Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

Ein richtiges Instrument für Ihre Fragen wäre eine Große An frage gewesen, eine Große Anfrage, wie sie z. B. die CDUFraktion vor wenigen Tagen in Aufarbeitung der Folgen der Krawallnacht in Stuttgart am 20. Juni gestellt hat.

Danke schön.

(Beifall – Abg. Willi Stächele CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Binder.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Es ist Aufgabe eines Rechtsstaats, die De monstrationsfreiheit in unserem Land zu gewährleisten, sie zu ermöglichen und gegen diejenigen vorzugehen, die gegen die se Demonstrationsfreiheit vorgehen, und die Menschen, die dort demonstrieren – unabhängig davon, für was und gegen was sie demonstrieren –, zu schützen. Das hat die Polizei die ses Landes getan, auch an besagtem Tag im Mai 2020, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Wir haben heute einen Antrag auf Einsetzung eines Untersu chungsausschusses vorliegen, der sehr viel über die AfD-Frak tion im Landtag von Baden-Württemberg aussagt. Dieser An trag sagt sehr viel darüber aus, welche Ansicht Sie zur Straf verfolgung und zum Rechtsstaat in diesem Land haben. Es gibt in diesen wenigen Fragen einige Beispiele, die dies bele gen. Ich will nur eines nennen: Die Staatsanwaltschaft geht von einem versuchten Totschlag aus. Das ignorieren Sie und reden nach wie vor von einem Mordanschlag. Wahrscheinlich erkennen Sie die Unterschiede gar nicht. Deshalb ist ein Un tersuchungsausschuss bei Ihnen per se in den falschen Hän den, meine Damen und Herren.

(Zurufe)

Kollege Blenke hat bereits darauf hingewiesen, dass Sie, um Ihre Fragen stellen zu können, eine Große Anfrage oder einen Antrag hätten stellen können. Bei den wenigen Fragen, die Sie gestellt haben, würde übrigens sogar eine Kleine Anfrage reichen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das stimmt!)

Im Übrigen sind Ihre Fragen alle schon beantwortet.

Jetzt darf man ja nicht aus nicht öffentlichen Sitzungen be richten, aber ich will mich einmal so ausdrücken: In einer der letzten Innenausschusssitzungen, in der der Innenminister ei nen Bericht gegeben hat, haben die anschließenden Fragen der AfD zu diesem Komplex die Sitzung nicht unbedingt ver längert.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Deshalb frage ich mich: Was wollen Sie eigentlich mit diesem Untersuchungsausschuss, außer unter Beweis zu stellen, dass Sie Misstrauen in die Staatsanwaltschaft haben, Misstrauen in die Polizei haben und dass Sie nicht eine Strafverfolgung wollen, sondern dass Sie das Ziel eines Gesinnungsstrafrechts verfolgen, weil Sie Ihr Urteil von vornherein schon gefällt ha ben und es nicht dem Rechtsstaat und rechtsstaatlichen Straf verfolgungsbehörden überlassen, meine Damen und Herren?

(Beifall – Zurufe)

Deshalb frage ich mich, was es eigentlich soll, dass wir heu te darüber diskutieren. Denn wir werden, wie wir es auch schon getan haben, noch in weiteren Ausschusssitzungen da rüber diskutieren, wie die Täter festgesetzt worden sind. Es wird Strafverfahren geben. Diese werden wir dann verfolgen.

Wir können Untersuchungsausschüsse eben nur zu abge schlossenem Regierungshandeln machen, und es ist gut so,

dass in diesem Land die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt, die Polizei bei den Ermittlungen mitwirkt und dafür eben Gott sei Dank nicht die AfD zuständig ist, meine Damen und Herren. Denn andernfalls würde es um den Rechtsstaat in diesem Land wirklich schlecht aussehen. Lassen Sie die Er mittlungsbehörden arbeiten! Lassen Sie sie ohne einen ver frühten Verdacht und ohne eine Vorverurteilung, wie Sie es tun, arbeiten. Und dann warten wir den Ausgang dieser Er mittlungen ab. Wir werden die Gerichtsverfahren sehen. So läuft es in einem Rechtsstaat. Hier herrscht Gewaltenteilung, und es ist nicht das Parlament, das die Ermittlungen führt, son dern es ist die Staatsanwaltschaft.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Weinmann.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und liebe Kollegen! In einer Demokratie, in unserer zivilen Gesellschaft, lösen wir einen Disput und lösen wir Meinungsverschiedenheiten nicht mit Fäusten, nicht mit Waf fen, nicht mit Gewalt, sondern wir lösen sie mit Worten und Argumenten.

(Beifall)

Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden – und zwar im wörtlichen Sinn, nicht im Sinne der Urheberin dieses Ausspruchs. Es ist inakzeptabel, dass Menschen wegen ihres politischen Engagements Einschüchterungen und tätli chen Angriffen ausgesetzt sind. Daher ist es ein gutes und wichtiges Signal unseres Rechtsstaats, dass die mutmaßlichen Täter ermittelt werden konnten. Es war ein feiger Angriff auf unsere freiheitliche Grundordnung. Die Demokratie muss – und ich bin auch fest davon überzeugt, das wird der Fall sein – sich gegenüber ihren Gegnern als wehrhaft erweisen.

