Protokoll der Sitzung vom 17.06.2020

Um das Ganze zu belegen, muss man nur einmal Revue pas sieren lassen, was Ihr sogenanntes Spitzenpersonal sich hier in diesem Hohen Haus schon alles geleistet hat. In einer der

ersten Sitzungen des Landtags in dieser Legislaturperiode wurde hier ein Stofftier präsentiert. Dann gab der Vorsitzen de der FDP/DVP-Fraktion Wikipedia-Wissen über Kiwis zum Besten. Später gab es dann etwas über braune Krawatten. Dann haben wir etwas über Asterix und Obelix und Hinkel steinchen gehört.

(Zurufe)

Zudem hat er im Wahlkampf Bernd Gögel verleumdet, aber bis heute hat er sich dafür nicht entschuldigt.

(Zuruf)

Wer diesen Landtag missbraucht

(Lachen)

und dann noch in einer zweitklassigen Möchtegern-Satiresen dung anrufen lässt, damit er ja ins Fernsehen kommt, der hat sein wahres Gesicht hier offen gezeigt.

(Vereinzelt Beifall – Zurufe)

Meine Damen und Herren, Ihr Gesetzentwurf vermag nicht von den Fehlern abzulenken. Die Erforderlichkeit der Betei ligung des Landtags beim Erlass von Rechtsverordnungen durch die Landesregierung zur Regelung von Geboten und Verboten zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach § 32 Satz 1 IfSG besteht nicht nur im Rahmen der Covid19-Pandemie in der ersten Jahreshälfte 2020, sondern auch in der Zukunft. Dem tragen Sie überhaupt nicht Rechnung. Sie kommen mit einem Einzelfallgesetz, das für kommende Pan demien keine Geltung haben soll. Das ist nicht sachgerecht.

Daher wird meine Fraktion einen entsprechenden Änderungs antrag vorlegen. Die Änderung dient der Anpassung des Ge setzentwurfs an eine allgemeine Fassung. Außerdem muss Zif fer 2 geändert werden, um der verfassungsrechtlich gebote nen Zitierung der Vorschrift des Artikels 80 Absatz 4 des Grundgesetzes gerecht zu werden.

(Zuruf: Nein!)

Diese Regelung erlaubt es den Ländern, im Wege eines ver ordnungsvertretenden Landesgesetzes Regelungen auch durch Gesetz zu schaffen.

Herr Abgeordneter, jetzt haben Sie aber nicht mehr die Zeit, so ins Detail zu gehen. Sie haben die Zeit anders verbraucht.

Ich habe noch einen Satz. –

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, ich glaube, die Zeit ist abgelaufen!)

Hier greifen wir die vom AnwaltsVerband vorgeschlagenen Regelungen auf, wie bereits erwähnt.

Vielen Dank.

(Beifall – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ich wür de sagen: Das war bemerkenswert nichtssagend! – Abg. Reinhold Gall SPD: Ist Herr Räpple heute ei gentlich auch auf einem Geburtstag? – Weitere Zuru fe)

Als Nächster spricht Herr Abg. Pfeiffer.

Werte Frau Präsidentin, werte Kollegen! Es ist zweifellos richtig, wie es der FDP/ DVP-Gesetzentwurf vorsieht, die parlamentarische Kontrol le weiter zu stärken. Allerdings – ich sage es gleich vorweg – ist mir das noch nicht konsequent genug.

Die Einschränkungen der Grundrechte im Rahmen der Covid19-Krise sind seit Bestehen der Bundesrepublik einmalig. Das wirft berechtigte Fragen auf: Sind alle Maßnahmen zwingend notwendig, angemessen und verhältnismäßig?

Virologen und Wissenschaftler sind sich uneins, Landesregie rungen sowieso, die Bürgerschaft ist gespalten; das wissen Sie. Das verleitet Regierungen dazu, sich einen besonders gro ßen Spielraum zu verschaffen.

Auch unser Föderalismus macht diesen Spielraum sichtbar. Das mag man beklagen, aber Föderalismus ist auch gut so.

Zur Politik gehört ein Gestaltungsspielraum; das ist klar. Nur geht es hier ans Eingemachte, an Einschränkungen der Frei heitsrechte der Menschen. Gott sei Dank, die Gewaltenteilung funktioniert. Gerichte haben schon die eine oder andere frei heitseinschränkende Maßnahme wieder aufgehoben.

Allein zur Gewaltenteilung gehört unverzichtbar auch die par lamentarische Kontrolle. Das Parlament in Corona-Urlaub zu schicken geht gar nicht.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Für die Regierung ist das zwar bequem, aber unser Grundge setz gibt Regierungen keinen Freibrief, Grundrechte auf Eis zu legen, auch nicht zeitweise.

