Daher ist es durchaus nett von der SPD, dass sie sich jetzt un serer Meinung anschließt – was sie sonst naturgemäß eher sel ten tut.
Frau Eisenmann verspielt die Zukunft der Kinder in unserem Land. In der Tat, das tut sie wohl, aber anders, als es die SPD vielleicht denkt. Sie verwenden ja sehr gern die Formulierung, Krisen seien Chancen. Ich kann diesen Quatsch eigentlich nicht mehr hören, aber eine Chance war wohl doch damit ver bunden, nämlich die Chance zur Selbstständigkeit. Sie wis sen sicherlich, dass das im Wesentlichen unserem Menschen bild – da unterscheiden wir uns ganz deutlich von manchen hier im Saal – entspricht. Unser Menschenbild ist der selbst ständig handelnde Mensch und auch der zur Selbstständigkeit wachsende Schüler.
Deswegen bietet diese Zeit die Chance – das war die eigent liche Chance in dieser Krise –, mit klaren Leistungsanforde rungen die Selbstständigkeit im Lernen aufzubauen und zu rückzukehren zu einer Schulkultur, in der Leistung, Wissen und Können wieder primär gefragt sind, in der die Kinder das, was vorgegeben ist, lernen, und zwar nicht unter Anleitung ei nes Begleiters oder eines Mentors, sondern unter Anleitung eines fachlich qualifizierten Lehrers – so, wie es sein soll.
Wir brauchen nicht weit zu schauen. Sie schauen üblicherwei se gern in die nordischen Länder. Schauen Sie doch einmal nach Dänemark. Dort hat es offensichtlich mithilfe digitaler Kommunikation funktioniert. Aber das Thema „ella“ haben wir schon zu Tode geritten. Dazu will ich später nur ganz we nig sagen.
Wir hingegen haben dank rot-grüner und anderer Politik seit fast zwei Jahrzehnten eine Schulkultur der schönen Vokabeln des Wohlfühlens: „gemeinsam“, „vielfältig“. Dies alles ver schleiert im Grunde genommen die Schwächen der Schüler. Das wissen die Schüler auch selbst. Deswegen muss der feh lende Stoff irgendwann – und eben jetzt – nachgeholt werden, und zwar gründlich und zügig. Es darf kein Unterricht mehr wegen Corona und auch nicht aus anderen Gründen ausfallen.
Deswegen ist die Frage berechtigt: Haben Sie, haben wir die Hausaufgaben gemacht? Leider ist dies offensichtlich nicht der Fall.
Übrigens: Krankmelden kann man sich, wenn man unpässlich ist, schon immer. Seit vielen Jahren – ich kenne es gar nicht
anders aus meinen 25 Jahren als Lehrer – hat immer ein An ruf der Eltern genügt. Das ist jetzt keine coronabedingte Än derung und auch kein Fortschritt.
Wir haben schon sehr früh die Rückkehr zur Normalität ge fordert. Und wir fordern immer wieder – auch wenn es lang weilig ist –, an den Leistungsanforderungen festzuhalten. Stattdessen wurde in der Coronazeit über „Verzicht auf Klas senarbeiten“ und „Kein Sitzenbleiben mehr“ diskutiert. Wir fordern stattdessen klare Leistungsanforderungen und Eigen verantwortung der Schüler. Die Bildungspläne sollten klar de finieren, welcher Stoff durchgenommen werden muss. Das muss dann auch in entsprechenden Tests und Prüfungen ab gefragt werden.
Die Kompetenzen – das haben wir auch schon besprochen – haben sich als Holzweg herausgestellt. Deswegen sollten wir diese Zeit wieder nutzen, um zu einer sauberen Leistungskul tur in der Schule zurückzukehren.
Natürlich müssen wir den schwächeren Schülern helfen. Aber auch bei den stärkeren Schülern stehen wir in der Pflicht, sie in kurzer Zeit – siehe G 8/G 9 – zu guten Leistungen und zu einem guten Schulabschluss zu führen – trotz Corona. Das sind die Hausaufgaben, die zu machen sind.
