Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Kultusministerin eine Öffnung des Digitalpakts für ein schnelleres Abrufen der Mit tel angekündigt hat. Allerdings stellt sich dann schon die Fra ge, warum der von uns, der FDP/DVP, eingebrachte Antrag dazu noch eine Woche zuvor im Bildungsausschuss von CDU und Grünen niedergestimmt worden war. Abgestimmtes Vor gehen von Regierung und Regierungsfraktionen sieht jeden falls anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Auch hier fehlt der verbindliche Rahmen für eine nachhalti ge Finanzierung. Schließlich ist es ja nicht mit der Bereitstel lung der Infrastruktur und der einmaligen Anschaffung von digitalen Endgeräten getan.
Aus unserer Sicht handelt es sich vielmehr um eine gesamt staatliche Daueraufgabe, die Bund, Länder und Gemeinden in einem Digitalpakt 2.0 gemeinsam schultern müssen.
Es wäre wichtig, dass sich die Kultusministerin hierfür beim Bund einsetzt. Und im Land könnte, wie vom Städtetag vor geschlagen, eine gesetzliche Regelung der Schuldigitalisie rung zielführend sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von einem tragfähigen ver bindlichen Rahmen für krisenfeste Schulen ist Baden-Würt temberg noch weit entfernt. Da gilt es noch viel aufzuholen, mehr Tempo zu machen und entschieden zu handeln. Aber ganz offensichtlich fehlt der grün-schwarzen Landesregierung hierzu der Wille oder die Kraft – oder beides.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Aussprache, der ich mit großem Interesse gefolgt bin.
Dem Titel der beantragten Aktuellen Debatte, Herr Fulst-Blei, liegt ein grundsätzliches Missverständnis zugrunde. Es ist in der Bildungspolitik und rein rechtlich nicht ganz unwichtig, dieses Missverständnis aufzuklären. Wir haben nicht die „Schulpflicht“ aufgehoben. Wir haben vielmehr die Präsenz pflicht aufgehoben. Das ist ein ganz zentraler Unterschied. Ich habe mich schon gewundert,
Wir haben die Präsenzpflicht übrigens aufgehoben – wohlge merkt: die Präsenzpflicht –, weil es – Frau Boser hat es ange sprochen – ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Leipzig von Mitte Mai gibt, wo genau dieses Thema verhandelt wurde.
„Gesundheitsschutz“: Ja, Herr Kern, man muss diesen Begriff in den Mund nehmen, weil man manchmal den Eindruck hat, es sei irgendwie vergessen worden, dass wir nach wie vor lei der in einer Pandemiezeit leben, in der es schwierig ist, Ge sundheitsschutz und Schulpräsenzpflicht zu koordinieren.
Wir sind mit unserer Praxis übrigens nicht allein. Wenn Sie fragen, welche Bundesländer es genauso handhaben wie wir: Mecklenburg-Vorpommern – wenn ich mich richtig erinnere, ist das ein SPD-geführtes Bundesland – geht in genau der glei chen Weise vor wie wir. Jetzt würde ich einmal sagen: Wenn das eine SPD-Ministerpräsidentin macht, ist das doch nicht so falsch. Mein Gott! Da müssen Sie doch zufrieden sein. Des halb hoffe ich sehr, dass in der zweiten Runde auch das Lob kommt, das wir in diesem Punkt erwarten.
Ich habe eine Frage zur At testpflicht. Ist es richtig, dass bei einer individuellen Erkran kung der Arzt, der aufgesucht wird, darüber entscheiden kann, ob ein solcher Entschuldigungsgrund vorliegt? Aber es geht dabei ja beispielsweise auch um die Frage, ob der Großvater des betreffenden Schülers möglicherweise gefährdet ist. Wür den Sie sagen, dass dies durch die Attestpflicht geregelt wer den kann?
Nein, das kann durch die Attestpflicht nicht gere gelt werden – übrigens auch nicht bei Lehrkräften. Die Attest pflicht bezieht sich individuell auf eine Person. Es gibt Ein zelfallregelungen – beispielsweise bei den Lehrkräften. Eine zu pflegende Person oder sonstige Angehörige, die mit im Hausstand leben, werden dadurch nicht abgedeckt. Das ist ein Problem. Das sind Einzelfallentscheidungen, die dann die Schulaufsicht mit der Schule trifft. Das ist nicht ganz unpro blematisch, weil man dann natürlich auch Rücksicht darauf nehmen muss.
