Es ist schlechthin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahrheit: Hätten Sie, Herr Abg. Gögel, sich mit Ihrem Änderungsantrag durchgesetzt, wäre die Sitzung beendet gewesen, und wir hätten diese Staats beihilfen nicht beschließen können. Deswegen ist es für mich klar: Mit Ihnen ist kein Staat zu machen, und die AfD darf kei nen Einfluss auf relevante politische Entscheidungen bekom men.
Wir haben unter Tagesordnungspunkt 1 der 115. Plenarsitzung aufgezeigt, dass wir alle besonnen, beherzt und entschlossen
handeln müssen. Es ist auch deutlich geworden – in den vier Redebeiträgen –, dass wir eine außergewöhnliche Situation haben. Der Landtag hat daher eine Naturkatastrophe nach § 18 der Landeshaushaltsordnung festgestellt.
In dieser Situation wollen vier Fraktionen entschlossen und zielgerichtet handeln. Wir senden damit ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger, an die Unternehmerinnen und Unternehmer aus: Wir lassen sie in dieser schwierigen Situa tion nicht im Stich; wir helfen ihnen. Das ist ein wichtiges Si gnal, meine Damen und Herren.
Daher bringen wir heute einen gemeinsamen Gesetzentwurf ein. Ich darf den Fraktionsvorsitzendenkollegen Wolfgang Reinhart, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke für die gute Abstimmung danken. In diesem Gesetzentwurf wird die Lan desregierung ermächtigt, Kredite in Höhe von bis zu 5 Milli arden € aufzunehmen. Mit diesen Krediten sollen Maßnah men finanziert werden, um einerseits die Ausbreitung des Vi rus zu verlangsamen und die Kapazitäten des Gesundheitssys tems zu stärken und andererseits mit einem gezielten wirt schaftspolitischen Förderprogramm die ökonomischen Fol gen der Pandemie zu bekämpfen.
Uns geht es dabei insbesondere um Soforthilfen für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Soloselbstständige. Uns geht es um Direktzahlungen an Unternehmen, wenn sie nachweis lich Umsatzeinbußen durch die Pandemie haben und in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind.
Die Entscheidung über diesen Gesetzentwurf ist uns nicht leichtgefallen, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn dieses Darlehen werden wir später zurückzahlen müssen. Wir haben daher dem Gesetzentwurf auch einen Tilgungsplan beigefügt: Ab 2024 werden wir jährlich 500 Millionen € zurückzahlen. Das macht auch deutlich, dass das eine immense Herausfor derung ist. Wir werden dann den Gürtel etwas enger schnal len müssen.
In der Abwägung „Kreditaufnahme oder Hilfe?“ bleibe ich je doch dabei: Jetzt ist Hilfe angezeigt. Solidarität ist gefragt. Ein umfassender Schutzschirm für alle Unternehmen ist ein wichtiges und richtiges Vorgehen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn der Gesetzentwurf heute eine breite Zustimmung finden würde.
(Das Redepult wird desinfiziert. – Zuruf: Vielleicht noch die Schleimspur! – Gegenrufe: Oh! – Weitere Zurufe)
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich beruhigt haben, hat Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Reinhart das Wort. – Vie len Dank.
(Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Tiefpunkt des Parla mentarismus in Baden-Württemberg! – Weitere Zu rufe)
Wissen Sie, das ist der Unterschied: Wir sehen das hier als eine Sternstunde des Parlaments, weil wir für die Menschen in diesem Land, auch für die Wirtschaft in diesem Land Hand lungsfähigkeit beweisen.
(Beifall – Abg. Anton Baron AfD: Heute Morgen standen Sie noch mit leeren Händen da! – Weitere Zurufe der AfD)
Meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, es mag ja sein, dass Sie sich ärgern. Es gibt hier aber parlamentarische Gepflogenheiten und Regeln. Wir halten uns zu 100 % an die Geschäftsordnung. Daran haben Sie sich zu halten. Punkt. Ununterbrochen Zwischenrufe aus der gesamten Fraktion sind nicht zulässig.
