Deshalb kommen wir jetzt auch in der Umsteuerung vom Lockdown, vom Verbot wieder zur Ermöglichung und damit auch zu mehr Eigenverantwortung. Wir wahren die Vorsicht; das hat der Ministerpräsident angesprochen. Aber wir schaf fen jetzt auch Perspektiven. Das ist wichtig. Wir müssen jetzt den Menschen auch Hoffnung machen. Ich glaube, das ist zu Recht unterstrichen worden.
Es ist vertretbar und gerade jetzt auch für unser Miteinander essenziell, dass die Kontaktbeschränkungen etwas gelockert werden, auch Öffnungen erfolgen und sich wieder mehr Per sonen begegnen können.
Die Kultusministerin hat heute Morgen auch für den Sport ge sagt: Das ist wieder möglich. Das ist auch für viele Menschen wichtig. Ebenso wurde klar dargestellt, was uns im Fahrplan für die Schulen erwartet. Auch das ist damit ein richtiger Weg von Öffnung und Verantwortung, nachdem wir klar gehört ha ben: Spätestens nach Pfingsten findet zu 50 % Präsenzunter richt statt und wird die andere Hälfte daheim im Fernunter richt unterrichtet, und ebenso werden bei den Kitas jetzt die Betreuungen ausgeweitet und sichergestellt.
Ich glaube, es ist auch wichtig, dass uns die Landesregierung jetzt einen Stufenplan präsentiert hat. Damit können sich die Menschen vor allem auf das einstellen, was kommt. Wir ha ben damit eine risikosensible Roadmap auch für den Weg zu rück ins Leben.
Ich finde – der Kollege Schwarz hat es heute Morgen auch dargestellt, als wir über die Wirtschaft gesprochen haben –, wir müssen immer sehen: Gesundheitsschutz ist uns das höchs te und wichtigste Anliegen, aber gleichzeitig muss auch die Gesundheit der Wirtschaft weiterhin sichergestellt werden. Denn sie ist überhaupt erst die Basis für die Leistungsfähig keit, auch für unser Gesundheitssystem. Auch darauf kommt es uns an, und die Arbeitsplätze sind uns auch wichtig, gera de in der Wirtschaft, wenn wir jetzt die Kurzarbeiterzahlen se hen.
Deshalb glaube ich, wir haben jetzt auch durch das Programm für die Gastronomie, das angesprochen wurde, einen klaren Fahrplan. Aber darüber hinaus hat die Wirtschaftsministerin heute – wichtig! – ein weiteres Programm angekündigt, was das Beteiligungskapital angeht, dass wir größeren Firmen, bei denen das Eigenkapital nicht mehr ausreicht, sozusagen un ter die Arme greifen, aber darüber hinaus auch dort, wo sozu sagen die Luft ausgeht, wo eine Existenzgefährdung vorliegt, mit dem erwähnten Programm der Wirtschaftsministerin noch einmal über den Mai hinaus verlängern, erweitern. Das ist ein Sofortprogramm II, das die Wirtschaft jetzt braucht – sowohl die Selbstständigen als auch der Mittelstand – bis zu weiteren Initiativen, die der Bundeswirtschafts- und der Bundesfinanz minister angekündigt haben.
Wir werden notleidende Branchen und Betriebe – auch zu sammen mit dem Bund – jetzt weiter stützen und stabilisieren müssen. Denn der Mittelstand ist sozusagen der Herzmuskel der Wirtschaft in unserem Land. Das haben die Verbände – –
Aber ich will auch hier ergänzend erwähnen: Alle Verbände – ob BDI, BDA, auch BVMW – haben auf die Notwendigkeit hingewiesen, auch mit öffentlichen Brandbriefen, die hier im Mittelpunkt stehen.
Deshalb war der Wegfall der 800-m2-Regel im Handel wich tig. Den haben wir richtigerweise schon vollzogen. Es ist auch gut, dass es jetzt Lockerungen in weiterem Umfang gibt.
