Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Mei lenstein für Naturschutz und Landwirtschaft. Er ist ein Erfolg für die Landesregierung und alle beteiligten Verbände. Es war ja kurz vor Weihnachten, als es zu einer Einigung kam – wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben; es war sozusagen der
Weihnachtsstern, der offensichtlich so vielen das Licht ge bracht hat –, einer Einigung zwischen Umweltverbänden und Landwirtschaftsverbänden, die vorbildlich ist – der Umwelt minister hat darauf hingewiesen –, und einer Einigung, die für ganz Deutschland Signalwirkung hat. Dies wurde eigentlich durch die dpa-Meldung, auf die Minister Untersteller soeben hingewiesen hat, bestätigt.
Mit diesen Gesetzesänderungen setzen wir bundesweit Stan dards für mehr Artenvielfalt auf öffentlichen und privaten Flä chen sowie in der Landwirtschaft. Wir überwinden damit den Gegensatz zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Denn der Artenschutz wird gestärkt, und die Landwirtschaft be kommt eine Zukunftsperspektive. Wir brauchen den Natur schutz. Nur so können wir unsere natürlichen Lebensgrund lagen erhalten.
Sie alle wissen – ich möchte es trotzdem noch mal erwähnen; manche vergessen es ja auch wieder –: Zusätzliche 60 Milli onen € gibt diese Landesregierung für Naturschutz und eine ökologische Transformation der Landwirtschaft aus.
Wir sind uns auch alle einig: Wir brauchen die Pflege der Kul turlandschaft. Auch sie trägt erheblich zum Naturschutz bei. Wir sehen die Landwirtschaft als Partner im Naturschutz. Des wegen lautet auch eine unserer Kernforderungen an die EU, dass die Agrarförderung umgestellt wird. Wir wollen eine EUweite Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, zu Beginn der neu en Förderperiode mit einem Mindestanteil von 30 % der Di rektzahlungen für ehrgeizige Eco-Schemes zu starten und die sen Anteil in den nächsten Jahren auf 60 % zu erhöhen.
Wie notwendig eine Umstellung der Produktion und auch der Verarbeitung der Lebensmittel ist, zeigt die unsägliche Dis kussion um die Fleischfabriken. Dort wird keinerlei Rücksicht auf das Tier genommen, dort wird keinerlei Rücksicht auf die Menschen genommen. Alle nehmen Schaden.
Ich möchte nur ein Beispiel geben. Wenn eine Bäuerin oder ein Bauer derzeit ein Kalb verkauft, erzielt sie oder er einen Preis von 10 €. Das ist ein Skandal. Gleichzeitig wird das Ver mögen von Herrn Tönnies auf 2 Milliarden € geschätzt. Da gibt es ein Missverhältnis, das wir dringend ändern sollten.
Ich muss leider wiederholen, was ich schon während der BSEKrise gesagt habe, weil sich seither nichts geändert hat: Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind aufgefordert, mitzu machen. Denn wer Fleisch zum Preis von Hundefutter kauft, bekommt letztendlich eben Hundefutter. Meine Damen und Herren, deswegen ist die ganze Gesellschaft gefordert, etwas zu ändern.
Der Gesetzentwurf macht deutlich: Arten- und Naturschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das gilt nicht nur für den ländlichen Raum – der Minister hat schon darauf hin gewiesen –, sondern auch für die Städte, und zwar sowohl für die öffentliche Hand als auch für uns alle. Deswegen soll es ein Verbot von Schottergärten und Steinwüsten geben. Gleich zeitig wollen wir eine konsequent pestizidfreie Begrünung der Kommunen und die Eindämmung der Lichtverschmutzung durch Außenbeleuchtung. Die Außenbeleuchtung wird häufig eine Falle für Tausende von Insekten.
Meine Damen und Herren, das Volksbegehren in Bayern hat gezeigt: Immer mehr Menschen setzen sich für den Erhalt von Natur und Umwelt ein. Deren Anliegen wird der Gesetzent wurf gerecht. Zu den Eckpunkten wird der Kollege Pix nach her noch einiges sagen; einiges wurde schon vom Umweltmi nister gesagt.