Der inakzeptable und unbestritten verwerfliche Überfall vom 16. Mai in Stuttgart-Bad Cannstatt zeigt aber einmal mehr, wie wichtig es ist, sich Extremismus jeglicher Art gleicher maßen entschieden entgegenzustellen. Ein berechtigt konzen trierter Blick auf den Rechtsextremismus, und zwar nicht nur nach dem NSU-Terror, nach dem Anschlag von Halle oder dem furchtbaren Mord an dem Regierungspräsidenten Walter Lübcke, darf nicht dazu führen, den bekannten gewaltberei ten Linksextremismus zu vernachlässigen oder diesen gar zu unterschätzen. Sorgenvoll – es wurde schon angesprochen – beobachten wir, wie die Zahl linksextremer Gewalttaten im Land sich im letzten Jahr von 60 auf 112 fast verdoppelt hat. Hier sind wir gehalten, geschlossen und entschlossen den Sumpf des Extremismus auszutrocknen.

(Beifall)

Nicht nachvollziehbar ist indes für uns, dass das Innenminis terium die Abteilungen für die Bereiche Linksextremismus und Ausländerextremismus beim Landesamt für Verfassungs schutz nun zusammengelegt hat. Angesichts der durchaus gro ßen Unterschiede bezweifeln wir die Effizienz dieser Maß nahme.

(Beifall)

So schrecklich, verwerflich und inakzeptabel die Tat ist, so schäbig ist es allerdings – so, wie es die AfD getan hat –,

(Lachen der Abg. Dr. Christina Baum AfD – Abg. Thomas Axel Palka AfD: Das musste ja kommen!)

diese Tat für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Schlimm ge nug, dass unsere Polizei von zahlreichen Politikern unter Ge neralverdacht gestellt wird, dass ihr „latenter Rassismus“ un terstellt wird und dass bei dieser Diskussion noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen wird,

(Zurufe)

indem bewusst und grob fahrlässig hier den Ermittlungsbe hörden „Stammbaumforschung“ unterstellt wird. Mit den Fra gen, die Sie in Bezug auf diesen beabsichtigen Untersu chungsausschuss aufwerfen, suggerieren Sie – Ihre Aussage, Frau Dr. Baum, belegt das –, dass die Polizei bewusst Perso nal abgezogen habe, um die Opfer linksextremistischen Ge walttaten auszusetzen. Dieser Vorwurf, meine Damen und Herren, ist völlig absurd. Für eine derartige Verschwörungs theorie steht die FDP/DVP-Fraktion nicht zur Verfügung.

(Beifall – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Gerade eine Partei, die Rechtsextreme und Antisemiten in ih ren Reihen duldet und deren Landesverbände durch die Ver fassungsschutzämter teilweise zum Beobachtungsfall erklärt werden, erscheint nicht glaubwürdig, wenn sie sich als allei nige Hüterin von Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit ge riert.

(Beifall)

Unsere Polizei und unsere Justiz leisten bei der Aufklärung des Sachverhalts eine solide, eine ordentliche und vor allem eine unparteiische Arbeit. Auch der Landtag wird regelmäßig über den Stand der Dinge, über die Entwicklungen informiert. Ein Untersuchungsausschuss würde – zumal zum jetzigen Zeitpunkt auch unzulässig – keinen Erkenntnismehrwert brin gen und letztendlich nur Kosten verursachen. Vor diesem Hin tergrund können wir Ihrem Ansinnen nicht nähertreten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Sckerl, was Sie hier aufge führt haben, war eine Seifenoper oder – noch besser – eine Schmierenkomödie. Es sei ungeheuerlich, dass die AfD der Polizei Nachlässigkeit vorwerfe. Wo war denn Ihre Empö rung, Herr Sckerl, als Frau Esken die Polizei „latent rassistisch“ nannte? Da könnte ich mir eher so eine Empörung vorstellen. Oder wo war Ihre Empörung, Herr Sckerl, als in Ihrer Zei tung, der „taz“, eine Redakteurin gesagt hat, die Polizei gehö re auf den Müll? Wo war da Ihre Empörung, Herr Sckerl? Da wäre sie angemessen gewesen, aber nicht bei so einer läppi schen Aktion wie der, die Sie hier der AfD vorwerfen.

(Vereinzelt Beifall – Zurufe)

Meine Damen und Herren, nicht die rechte Gewalt ist das Pro blem, sondern die linke. Das beste Beispiel sind die Vorfälle beim G-20-Gipfel vor drei Jahren. Was ist seither geschehen? Jetzt, vor drei Tagen, hat es die erste Verurteilung gegeben. Halb Hamburg brannte, aber erst jetzt gab es die erste Verur teilung: Ein Franzose bekam eine Haftstrafe von drei Jahren, zwei oder drei haben eine Bewährungsstrafe bekommen – und das war es. Das ist der Kampf gegen Linksterrorismus.

(Vereinzelt Beifall)

Das ist gar nichts, meine Damen und Herren.

Ihr Kampf gegen rechts ist nicht nur ein Ablenkungsmanöver zur Ablenkung von der linken Gewalt. Meine Damen und Her ren, Ihr Kampf gegen rechts ist ein systematisches linksfa schistisches Gleichschaltungsmanöver. Gegen das werden wir zu Felde ziehen. Das müssen wir verhindern. Wir brauchen jetzt nicht den Kampf gegen rechts, sondern den Kampf ge gen links, wenn wir eine neue DDR, eine DDR hoch drei ver hindern wollen.

Danke schön.

(Vereinzelt Beifall)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die AfD-Fraktion Frau Abg. Dr. Baum.

Liebe Kollegen! Es wurden eindeutig und unbestreitbar Fehler begangen, und diese gilt es vollumfänglich aufzuklären. Die Mercedesstraße war der Hauptzugangsweg vieler Teilnehmer. Ausgerechnet dort wur de die Polizei abgezogen.

In einem Untersuchungsausschuss geht es ausschließlich um das Versagen der Landesregierung und nicht um die Arbeit der Polizei; die kritisieren wir nicht. Es geht um den Vorgesetz ten der Polizei, den Innenminister, und seinen Nichtwillen, gegen Linksextremisten vorzugehen.