Die Bildungsmisere, liebe Kollegen von der SPD, die sich seit längerer Zeit abzeichnet – nicht erst seit der Coronapandemie –, äußert sich darin, dass die Erwartungen in den Schulen im mer weiter heruntergeschraubt worden sind. Jetzt, in Corona zeiten, haben wir wieder etwas Neues. Ich habe es an dieser Stelle schon des Öfteren gesagt: Offensichtlich ersetzt bei manchen Kollegen die Sprache, das Wörterfinden die Politik und die Arbeit.
Was ist denn eine „Lernbrücke“, eine zu kurze oder lange? Na gut, es ist Nachhilfeunterricht. Stört das jemanden? Nachhil fe heißt, dass Versäumtes, Verpenntes nachgearbeitet werden muss. Aber manchen passt das Wort nicht. Nachgearbeitet werden muss in Lesen, Schreiben, Rechnen und sinnvoller weise auch beim Sprechen. Das ist das, was die Schüler hof fentlich motiviert.
Aber was machen wir mit den richtig begabten Schülern? Sie langweilen sich, weil sie nämlich in der Zeit, in der sie zu Hause waren, selbst gelernt haben – oder sie kommen halt nicht. Wieder einmal werfen Sie offensichtlich den Blick nur auf die Bedürfnisse der sogenannten Schwächeren.
Es wird allgemein beklagt, dass die Coronakrise die sozialen Unterschiede angeblich wieder deutlicher hat zutage treten lassen. Der Berliner Bildungshistoriker Professor Tenorth zi tiert sogar alle Errungenschaften – was sicher übertrieben ist – der vergangenen 200 Jahre, zumindest die, die er für Errun genschaften hält: die universale Beschulung, die einheitliche Form von Schule und Unterricht sowie das individuelle Ler nen im sozialen Kontext im gegebenen Zeitrahmen. Er sieht darin fast einen Rückfall in feudale Verhältnisse. Das ist si cher übertrieben. Aber ist diese Analyse, wie es hier vorhin angeklungen ist, dass es in erster Linie um die sozialen Un terschiede geht, überhaupt richtig? Richtig ist in der Tat, dass durch die Schließung der Schulen der ordnende Tagesrhyth mus, den viele junge Menschen zum Lernen brauchen – viele
Erwachsene zum Arbeiten auch –, weggefallen ist. Grenzen lose Coronaferien – so fühlte es sich für viele Menschen an.
Was nun kam, hing nicht nur, aber eben auch von den Eltern ab. Denn seien Sie einfach ehrlich: Wie viele Einflussmög lichkeiten haben die Eltern auf ihre Kinder, wenn selbige ab einem gewissen Alter nicht wollen? Es hängt also sehr stark von den Schülern selbst ab. Hier trennt sich unter Umständen – das wollen Sie wieder ungern hören – die Spreu vom Wei zen. Während die einen die Arbeitsaufträge der Lehrkräfte ab arbeiten und die Aufgaben lösen, bleiben die anderen wie in den Ferien einfach ein bisschen länger im Bettchen liegen – das kann man ja auch verstehen. Für die guten Schüler ist es dann frustrierend, wenn sich jetzt, nach der Wiederöffnung, wieder alles um diejenigen dreht, die in der vorherigen Zeit nichts gemacht haben und auf der faulen Haut gelegen sind. Inhaltlich bedeutet das, nicht nur Lesen, Schreiben und Grund rechenarten zu üben, sondern auch das Interesse in den soge nannten Nebenfächern Sport, Kunst, Kultur und Musik zu för dern.
Zurück zum Titel der Aktuellen Debatte: „Aufhebung der Schulpflicht“. Wenn sich diese Formulierung auf die vergan genen Monate bezieht, dann hätte das natürlich nicht passie ren dürfen – nicht in diesem Maß. Wenn man früher entschie dener gehandelt hätte, dann wären diese harten Eingriffe nicht notwendig gewesen.
Der Lockdown kam zu spät. Als sich im Februar in Italien die Krise bereits abzeichnete, lehnte die Große Koalition in Ber lin noch ab, die Grenzen nach Italien zu schließen. Flugzeu ge aus dem Iran landeten sogar noch, als dort Ende März der Höhepunkt schon erreicht war, und die Passagiere wurden nicht getestet, sondern ungetestet nach Hause entlassen.