Wir wollen, dass auch öffentliche, landeseigene Flächen vor rangig ökologisch bewirtschaftet werden. Wir wollen, dass Domänen nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden, und wir wollen, dass Parkanlagen und Grünanlagen zukünftig tatsächlich insektenfreundlich gestal tet werden. Auch im Sinne des Klimaschutzes ist es dringend notwendig, dass wir unsere Kommunen wieder mehr begrü nen, damit die Menschen wieder mehr Flächen haben, damit wieder mehr Grünflächen in unseren Kommunen sind. Nur so werden wir auch das Kleinklima verbessern, wenn die Tem peraturen weiter steigen werden.
Fazit: Meine Damen und Herren, in Zeiten, in denen man fürchten kann, dass unsere Gesellschaft immer mehr ihren Zu sammenhalt verliert, haben wir es geschafft – insbesondere haben es die beiden Minister Hauk und Untersteller geschafft –, gegensätzliche Interessen zusammenzubringen. Ich möch te noch einmal daran erinnern: Hier sind zwei Züge aufeinan der zugefahren, die jetzt gemeinsam den Weg nach vorn su chen. Das ist ein riesiger Erfolg. Es ist ein großer Schritt in eine lebenswerte Zukunft für uns alle. Dafür noch einmal herzlichen Dank an alle, die daran beteiligt waren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute biegen wir in die Schlusskurve eines sehr nerven- und kräftezehrenden Mara thons ein. Wir bringen heute ein ausgewogenes und mit allen wesentlichen Verbänden ausdiskutiertes, in der Bevölkerung erwünschtes und bundesweit aufsehenerregendes Gesetz ein, das – das möchte ich ausdrücklich betonen – für uns keinen Wendepunkt oder einen Paradigmenwechsel in der Wirtschafts- und Naturschutzpolitik in Baden-Württemberg darstellt, son dern eine konsequente und ausgewogene Weiterentwicklung dessen ist, was dieses Land von der ersten Stunde an auszeich net.
Baden-Württemberg ist anders. Ich will selbstbewusst hinzu fügen: Es ist schöner. Das liegt an der abwechslungsreichen Kulturlandschaft, die uns unsere Vorfahren hinterlassen ha ben. Das Zusammenspiel zwischen natürlicher Schönheit und dem, was der Mensch daraus gemacht hat, beschreibt schon ein altes Kirchenlied, in dem es heißt:
Natur und Mensch gehen in dieser Landschaft miteinander um. Das hat zu großartigen Landschaften – von den Streuobst wiesen über die ertragreichen Äcker bis zu den Wiesenland
Umso mehr ist es nur konsequent, dem Artenschwund und der Biodiversität auf der einen Seite und den schwierigen Markt bedingungen der Bäuerinnen und Bauern auf der anderen Sei te durch dieses Gesetz gleichermaßen Rechnung zu tragen. Nicht zu jedem Zeitpunkt dieses ungewöhnlichen Verfahrens war diese Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bewirtschaf tern und Naturschützern allen Akteuren bewusst. Namentlich möchte ich auch jene Verbände, Abgeordneten und Parteien nennen, die zu Beginn des Volksbegehrens „Rettet die Bie nen“ mit wehenden Fahnen für jenes Ursprungsmodell des Volksbegehrens eintraten, das in letzter Konsequenz – das hat auch der Umweltminister vorhin gesagt – tatsächlich einen Paradigmenwechsel bedeutet hätte, und zwar nicht zum Woh le der Landschaft,
sondern zu einem ideologischen, bewirtschaftungsfeindlichen Konstrukt, das fernab jeglicher Realität schwerwiegende Fol gen für Bäuerinnen und Bauern und damit auch für den Er halt unserer Kulturlandschaft gehabt hätte.
