Durch das Gesetzesvorhaben – der Kollege Hentschel hat da rauf hingewiesen – wird in beträchtlicher Weise in die Berufs freiheit nach Artikel 12 des Grundgesetzes eingegriffen. Ich will es offen sagen: Ich hege erhebliche Zweifel, ob dieses Gesetzesvorhaben in verfassungsrechtlicher wie auch in po litischer Hinsicht bereits endgültig durchdacht ist.
Wir nominieren derzeit die Kandidaten für die Landtagswahl 2021. Immer wieder heißt es mantraartig: Wir wollen Men schen aus der Wirtschaft, aus der Forschung oder aus der Wis senschaft für die Übernahme von politischer Verantwortung gewinnen. Das ist nicht so ganz einfach, wenn man solchen Personen dann die Rückkehr möglicherweise erheblich er schweren würde. Es sollen ja nicht nur diejenigen zum Zuge kommen, die sich nach oben gearbeitet haben und denen man quasi von außen die Möglichkeit verbaut.
Wer den Wechsel aus politischen Funktionen in eine andere Erwerbstätigkeit ablehnt – das schwingt in diesem Gesetzent wurf mit –, erhält möglicherweise ein Parlament aus Berufs politikern. Das würde nicht befreien, sondern erhebliche un erwünschte Abhängigkeiten schaffen.
Die SPD kann für ihr Vorhaben nur ein irgendwie geartetes Misstrauen vor allem gegen ihre eigenen Mitglieder ins Feld führen. Ein solches Misstrauen teile ich grundsätzlich nicht. Es gibt im Übrigen keine wissenschaftlichen Belege, dass Menschen aufgrund der Aussicht auf eine lukrative Anschluss beschäftigung ihre amtliche Tätigkeit ausnutzen.
Aber wir können dem Gesetzentwurf durchaus etwas Positi ves abgewinnen, denn er eröffnet die Möglichkeit, einmal über dieses Thema zu reden und eventuell nach besseren Lösungs ansätzen zu suchen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Der Entwurf der Fraktion auf links außen könnte unter dem Oberbegriff Compliance subsumiert werden, worunter man Regeltreue, also die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und freiwilligen Kodizes, versteht – all das, was die AfD-Fraktion hier im Landtag schon zu Beginn dieser Wahlperiode einführen wollte.
Sie alle zusammen haben das verhindert. Also ist Ihr heutiger Versuch nicht glaubhaft und rein dem Wahlkampf geschuldet. Ernst nehmen kann man das nicht.
Wir, die AfD, wollten Überkreuzbeschäftigungsverhältnisse verbieten, also den Fall, dass Familienangehörige eines Ab geordneten bei einem anderen Abgeordneten oder einer Frak tion angestellt werden. Sie haben eine entsprechende Rege lung verhindert. Was haben Sie denn zu verbergen?
Wir, die AfD, wollten scharfe Regeln mit erweiterten Füh rungszeugnissen und damit größtmögliche Transparenz. Sie haben solche Regeln verhindert.
Hätten Sie alle sich nicht so massiv gegen Compliance-Re geln gestellt, wäre dieser Versuch glaubhaft. So ist er es nicht. Nur die AfD steht für Compliance.
(Vereinzelt Lachen – Zurufe, u. a. Abg. Reinhold Gall SPD: Meine Güte! Dann legen Sie einmal vor, wie Sie z. B. mit Ihren Büroausgaben umgehen!)
Sie bringen einen Entwurf zur Änderung des Ministergeset zes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der politi schen Staatssekretäre ein. Ziel ist die Fixierung einer Karenz zeit für ausscheidende Regierungsmitglieder, bevor diese Tä tigkeiten in der Privatwirtschaft übernehmen. Die politische Historie – voller Skandale der Altparteien – ist bekannt. Re gierungsmitglieder verfügen über Insiderwissen und Informa tionen, und es muss verhindert werden, dass in Aussicht auf lukrative Posten Regierungsmitglieder während ihrer Regie rungstätigkeit einseitig Einfluss ausüben. Es geht also um die Verhinderung von Insidergeschäften und Korruption.
Mit dieser Problematik kennen Sie, die Sie schon viel zu lan ge hier regieren – ganz besonders die rote Truppe –, sich per sönlich bestens aus.
Ich erinnere an den Beraterjob von Sigmar Gabriel für Tön nies – und Gabriel, der Arme, sitzt jetzt auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bank.
An die Adresse der Grünen gerichtet nenne ich nur den Na men des ehemaligen Ministers für Ländlichen Raum und Ver braucherschutz, Herr Bonde.
(Zurufe, u. a. Abg. Reinhold Gall SPD: Wie viel an Steuergeldern mussten Sie eigentlich schon zurück zahlen, weil Sie sie missbräuchlich verwendet ha ben?)
Handwerklich taugt der Entwurf auch nicht. Die vorgelegte Regelung weist grundlegende Probleme auf...
... – danke, Frau Präsidentin –, die sich so auch in der Vorbildnorm im Gesetz über die Rechts verhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung finden. Sie sehen eine Karenzzeit von 18 Monaten vor. Dieser Zeitraum ist willkürlich festgelegt;
er ist nicht geeignet, den nachgelagerten Missbrauch von In siderkenntnissen und die korruptive nachträgliche Dotierung zu verhindern.