Attestpflicht würde nur bedeuten: der Schüler. Erkrankte El tern oder Eltern, die zur Risikogruppe gehören, wären kein Grund, dass das Kind nicht in den Präsenzunterricht gehen
müsste. Das ist übrigens der Grund für das Urteil bzw. dessen Begründung in Leipzig. Deshalb rate ich da dringend zu ei ner gewissen Sensibilität, ohne diese übertreiben zu wollen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe das jetzt verstanden! Vielen Dank! – Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)
Jetzt ist die Frage: Um was geht es denn? Wir haben momen tan folgende Grundlage: Es fehlen im ganz niedrigen einstel ligen Bereich Schülerinnen und Schüler. Also, dieses Thema in den Mittelpunkt einer bildungspolitischen Krise zu stellen ist weder sach- noch anlassgerecht.
Es ist tatsächlich richtig, dass – Herr Abg. Haser hat es ange sprochen – bereits seit Anfang Mai Schülerinnen und Schü ler, bei denen die Lehrkräfte merken, dass sie durch den Fern unterricht nicht richtig teilnehmen, nicht erreichbar sind, an vorgegebenen Maßnahmen nicht teilnehmen, dass keine Rück meldung erfolgt, in die Schule einbestellt werden können, dort unterrichtet werden – das machen übrigens auch viele Lehr kräfte –, wo die Schülerinnen und Schüler anwesend sein müs sen, natürlich unter Coronabedingungen. Da können sie sich auch nicht entziehen, weil das eine Anweisung ist, der Folge zu leisten ist. Wir haben also bereits seit Anfang Mai genau auf diejenigen reagiert, die nicht erreichbar sind, auf diejeni gen reagiert, die vermeintlich im System verschwinden. Des halb glaube ich sehr wohl, dass wir bereits frühzeitig auf die reagiert haben, die wir nicht verlieren wollen und um die wir uns Sorgen machen. Aber insgesamt ist das Thema „keine Prä senzpflicht“ keine Frage, die aus den Schulen auch tatsäch lich als problematisch zurückgemeldet wird.
Wie unterstützen wir darüber hinaus die Schülerinnen und Schüler? Die Lernbrücken – ich habe das übrigens im letzten Bildungsausschuss sehr ausführlich debattiert – sind ein frei williges Element. Wenn Sie dieser Tage Zeitung gelesen ha ben, wissen Sie, dass ja auch die Rückmeldungen von den ein zelnen Kommunen, von den Schulträgern kommen, wie es läuft. Deshalb glaube ich, dass wir ein sehr gutes Angebot ha ben.
Aber es ist nicht das einzige Angebot, sondern ich habe im Bildungsausschuss gesagt – das ist auch bekannt; unser Kon zept liegt seit Wochen schriftlich vor –, dass wir im kommen den Schuljahr darauf reagieren. Nicht nur, dass wir die Prü fungen für 2021 schon nach hinten geschoben haben, wir ha ben auch gebeten, sich in den einzelnen Fächern auf die Kern curricula zu konzentrieren.
AGs sind übrigens nicht verboten. Auch das wird nicht da durch wahrer, dass man es konsequent behauptet. Aber AGs stehen nicht in der Priorität oben; denn die Konzentration auf das Kerncurriculum, die Analyse dessen, wo die Schülerin und der Schüler Nachholbedarf haben, muss im Vordergrund ste hen. Deshalb muss man zum Teil auch entlasten. Deshalb: AGs ja, wenn es geht. Aber wir haben im kommenden Schul jahr im Sinne der Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, uns auch ein Stück weit Schwerpunkte zu setzen, um in den Be reichen zu helfen, wo der Nachholbedarf groß ist. Das kann
aber der Schulstandort durchaus flexibel entscheiden. Wenn AGs möglich sind, dürfen diese stattfinden. Aber die Pflicht ist, zunächst den Schülerinnen und Schülern dabei zu helfen, aufzuholen, was in den letzten Monaten des Schuljahrs 2020 aufgrund von Corona nicht erfolgen konnte.