Selbst nach dem Rückzug z. B. der Hopfenbauern aus Tett nang oder der von Beginn an konsequenten Weigerung des Landesnaturschutzverbands haben es andere vorgezogen, auf diesen Zug – warum auch immer – aufzuspringen, wohlge merkt einen Zug, den wir nicht mehr hätten aufhalten können. Nur durch die Weitsicht dieser Landesregierung – auch unser Dank gilt beiden Ministern gleichermaßen, Herrn Hauk und Herrn Untersteller, die das Heft in die Hand genommen ha ben – ist es gelungen, gemeinsam mit den Verbänden einen neuen Entwurf zu machen, den wir heute in Gesetzesform gie ßen.
Wie jede Fortentwicklung besteht auch die Weiterentwicklung der bestehenden Gesetze aus kleinen Mosaiksteinen, die wir nun im weiteren Prozess mit Leben füllen müssen. Ein Mo saikstein ist z. B. das Bekenntnis zu einer den Bedürfnissen der Landwirtschaft angepassten Pflanzenschutzmittelredukti on. Ein weiterer Mosaikstein sind auf der anderen Seite aber auch Maßnahmen, die die Verantwortung urbaner Zentren, des Verkehrs, des Flächenverbrauchs, der Bewirtschaftung von Privatgärten und öffentlichen Flächen beim Verschwinden von Biodiversität betonen.
Insektenfreundliche Beleuchtung, Rücksichtnahme auf die Belange von Insekten und Fledermäusen, das Verbot des Ein satzes von Pestiziden in Privatgärten und das Pochen auf na turnahe Privatgärten, all das zeigt, dass es eben nicht immer nur die Landwirtschaft ist, die Biodiversität gefährdet. Es ist der Mensch, der nach Aufgeräumtheit strebt, der Vielfalt un terbindet.
Letztlich ist es ganz einfach: Die Natur ist dort zu Hause, wo man sie Natur sein lässt. Biodiversität ist – verkürzt – das Er gebnis der einfachen Rechnung: Fläche mal Zeit. Und nur auf Rückzugsflächen kann Vielfalt wachsen.
Deshalb sind die Regelungen zur Biotopvernetzung und zu äußerst wertvollen Refugialflächen innerhalb bereits bewirt schafteter Gebiete besonders wichtig. Was heute auf vielen Höfen, Obstplantagen und Weingärten, z. B. im integrierten Anbau, schon längst Usus ist, wird nun auch ausgeweitet.
Machen wir uns also auf den Weg zu mehr Vielfalt – gemein sam, verständnisvoll und, ganz wichtig, in einem guten Dia log zwischen den Bewirtschaftern und der Bevölkerung, zwi schen der Politik und der Gesellschaft, zwischen Wünschens wertem und Machbarem und zwischen Ideologie und Reali tät.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon etwas Besonderes, wenn Umwelt- und Agrarverbände, Umwelt- und Agrarministerium, Grüne und Schwarze so einmütig
Und wir bemerken allgemeines Schulterklopfen. Aufgabe un serer Oppositionsarbeit ist es jetzt, die Schwächen aufzuzei gen, und davon gibt es auch einige.
Aber bevor jetzt Landesregierung und Regierungsfraktionen in Eigenlob und Selbstgerechtigkeit ertrinken, vielleicht ein mal ein kurzer Blick zurück.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat ein dringlich vor den Folgen des Artenschutz-Volksbegehrens in Baden-Württemberg gewarnt. Er wandte sich vor al lem gegen das geforderte Verbot von Pestiziden in Natur schutzgebieten. „Das hätte dramatische Folgen für Tau sende von konventionellen und biologisch wirtschaften den Betrieben“, sagte Kretschmann am Dienstag in Stutt gart. „Das geht so nach unserer Ansicht auf gar keinen Fall.“
Und Umweltminister Untersteller hatte über das Volksbegeh ren in Bayern nur gesagt, das brauche man in Baden-Würt temberg nicht, weil man schon viel besser sei. Von einem neu en Landesgesetz wollte er da noch gar nichts wissen, das sei völlig überflüssig.