Die Anzeige- und Genehmigungspflicht ist insbesondere un geeignet, Gratifikationen durch bezahlte Vorträge und ähnli che PR-Auftritte zu erfassen.
Zentral ist aber Ihre Formulierung der – Zitat – „Besorgnis der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ in § 6 b Absatz 1 als Voraussetzung für die Untersagung der Erwerbstätigkeit bzw. der Beschäftigung. Dieses Kriterium ist nicht ausrei chend greifbar. Selbst die ausdrückliche Einbeziehung von Tätigkeiten im bisher verantworteten Ressort – so mit Regel beispiel in der Variante von Satz 2 Nummer 1 – schließt nicht aus, dass Minister und Staatssekretäre in persönlich initiier ten Angelegenheiten außerhalb des eigenen Amtes eine späte Ernte einfahren. Ihre vage Auffangformulierung in Satz 2 Nummer 2 macht es nicht besser, wonach von einer Beein trächtigung öffentlicher Interessen dann auszugehen ist, wenn die Beschäftigung – Zitat – „das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Landesregierung“ beeinträchtigen kann. Ob dieser Gummiparagraf greift, das soll die Landesregierung entscheiden – und jetzt kommt der Clou –: auf nicht öffentli che „Empfehlung eines aus drei Mitgliedern bestehenden be ratenden Gremiums“, in dem die Regierung die Mehrheit hat.
Transparenz, Öffentlichkeit und Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit sehen anders aus. Das Parlament bleibt auch außen vor. Sie schicken es in Urlaub.
Zur Karenzzeit und zum Übergangsgeld: Sie geben mit die sem Entwurf der Regierung ein Mittel an die Hand, an Exkol legen für bis zu 18 Monate die Bezüge aus dem Amt weiter fließen zu lassen, selbst dann, wenn eigentlich gar kein An spruch mehr auf Übergangsgeld besteht.
So wichtig es ist, wie bei Konkurrenzschutzklauseln, einen Ausgleich für die Tätigkeitsuntersagung vorzusehen, so bie ten Sie mit Ihrem Entwurf im besten Fall eine Einladung zur Selbstbedienung.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Eines möchte ich nach der Rede von Ihnen, Herr Klos, schon festhalten: Ihre Fraktion, Ihre AfDFraktion hat von allen Fraktionen hier im Hohen Haus am al lerwenigsten das Recht, den moralischen Zeigefinger zu he ben.
Der von der SPD vorgelegte Gesetzentwurf ist aus der Sicht der Freien Demokraten sachgerecht, und deswegen tragen wir ihn mit. Karenzzeitregeln sind aus unserer Sicht grundsätz lich sinnvoll. Denn es geht um die Wahrung von Vertrauen in die Politik und in staatliche Institutionen. Es muss bereits der Anschein vermieden werden, dass es einen Zusammenhang zwischen im Amt getroffenen Entscheidungen und einer nach dem Ausscheiden aufgenommenen Erwerbstätigkeit gibt. Al lein Vermutungen darüber schaden der Glaubwürdigkeit und bringen die Politik in Misskredit.
Zum differenzierten Blick auf diese Sache gehört aber das An liegen, dass sowohl Abgeordnete als auch Minister möglichst unabhängig von ihrer Wiederwahl sein müssen. Deshalb hal ten wir nebenberufliche Tätigkeiten neben dem Abgeordne tenmandat für selbstverständlich. Gerade Selbstständige und Freiberufler können so mit der nötigen Unabhängigkeit agie ren, weil sie wissen, dass eine Rückkehr in den normalen Be ruf ohne Probleme möglich ist.
Es muss Ministern auch erlaubt sein, sich nach einer Abwahl oder freiwillig nach anderen Tätigkeitsfeldern umzuschauen. Daher muss eine Karenzzeitregelung so ausgestaltet sein, dass die Versagung der Aufnahme einer neuen Beschäftigung die Ausnahme bleibt und nicht zur Regel wird.
Der SPD-Gesetzentwurf orientiert sich am Bundesrecht, und in unseren Augen ist die dort getroffene Regelung ausgewo gen. Dies gilt auch gerade für die Frist von 18 Monaten. Ver einzelt wird sie als zu kurz erachtet; unseres Erachtens ist sie aber richtig bemessen. Denn damit wird eine hinreichende Di stanz zwischen Amt und neuer Tätigkeit hergestellt. Denn nach 18 Monaten sind die Verbindungen ins Ministerium nicht mehr sonderlich stark. Die aktuellen Gesetzesinitiativen sind auf die Arbeit des Nachfolgers oder der Nachfolgerin zurück zuführen.
Gleichwohl – das ist dann aber eine moralische und keine rechtliche Frage – sollte sich auch nach diesen 18 Monaten ein ehemaliger Minister gut überlegen, ob es sinnvoll ist, ei ne derart problematische Tätigkeit aufzunehmen.
Der SPD müssen wir heute die Frage stellen, weshalb sie den Gesetzentwurf nicht eingebracht hatte, als sie Teil der Regie rung war. Die Bundesregelung wurde im ersten Halbjahr 2015 beschlossen. In Baden-Württemberg hatte Grün-Rot damals genügend Zeit, eine solche Regelung zu beschließen. Aber besser spät als nie.