Als das Virus in Deutschland gelandet war, hat Angela Mer kel wieder das Gleiche gesagt wie schon einmal: „Jetzt sind sie halt hier, und jetzt müssen wir mit dem Risiko leben.“ Was damals falsch gemacht worden ist, das können wir heute mit Dirigismus nicht auf die Schnelle wieder wettmachen. Aber wenn es um die Formulierung „Aufhebung der Schulpflicht für das kommende Schuljahr“ geht, kommt uns das doch et was überspitzt vor.
Bisher geschah die Krankmeldung eines Schülers formlos durch die Mitteilung der Eltern – ich habe schon darauf hin gewiesen. Zur Vermeidung eines unnötigen Bürokratismus sollte das auch in Coronazeiten so bleiben. Ich gehe in der Tat davon aus, dass die Eltern ihre Kinder auch in Zukunft in die Schule schicken werden, und wenn die Abwesenheit zu lan ge dauert, dann müssen sie natürlich ähnlich wie die Lehrer selbst ein ärztliches Attest vorlegen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Also, sehr geehrter Herr Kollege Ha ser, mit Ihrer Rede schwebten Sie gerade selig über dem Bo
den der Tatsachen. Denn das hat nichts mit der Realität zu tun, was Sie da gerade eben gesagt haben.
Ich wage einmal eine Prognose: Die Kultusministerin wird gleich nach meinen Ausführungen betonen, dass in diesen Zei ten der Coronapandemie der Gesundheitsschutz vorgehe. Da mit hat sie selbstverständlich recht. Vielleicht wird sie auch auf die instabile und schwer berechenbare Lage in anderen Ländern hinweisen. Auch bei dieser Feststellung geben wir Freien Demokraten der Kultusministerin recht.
Nur, sehr geehrte Frau Kultusministerin, sind diese Feststel lungen heute nichts Neues mehr. Aus der Sicht der FDP/DVPFraktion macht gerade eine komplexe Situation umso eher entschiedenes und verbindliches Handeln erforderlich. Der grün-schwarzen Landesregierung fehlt in zentralen Bereichen ihrer Bildungspolitik der klare, verbindliche Rahmen, um den Schulen in unserem Land die nötige Planungssicherheit zu ge ben. Das lässt sich an einer ganzen Reihe von Beispielen ver deutlichen.
Beispiel Nummer 1: das Thema Attestpflicht. Während Leh rer für die Befreiung vom Präsenzunterricht ein ärztliches At test beibringen müssen – was ein richtiger Schritt ist, auch, um sie vor Pauschalvorwürfen zu schützen –, ist eine Attestpflicht für Schüler im kommenden Schuljahr nicht vorgesehen.
Damit stellt sich doch in der Tat die nicht ganz unerhebliche Frage, inwieweit die Schulpflicht noch gilt. Eine allgemeine Schulpflicht, für die wir Freien Demokraten immer eingetre ten sind, hat nämlich zwei Seiten: Zum einen verpflichtet sie den Schüler zum Besuch der Schule, zum anderen verpflich tet sie aber auch den Staat dazu, Schule und Unterricht pro fessionell zu organisieren. Um in diesem Bereich die Unsi cherheit zu beseitigen, fordert die FDP/DVP-Fraktion deshalb auch für Schüler eine Attestpflicht, damit die Schulpflicht un zweifelhaft gilt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beispiel Nummer 2: Auch im Personalbereich tut Verbindlich keit durch das Kultusministerium not. Denn die alljährlich wiederkehrende Sommerferienarbeitslosigkeit bei Lehrern und Referendaren stellt das Gegenteil von Verlässlichkeit dar. Manche Lehrkräfte bekommen schon mehrere Jahre in Folge immer wieder nur einen befristeten Vertrag und werden mit Beginn der Sommerferien entlassen.
Die FDP/DVP-Fraktion fordert daher, diese unwürdige Re gierungspraxis umgehend zu beenden. Auch in diesem Jahr hat die FDP/DVP wieder einen entsprechenden Antrag einge bracht. Grüne und CDU müssten nur über ihren Schatten springen und diesem zustimmen.