Wir haben gerade bewie sen, dass Baden-Württemberg im Angesicht der Not hand lungsfähig ist. Das beweist heute unsere gemeinsame Vorla ge. Wir stellen uns gegen diese Krise. Wir handeln, und wir treffen heute in der Tat eine kraftvolle Entscheidung, und zwar zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger und zum Wohl unse res Landes.
Wir sind uns auch der Bedeutung und der Reichweite dieser Entscheidung bewusst. Sie ist richtig, und sie ist auch unaus weichlich. Deshalb erkenne ich ausdrücklich an, dass wir hier mit breitem Schulterschluss etwas schaffen. Das ist ein gutes, ein wichtiges Zeichen für Entschlossenheit und Einheit.
Ich will Ihnen sagen: Wenn Sie solche Zurufe machen, dann hätten Sie doch einfach zugestimmt, dass Einvernehmen zu mindest darüber bestanden hätte, dass wir das Thema heute behandeln. Dann wären Sie doch auf der richtigen Seite da bei gewesen.
Insoweit kann ich das in diesem Punkt überhaupt nicht ver stehen. Denn damit haben Sie sich selbst ausgegrenzt und ha ben gesagt: Wir wollen heute nicht – –
(Abg. Bernd Gögel AfD: Sie haben ausgegrenzt, nicht wir! – Abg. Carola Wolle AfD: Sie haben uns ausge grenzt! – Weitere Zurufe)
Ich glaube, das ist jetzt nicht sinnvoll. – Es geht auch um den gemeinsamen Kontext und die Entschiedenheit des heutigen Tages. Wir tun gerade so, als wäre das ein normaler Parlamentstag.
Meine Damen und Herren, wir müssen einmal sehen, was das bedeutet, woher wir kommen und wo wir stehen. Vor etwa elf Jahren haben wir – damals noch unter dem Vorsitz des Minis terpräsidenten von Baden-Württemberg – in der Föderalis muskommission II die Schuldenbremse verabschiedet. Jetzt haben wir zehn Jahre Aufschwung gehabt. Wir haben ständig Steuermehreinnahmen gehabt. Wir haben uns darauf verstän digt, dass diese Schuldenbremse in der Landeshaushaltsord nung und in der Verfassung festgelegt wird. Jetzt, da sie auch in Kraft ist, müssen wir bereits nach wenigen Tagen das Ins trument der Ausnahme, nämlich der Katastrophe, in Gang set zen. Das tun wir heute, und das ist für unser ganzes Land wichtig.
Ich will hinzufügen: Es ist auch deshalb eine Sternstunde für das Parlament, weil wir damit Stärke in der Not zeigen. Wir kommen doch in eine Lage, die völlig verändert sein wird. Deshalb ist es auch richtig und gut, dass wir den Tilgungsplan mit vorlegen müssen, dass wir ihn aber unter dem Gesichts punkt der Vorsorge vorlegen – Tilgung ab 2024, und zwar für zehn Jahre. Das sind immerhin jedes Jahr eine halbe Milliar de Euro.
Warum ist das aber ab 2024 richtig? Es ist deshalb richtig, weil wir doch wahrscheinlich schon in der Mai-Steuerschät zung einen Steuereinbruch sehen werden, bei dem uns Hören und Sehen vergehen wird. Das Problem ist doch, dass man hier überhaupt noch nicht gewohnt ist, Sparhaushalte zu ma chen.
Es werden Herausforderungen auf uns zukommen, wobei wir heute noch nicht wissen, wie intensiv die Rezession in diesem Jahr vor allem Baden-Württemberg treffen wird. Baden-Würt temberg ist Exportland. Da müssen wir doch vorsorgen. Des halb gilt es heute schon, den Ernst der Stunde zu sehen, zu be trachten und für die Menschen draußen zu handeln.