Herr Kern, ich muss Sie korrigieren – das habe ich Ihnen aber auch schon im Bildungsausschuss gesagt –: Die Aussage, dass diejenigen, die das Erste Staatsexamen haben, nicht bei den Lernbrücken unterstützen dürfen, ist schlicht falsch. Natür lich dürfen sie das. Wer es nicht darf, sind Studierende, die noch mitten im Studium sind, oder Schülerinnen und Schüler, die nicht das Alter haben, um beispielsweise zu unterstützen. Selbstverständlich dürfen diejenigen, die das Erste Staatsex amen haben, dabei helfen. Das war von vornherein klar. Das steht in den Konzepten auch drin. Deshalb würde ich mich freuen, wenn das jetzt vielleicht auch bei der FDP/DVP ange kommen ist.
Das Thema Digitalpakt haben Sie angesprochen. Ja, ich sage seit Langem, dass wir das Thema Multimediapläne verändern müssen. Wir müssen die Multimediapläne so nach hinten schieben, dass es, was die Beantragung angeht, schneller ge hen kann. Da sind wir d’accord. Das habe ich Ihnen ja auch im Bildungsausschuss dargelegt. Nur ist das keine Entschei dung, die die Länder treffen, sondern die Bundesregierung musste diese Entscheidung treffen.
Ich habe der Bundesregierung – das können Sie mir glauben – mehrfach deutlich gemacht – auch nach dem Bildungsaus schuss, weil Sie es angesprochen haben –, dass die FDP/DVP im Landtag von Baden-Württemberg – Herr Dr. Kern – gro ßen Wert darauf legt, dass wir das machen. Das hat die Bun desregierung nicht so arg beeindruckt. Deshalb hat es viel leicht ein bisschen länger gedauert. Aber wir werden daran ar beiten, dass die Bundesregierung die FDP/DVP in BadenWürttemberg wahrnimmt. Daran arbeiten wir am besten ge meinsam.
Frau Ministerin, Sie haben vorhin unterschieden zwischen Präsenzpflicht auf der einen Seite und Schulpflicht auf der anderen Seite. Würden Sie mir im Folgenden recht geben? Solange die digitale Bildung in Baden-Württemberg nicht zweifelsfrei funktioniert, ist fak tisch sehr wohl die Schulpflicht und nicht nur die Schulbe suchspflicht betroffen – oder?
Nein. Ich weiß, das ist Ihr Lieblingsthema. Das ist auch berechtigt. Bei mir ist auch angekommen, dass das im Mittelpunkt Ihrer bildungspolitischen Debatten steht.
Aber klar ist: Wir haben, was den Fernunterricht angeht, bei viereinhalbtausend Schulstandorten sehr wohl sehr viele po sitive Rückmeldungen. Die kamen von dort, wo das gut funk tioniert hat. Deshalb heißt es eben nicht „Aufhebung der Schulpflicht“, sondern „Aufhebung der Präsenzpflicht“, so
dass man am Fernunterricht teilnimmt. Deshalb habe ich die ser Tage auch darauf hingewiesen, dass es gesetzlich eben nicht zulässig ist, während der Schulzeit zu verreisen – auch dann nicht, wenn man sagt: Dann mache ich den Fernunter richt eben von Ibiza oder von Mallorca aus. Das geht nicht; das ist rechtlich nicht zulässig, und das zeigt im Übrigen auch, dass Fernunterricht Teil des Unterrichts ist – wenn auch nicht in Präsenzkultur.
Wir haben jetzt rund 300 000 Laptops an die Schulen gege ben – bzw. werden sie geben –, und selbstverständlich kön nen die Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht erreich bar sind, in der Schule digital lernen. Deshalb stimme ich Ih nen nicht zu. Wir haben für den Fernunterricht – Frau Boser hat es angesprochen – konkrete Vorgehensweisen vorgelegt. Da verändern sich die Grundlagen ab dem neuen Schuljahr. Vor dieser Basis ist selbstverständlich Fernunterricht wie Prä senzunterricht etwas, womit man dem Lernen und dem Leh ren im Rahmen der Schulpflicht bestmöglich nachkommen kann. In dieser Hinsicht stimme ich Ihnen nicht zu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird unsere Auf gabe sein, im kommenden Schuljahr unter Coronabedingun gen gemeinsam bestmöglichen Unterricht anzubieten. Das wird eine Herausforderung sein; das kann man auch nicht oft genug sagen. Denn bei manchen Themen, über die wir disku tieren, spüre ich einfach, dass die Menschen sich wünschen, dass wieder zu dieser Normalität zurückgekehrt wird, die wir vor Corona hatten. Das Thema, das nachher auf der Tagesord nung steht, ist ein Beispiel dafür.