Stattdessen erreichen uns aber aktuell sogar Informationen, wonach sich ausgerechnet in diesem Jahr die Jobzusagen of fenbar noch weiter verzögern. Notabene: Die grün-schwarze Landesregierung verantwortet eine zusätzliche zeitliche Ver zögerung, obwohl aktuell eigentlich deutlich mehr Personal gebraucht würde, nämlich zum einen wegen der zu erwarten den Engpässe, zum anderen aber auch wegen der zu organi sierenden Lernbrücken in den Sommerferien.
Vollends unverständlich wird die aktuelle Situation, wenn laut Kultusministerin keine Absolventen des Ersten Lehramts staatsexamens eingesetzt werden dürfen. Es bleibt ein Ge heimnis von Kultusministerin Eisenmann, warum sie diese Möglichkeit zur Gewinnung von zusätzlichem Personal aus geschlossen hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es rächt sich nun, dass die Kultusministerin es in der gesamten Legislaturperiode ver säumt hat, wie von der FDP/DVP immer wieder angemahnt, die Eigenverantwortung der Schulen im Personalbereich zu stärken. Diese Entscheidungsfreiheit der Schulen wäre in der jetzigen Situation eine große Hilfe. Frau Eisenmann, bei die sem Thema haben Sie geschlafen, und die Schulen müssen jetzt Ihre Untätigkeit ausbaden.
Ein drittes Beispiel ist die Digitalisierung der Schulen. Es ist ein Regierungsversagen erster Güte, dass unser Land bei der Breitbandversorgung der Schulen im Vergleich der deutschen Bundesländer zusammen mit Sachsen-Anhalt die rote Later ne trägt. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Jens Branden burg hervorgeht, haben nur 5,2 % der 5 300 Schulen im Land einen Anschluss mit einer Leistung von über 1 GBit/s; in Sachsen-Anhalt sind es 5,0 %. So sieht es im Land BadenWürttemberg aus. So sieht es ganz offensichtlich mit Ihrem Qualitätsversprechen aus.
Wie reagiert aber die Kultusministerin auf dieses desaströse Ergebnis? Sie verweist auf die Zuständigkeit des Innenminis ters und der Kommunen für den Breitbandausbau. Damit wird sie aus Sicht der FDP/DVP-Fraktion ihrer Verantwortung als Kultusministerin nicht gerecht. Um überhaupt krisenfest sein zu können, sind unsere Schulen auf eine sehr gute Internetan bindung angewiesen.
Hinzu kommen weitere Versäumnisse oder Fehlentscheidun gen der grün-schwarzen Landesregierung bei der digitalen Bil dung. Wann können die Lehrkräfte und die Schüler endlich mit der Bildungsplattform rechnen? Einen Fahrplan für die einzelnen Komponenten bleibt das Ministerium schuldig. Die Bereitstellung von E-Mail-Adressen für die Lehrer und Schü ler ist nun wahrlich keine Herkulesaufgabe, die Jahre in An spruch nehmen sollte.
Doch bisher warten die Betroffenen vergeblich. Warum erhal ten die Schulen keine Positivliste für geeignete datenschutz- und datensicherheitskonforme Anwendungen? Eine solche will die Kultusministerin – zumindest derzeit – nicht heraus geben.
Warum schafft Baden-Württemberg nicht die Voraussetzun gen, um die Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten auszustatten? Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist diesen wichtigen Schritt bereits gegangen.
Was spricht gegen eine Rückmeldeplattform für die Erfahrun gen aus der Zeit des digitalen Unterrichtens und Lernens? Hier könnte viel Kreativpotenzial genutzt werden.
Und warum kann sich Frau Dr. Susanne Eisenmann nicht zu einer Fortbildungspflicht für die Lehrkräfte bei der digitalen
Bildung durchringen? Das wäre auch für das Land die Ver pflichtung, für ausreichende Fortbildungen zu sorgen und die se auch anzubieten.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Kultusministerin eine Öffnung des Digitalpakts für ein schnelleres Abrufen der Mit tel angekündigt hat. Allerdings stellt sich dann schon die Fra ge, warum der von uns, der FDP/DVP, eingebrachte Antrag dazu noch eine Woche zuvor im Bildungsausschuss von CDU und Grünen niedergestimmt worden war. Abgestimmtes Vor gehen von Regierung und Regierungsfraktionen sieht jeden falls anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.