Ich will damit sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Der Föderalismus ist leistungsfähig, die föderalen Checks and Ba lances funktionieren, ebenso der föderale Wettbewerb. Wir sind ein 16-Länder-Labor für gute Lösungen. Das macht uns stark und flexibel, und zwar gerade in der Krise.
Deshalb, Herr Ministerpräsident, vielen Dank für die Darstel lung, auch für die Perspektive in die Zukunft. Ich glaube, wir sind weiter auf dem Weg der Normalisierung und damit auf dem Weg der Verantwortung, aber auch auf dem Weg der zu nehmenden Freiheit. Das verbindet uns alle. Das ist wichtig, das gibt vor allem auch der Gesellschaft, der Wirtschaft, aber auch den Menschen im Land wieder Zuversicht und Hoffnung. Damit wird heute ein weiterer wichtiger Schritt eingeleitet. Da werden wir Sie unterstützen, auch die ganze Landesregie rung.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Zunächst einmal, Herr Ministerpräsident, möchte ich mich im Namen meiner Fraktion dafür bedanken, dass Sie uns heute den Inhalt dessen, was in der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Kanzlerin besprochen und entschieden wurde, vorgetragen ha ben.
Ich sage aber an dieser Stelle auch noch einmal ganz deutlich: Heute Morgen, als die Parlamentssitzung begann, hieß es, Sie seien für den gesamten Parlamentstag entschuldigt. Als ich dann die Einladung des Staatsministeriums zu einer Presse konferenz um 15 Uhr erhalten habe, habe ich versucht, mich an die Parlamentssitzung vom vergangenen Mittwoch hier an diesem Platz zu erinnern.
Hier, an dieser Stelle, wurde von mehreren Rednern – ich per sönlich habe es auch getan – deutlich gemacht, dass in der ak tuellen Coronakrise, in dieser Pandemie, das Heft des Han delns – gerade, wenn es um schnelle Notmaßnahmen geht – natürlich bei der Regierung, bei der Exekutive, liegt. Aber ge nauso habe ich betont, dass es in der aktuellen Situation, in der es jetzt um die Definition von Schritten hin zu einem Stück mehr Normalität geht, nicht nur aus rechtlichen, sondern vor allem auch aus politischen Gründen darum geht, dass dieses Parlament eng in diesen Prozess eingebunden ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann ist es einfach nicht mit diesen Worten vom vergangenen Mittwoch – auch Ihren Worten – zu verbinden, wenn an einem Plenartag die In formation nicht im Parlament stattfindet, sondern in einer Pressekonferenz.
Deswegen – so glaube ich – ist es an der Zeit, dass den Wor ten aus der letzten Woche Rechnung getragen wird. Ich habe damals ein Mitglied der Regierungsfraktionen zitiert, wir sei en ja nicht so wichtig. Ich habe gesagt, wir sollten das nicht sagen, wir sollten es nicht einmal denken. Aber dass heute schon wieder nicht danach gehandelt wurde, das ist etwas, was nach dem letzten Mittwoch eigentlich nicht passieren darf.
Deswegen halte ich es für richtig und wichtig, dass wir uns auch an diesem Ort über die heute beschlossenen Maßnahmen unterhalten können. Herr Ministerpräsident, ich hätte von Ih nen auch dazu ein Wort der Erklärung erwartet.
Herr Schwarz, mit Verlaub, Sie haben sich vollständig der Lä cherlichkeit preisgegeben. Denn Ihre Idee war das als Letz tes.
Jetzt kommen wir einmal zu dem, was heute passiert ist. Wenn ich mich an die Debatte vom letzten Mittwoch erinnere, auch an die Positionierung, die ich hier für die SPD-Fraktion vor genommen habe, dann kann ich Ihnen sagen: Wir halten das Infektionsgeschehen und die Frage, ob wir dieses Coronavi rus bereits im Griff haben, nach wie vor für eine äußerst fra gile Angelegenheit. Deswegen halte ich es für notwendig, dass wir bei allen Diskussionen und bei der Definition der weite ren Schritte immer im Blick haben, dass uns nicht das passie ren darf, was das Schlimmste wäre, nämlich dass wir uns das Infektionsgeschehen wieder aus den Händen gleiten lassen.