Die Wirtschaftsministerin hat im Übrigen vorhin zu Recht öf fentlich gesagt, dass auch die Hausbanken jetzt gefordert sind, dass sie Erleichterungen bis zur europäischen Regulierung brauchen. Wir müssen jetzt auch schauen, dass wir uns im Hinblick auf das Eigenkapital nicht selbst mit Vorschriften so umzingeln, dass es den Banken unmöglich gemacht wird, ent sprechend zu handeln.
Wir haben die L-Bank. Diese ist vorbereitet. Wir wissen auch, dass das Wirtschaftsministerium sehr rasch gehandelt hat. Es wird in wenigen Tagen einen Antrag auf Soforthilfe – genau so, wie es der Nachbarstaat macht – vorlegen können. Ich möchte mich bei der Wirtschaftsministerin ausdrücklich da für bedanken, dass hier der Instrumentenkasten für BadenWürttemberg krisenorientiert verbreitert wird, damit wir den Unternehmen und Selbstständigen in unserem Land in einer solchen Stunde helfen können.
Hierfür schaffen wir die Voraussetzungen. Wenn wir 5 Milli arden € bewilligen, ist damit eine Ermächtigungsgrundlage auch für die Kreditaufnahme, die hierfür nötig ist, geschaffen.
Damit kann auch eine Förderung im Rahmen eines einmali gen Zuschusses, der angesprochen wurde, erfolgen. Vor die sem Hintergrund, glaube ich, sind wir auf einem guten Weg, um mit einem solchen Verfahren dann auch unserer Wirt schaft, den Mittelständlern, all denen, die diese Krise unab sehbar rasch getroffen hat, unbürokratisch, schnell und rasch helfen zu können. Darum geht es heute. Deshalb ist es gut, dass wir heute diese Stärke zeigen.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Wir haben heute Morgen ausführlich über die Besonderheiten der jetzigen Situation gesprochen. Ich ha be aber heute Morgen in meiner Rede bereits darauf hinge wiesen, wie wichtig gerade in einer solchen Situation ein handlungsfähiges, vor allem aber ein die richtigen Antworten gebendes Landesparlament ist. Ich glaube, der nun aufgeru fene Tagesordnungspunkt, der von vier Fraktionen gemein sam eingebrachte Gesetzentwurf, zeigt in besonderem Maß, dass wir diese Aufgabe als selbstbewusstes Landesparlament, als Landtag von Baden-Württemberg, auch wahrnehmen wol len.
Wir haben, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, in den letz ten Tagen gemerkt, wie wir selbst von den Ereignissen teil weise überrollt wurden. Wir haben natürlich, als letzte Woche die Anregung vonseiten der Landesregierung aufkam, einen Nachtrag hier im Landtag zu beschließen, sofort Ja gesagt. Der ursprüngliche Anspruch der Landesregierung war aber, dass wir zunächst einmal Mittel bereitstellen, die unmittelbar zur Bekämpfung der Krise gerade im Gesundheits- und Sozi alwesen eingesetzt werden sollen.
Wir haben dann Anfang der Woche, auch aufgrund des Schrei bens der Finanzministerin an den Finanzausschuss, erfahren, dass jetzt in größerem Umfang als ursprünglich geplant, näm lich unter Einsatz der Rücklagen, weitere Bereiche in den fi nanziellen Fokus gerückt werden – als da wären verschiede ne Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung in unserem Land, die Schaffung von Schutzräumen, die vorsorgliche Einrich tung von weiteren Behandlungsmöglichkeiten. Es war bei spielsweise auch die Rede von der Erstattung von Kosten, die beim Kultusministerium durch die Forderung nach Rücker stattung bei der Stornierung von Klassenfahrten anstehen usw. usf. Das ist ein Katalog, der letztlich jedoch das umfasste, was die Landesregierung mit den Rücklagen in den Griff bekom men wollte, die bei knapp über 1 Milliarde € liegen.