(Zurufe)

Daher ist im Gegenteil das Parlament in dieser Situation noch enger einzubinden, um dem autoritären Durchregieren des Mi nisterpräsidenten – der das offenbar gern tut – einen Riegel vorzuschieben. Wir brauchen hier einen Systemwechsel, ei nen Systemwechsel weg von der beliebten Praxis des Durch regierens hin zur Praxis gelebter Kontrolle und Gewaltentei lung.

Ich möchte deshalb in Ergänzung des Gesetzentwurfs – § 2 Absatz 2 – vorschlagen, dass eine Zustimmung mit Zweidrit telmehrheit zu erfolgen hat, sobald die in Absatz 1 erwähnten Grundrechte beschnitten werden.

Ich halte einen weiteren Absatz für erforderlich:

Rechtsverordnungen, die Grundrechtseinschränkungen beinhalten, sind für eine eventuelle Verlängerung alle zwei Wochen dem Parlament vorzulegen.

Auch dafür soll die Zweidrittelmehrheit gelten.

Das mag unbequem sein, aber das Parlament repräsentiert die Bürger und nicht die Bequemlichkeit. Das dürfen wir nie ver gessen. Schränken wir ihre Grundrechte temporär ein, ver langt dies ein hohes Maß an demokratischer Kontrolle und parlamentarischer Repräsentation. Dafür sind wir gewählt.

Ich möchte schließen mit einem Bibelwort:

Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nie der, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein;...

(Zurufe)

Nun hat Herr Abg. Dr. Ge deon das Wort.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ist Fiecht ner schon heimgegangen?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich begrüße den Gesetzentwurf der FDP/DVP nachdrücklich. Allerdings kommt er ziemlich spät. Ich habe schon wesentlich früher, u. a. am 19. März, von ei ner Stunde des Landesparlaments gesprochen. Das Parlament ist darauf nicht eingegangen. Für mich war das eine Autoka stration des Parlaments. Es hat seine Chancen nicht wahrge nommen, die es gehabt hätte.

In einer Zeit, in der die schwerwiegendsten Eingriffe in die Grundrechte der Menschen vorgenommen worden sind, hat man das Parlament de facto in Urlaub geschickt. Zwischen dem 19. März und dem 26. April – das war die Hochzeit – fand keine einzige Parlamentssitzung statt. Am 19. März ha be ich die Rede von der Unverhältnismäßigkeit der Maßnah men gehalten. Die AfD hat leider auch am 20. März noch – daran muss ich euch erinnern – über ihren Bundessprecher Meuthen den Lockdown verkünden lassen, als schon abseh bar war, dass die Spitze der Pandemie erreicht war.

Das ist die Situation insgesamt. Sie glauben, dass alles so harmlos verlaufen ist, weil Sie alles so gut gemacht hätten. Das ist eine Meinung, deren Richtigkeit Sie durch nichts be weisen können. Letztlich ist eine maßlose Übertherapie, wür de man medizinisch sagen, erfolgt. Übertherapie ist genauso schlimm wie gar keine Therapie. Die Rechnung werden wir erst noch bekommen. Die ganzen Kollateralschäden, die gan zen Nebenwirkungen der Therapie werden in den nächsten Monaten über uns hereinbrechen. Dann wird die Freude über den angeblichen Erfolg sehr schnell zusammenschmelzen.

Meine Damen und Herren, nutzen wir jetzt wenigstens die Si tuation, dass wir von diesen nicht wissenschaftlich begründe ten, sondern letztlich vom Bauchgefühl von Herrn Drosten und anderen bestimmten politischen Maßnahmen ablassen, dass wir nicht kleckern, sondern klotzen, dass wir wirklich die totale Rückkehr, wie ich es immer wieder sage, zur Normali tät durchführen, so wie es nun in Thüringen bzw. in anderen Ländern schon früher gemacht worden ist. Wir brauchen jetzt wirklich einen Befreiungsschlag, auch psychologisch. Die Leute sind sehr eingeschüchtert. Wenn Sie in ein Restaurant gehen, hat der Wirt nur Angst, dass er 5 000 € zahlen muss, falls er etwas falsch macht.

Herr Abgeordneter, kom men Sie bitte zum Schluss.

Mit dieser Psy chologie werden Sie keinen konjunkturellen Impuls geben. Wenn Sie einen psychologischen und einen konjunkturellen

Impuls wollen, dann müssen Sie jetzt die totale Rückkehr zur Normalität durchziehen. Das muss der Landtag hier beschlie ßen.

Danke schön.

Die Regierung hat um das Wort gebeten. – Herr Minister Lucha, das Redepult steht für Sie bereit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Vorab müssen wir noch einmal betonen, dass die Lan desregierung von Baden-Württemberg dieses Land mehr als nur anständig durch die Coronakrise gebracht hat. Es ist uns im Übrigen gemeinsam – ich komme noch darauf – gelungen, in hohem Tempo die richtigen Entscheidungen zu treffen, um das Virus in den Griff zu bekommen und Kommunen und Wirtschaft dabei zu stützen.

(Vereinzelt Beifall)