Aber uns allen muss klar gewesen sein – so war die Diskus sion auch vor einer Woche –: Die ersten Öffnungsschritte, die am 20. April vollzogen wurden, konnten am Mittwoch letzter Woche in ihren Auswirkungen noch nicht abschließend beur teilt werden, weil wir alle wissen, dass wir die zwei Wochen brauchen, um zu sehen, welche Auswirkungen sich aus dem Infektionsgeschehen ableiten lassen.
Wir hatten über die Osterfeiertage das Gefühl, da fanden mehr Kontakte, auch mehr soziale Kontakte zwischen Menschen statt. Wir hatten dann die Öffnungen vom 20. April. Aber spä testens Anfang dieser Woche, seitdem wir die aktuellen Zah len auf dem Tisch haben – nämlich keine weitere Erhöhung, kein Hochschnellen der Infektionszahlen, sondern ein Stag nieren auf niedrigem Niveau, sogar ein Rückgang –, war uns doch allen klar, dass an diesem Mittwoch auf dieser Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ein ganz erheblicher Erwartungsdruck lastet.
Dass viele in diesem Land die bisherigen Maßnahmen mitge tragen haben, war richtig. Aber wenn diejenigen, die diese Maßnahmen bisher mitgetragen haben, jetzt auch sagen, dass sich das erfüllt habe, was wir durch die Maßnahmen schaffen wollten, dann müssen wir jetzt doch in einem verantwortba ren Rahmen auch wieder eine Diskussion über die Öffnung bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe das Gefühl, dass das andere vor dem Ministerpräsidenten des Landes Ba den-Württemberg verstanden haben. Denn das, was in den letzten Tagen passiert ist, war – mit Verlaub – keine Öffnungs diskussionsorgie, sondern eine Diskussion in den einzelnen Bundesländern – sehr oft auch konkret auf das jeweilige In fektionsgeschehen bezogen.
Wenn ich hier in diesem Hohen Haus häufig das Hohelied des Föderalismus und der regionalen Besonderheiten höre, dann kann ich denen, die eine weit weniger brisante Lage in ihren Ländern haben, keinen Vorwurf daraus machen. Vielmehr müssen diese dann auch die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, wie der jeweilige Weg in diesen Bundesländern aussieht.
Herr Schwarz, dann ist das kein Wettbewerb der Marktschrei er – mit Verlaub. Wenn ich dann höre, dass der Ministerprä sident von Bayern – – Ich bin überhaupt nicht verdächtig, die sen Herrn in irgendeiner Weise zu verherrlichen.
Aber dieser Herr Söder aus der „Allianz der Vernünftigen“ – wenn ich das so zitieren darf – hatte offensichtlich das Näs chen wieder im Wind und hat bereits gestern in seinem Kabi nett einen Beschluss fassen lassen. Warum hat er das gemacht? Weil er ziemlich genau wusste, was heute auf dieser Minis terpräsidentenkonferenz passieren wird.
Jetzt kommt die zweite ganz spannende Frage. Wenn wir wussten, was in etwa heute beschlossen wird, sehe ich Län der wie Niedersachsen mit Stephan Weil oder Bayern mit Herrn Söder in einer weit besseren Position, was die Ausar beitung der Verordnungen und die tatsächliche Umsetzung dieser Öffnungsschritte angeht. Ich möchte eines nicht, näm lich dass in Baden-Württemberg kommunale Vertreter, dass wir, der Landtag von Baden-Württemberg, wieder Freitag nacht oder Samstagfrüh die neuesten Verordnungen bekom men, die wir dann ab Montag umsetzen sollen. Wie soll denn so etwas funktionieren, meine sehr geehrten Damen und Her ren?
