonders relevant sind, beeinträchtigt. Die Landesbank Baden-Württemberg spricht bereits von einer aus gewachsenen Rezession.

Die Lieferketten sind bereits jetzt empfindlich gestört. Wir ha ben die Container, die vor sechs Wochen beladen wurden, noch bekommen, aber jetzt wird ein Bruch eintreten, jetzt wer den leere Transportschiffe oder gar keine Transportschiffe mehr ankommen.