Ich glaube, dass, wenn wir das Bild einer Karikatur nehmen, wahrscheinlich das Bild einer Kutsche ganz passend wäre, wo am Anfang noch alle schön auf dem Planwagen saßen, vor sich hin gezockelt sind und überlegt haben: Was passiert jetzt mit dem Infektionsgeschehen? Ich habe das Gefühl, dass sich einige Ministerpräsidenten – jetzt kommen wir auch zu dem Thema „Akzeptanz in der Bevölkerung“ – von der Kutsche nach vorn auf die Pferde begeben haben und denen fleißig die Sporen geben, weil es ihnen zu langsam geht.
Herr Ministerpräsident, das Problem der Akzeptanz der Maß nahmen durch die Bürgerinnen und Bürger gerade in BadenWürttemberg ist, glaube ich, gar nicht so sehr die Frage, ob die 16 Bundesländer exakt das Gleiche tun. Ich halte das für relevant, weil ich Unterschiede auch erklären können muss. Zum Teil kann ich sie aber eben erklären.
Ich glaube, ganz problematisch wird die Frage der Akzeptanz aber dann, wenn es gar nicht um ein „Auseinanderfallen“ der
16 Regierungspferde geht, sondern wenn es um ein „Ausein anderfallen“ zwischen den Regierungsmitgliedern hier in Ba den-Württemberg geht, wobei die einen, die Grünen, heftigst die Fersen in den Boden pressen und versuchen, die Kutsche noch irgendwie zu halten, während die CDU vorn auf den Gäulen sitzt und den Pferden die Sporen gibt. Das passt aus Sicht vieler Menschen in diesem Land eben nicht zusammen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Jede Mannschaft hat Stürmer und Verteidiger!)
Ich weiß, dass Herr Justizminister Wolf ein begeisterter Rei ter ist – als ein Beispiel. Er hat sich auch zu der Frage der Öff nung der Gastronomie geäußert. Das ist völlig legitim. Ich muss eben definieren, unter welchen Bedingungen ich eine Öffnung verantwortbar vornehmen kann. Ich muss sie dann auch angemessen umsetzen.
Deswegen glaube ich, das Hauptproblem der Landesregierung von Baden-Württemberg ist nicht der Blick auf die anderen Bundesländer – doch insoweit schon, als wir ständig rechtfer tigen müssen, warum wir später dran sind als andere. Es ist aber vor allem auch der Streit innerhalb der Regierung und der offensichtliche Dissens zwischen den Regierungsfraktio nen. Da können Sie so viel weiße Salbe draufschmieren, wie Sie wollen. Sie werden in dieser Frage nicht zu einer gemein samen Position kommen.
Wir, die Sozialdemokraten – auch andere haben das hier an dieser Stelle getan –, fordern einen Plan ein; wir fordern Plan barkeit, Nachvollziehbarkeit und vor allem Verlässlichkeit. Ich habe auch gesagt: Es reicht nicht, wenn man ständig die Floskel „Wir wollen auf Sicht fahren“ gebraucht. Das habe ich zu Beginn dieser Pandemie sehr gut verstanden, weil da noch viel zu vieles unbekannt war. Wir konnten die Verläufe des Infektionsgeschehens überhaupt nicht voraussehen. Da kann ich es nachvollziehen. Aber diese Floskel sollte jetzt ein für alle Mal eingepackt werden. „Auf Sicht fahren“ wird näm lich bei der Bevölkerung so verstanden, als ob wir im Nebel stochern würden.
Ich glaube, mit den zunehmenden Erkenntnissen, die auf der medizinischen Seite inzwischen vorliegen, auch aufgrund der inzwischen nach und nach eintreffenden Gutachten zu ver schiedenen Fragen, wie das Virus weitergegeben wird, wel che Arten von Kontakten besonders gefährlich sind, können wir mehr tun, als nur auf Sicht zu fahren. Gleichzeitig, sage ich, können wir keinen Plan erstellen, der für die nächsten drei, vier Monate minutiös vorgibt, was wir wann tun können. Aber wir müssen gleichzeitig den Menschen das Gefühl ge ben, dass wir eine Strategie, einen Plan für den Weg zurück in eine neue Normalität haben.