Warum sage ich das? Der Tagesordnungspunkt lautet: „Zwei te Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Einführung von Einwohneranträgen, Bürgerbegeh ren und Bürgerentscheiden in Landkreisen“. Ich bitte um Ver ständnis, wenn ich mich in meiner Rede genau darauf kon zentriere. Denn die politische Aufarbeitung der Bewertung des Evaluationsberichts im Haus steht noch an. Sie wurde noch nicht vorgenommen und steht noch aus; darüber wird zu gegebener Zeit noch etwas zu sagen sein.
Bei der ersten Lesung, die am 8. Mai 2019 stattfand, habe ich an die Geschichte dieses Gesetzentwurfs erinnert. Ich möch te sie nicht wiederholen, sondern nur noch einmal kurz strei fen. Ausgangspunkt war eine Volksantragsinitiative von „Mehr Demokratie e. V.“ mit dem Ziel, dieses Element in die Landkreisordnung hineinzubringen. Man dachte, man bekom me schnell die 40 000 Unterschriften zusammen. Das war ein Irrtum. Nachdem man 10 000 hatte, hat man aufgehört und
das Projekt sozusagen stillgelegt. Die FDP/DVP hat diesen Gesetzentwurf dann aufgegriffen. Sie hat ihn sich nahezu wortgleich zu eigen gemacht. Ich hatte in der ersten Lesung davon gesprochen, man könnte auch sagen: Sie hat ihn abge schrieben.
Sie hat auch aufgegriffen, was der Verein „Mehr Demokratie“ im Vorfeld unternommen hat. Der Verein hat nämlich alle Ab geordneten angeschrieben: Jetzt Druck machen, Landkreis ordnung ändern! – Das soll es zum Rückblick gewesen sein.
Der Gesetzentwurf – das hat Frau Kollegin Erikli gesagt – greift drei Punkte auf, die er im Vergleich mit dem Volksan trag ein Stück weit verändert. Er verändert die Quoren in Ab hängigkeit von der Größenordnung der Landkreise, er verän dert die Fristen über die Entscheidung, weil Kreistage bekann termaßen andere Sitzungsrhythmen haben als Gemeinderäte, und er sieht die Einführung eines Einwohnerantrags vor – auch das ist gesagt worden – mit einer Zugangsberechtigung für Einwohner ab 14 Jahren. Die AfD hat jetzt einen Ände rungsantrag vorgelegt, mit dem sie eine Anhebung auf 16 Jah re begehrt.
Zu begrüßen ist, dass sich dieser Gesetzentwurf auf kreiskom munale Angelegenheiten konzentriert. Denn auch das ist wich tig. Die Landratsämter üben in ihrer Funktion als untere Ver waltungsbehörde ja im Wesentlichen Dinge aus, die einem Bürgerbegehren/Bürgerentscheid gar nicht zugänglich sind. Deswegen hatten wir in der ersten Lesung auch die Sorge des Landkreistags geteilt, dass dabei eher Frustrationen entstehen, wenn man suggeriert, man könnte Dinge beeinflussen, die man kraft Gesetzes nicht beeinflussen kann.
Wir haben immer Wert darauf gelegt, dass die direktdemokra tischen Elemente gestärkt werden. Wir haben uns seinerzeit allerdings – das ist richtig gesagt worden – nicht in der Lage gesehen, diese Bewertung vorzunehmen, weil parallel dazu der Evaluationsprozess gelaufen ist. Jetzt hat Frau Erikli schon einen Teil davon sozusagen vorweggenommen, was die Ge meindeordnung anbelangt. Das möchte ich nicht tun.
Der Evaluationsbericht setzt sich auf drei kargen Seiten mit der Landkreisordnung auseinander, und die Zahlen, die Kol legin Erikli genannt hat, muss man sich einfach noch einmal in Erinnerung rufen. Auch wenn es nicht zentraler Gegenstand des Berichts war, haben doch immerhin 21 von 35 Landkrei sen – das sind 60 % – an der Befragung teilgenommen, und davon haben 84 % diese Einführung abgelehnt. Lediglich drei von 19 haben sich dafür ausgesprochen. Über die Gründe im Einzelnen, warum und wieso, möchte ich nicht länger philo sophieren; das können Sie bei Gelegenheit nachlesen. Ich möchte auch Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch neh men.
Nur noch ein Hinweis: Auch die befragten Kreisräte haben gegenüber einer Öffnung in diese Richtung keine Begeiste rung signalisiert – so zumindest der Bericht.
Vor diesem Hintergrund können wir heute – ich habe das in der letzten Sitzung des Innenausschusses auch gesagt – die sem Gesetzentwurf nicht zustimmen, obwohl wir direktdemo kratische Elemente unterstützen. Ich möchte dafür noch einen Beleg anführen. Sie werden sich erinnern: Wir haben am 7. Mai 2020 die Gemeindeordnung geändert. Wir haben in die Gemeindeordnung einen Übergangsparagrafen hineinge schrieben, nämlich § 140 a, wonach wir zu Pandemiezeiten Fristen im Zusammenhang mit Bürgerbegehren und Bürger entscheiden verlängern, damit die Nutzung dieser direktde mokratischen Elemente nicht durch die Pandemie gefährdet wird.
Davon können Sie ableiten, dass auch die CDU-Landtagsfrak tion diesen Beteiligungselementen durchaus etwas abgewin nen kann. Vor dem Hintergrund der eindeutigen Evaluations ergebnisse sehen wir uns heute aber nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Ich hoffe, Sie haben genau zu gehört; das nehme ich an. Daher wünsche ich Ihnen noch ei nen schönen Tag.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Erikli, meine Re de beginnt genauso wie Ihre: Vor über einem Jahr – die 18 da zwischen liegenden Monate haben Sie elegant unter den Tisch gekehrt – hat uns bzw. der Landesregierung „Mehr Demokra tie e. V.“ zum Gesetzentwurf vom 25. April ins Stammbuch geschrieben:
wird empfohlen, dem Anliegen des Gesetzentwurfs nach zukommen und dies nicht auf die lange Bank zu schieben.
Auch wenn die Regierungsfraktionen immer mal wieder sig nalisiert haben, dass man zu einer gemeinsamen Lösung kom men könnte: Heute, nach 18 Monaten, auch nachdem mehre re Gesprächsangebote ausgeschlagen wurden, können wir festhalten: Die Regierungsfraktionen wollen nicht, dass es zu einer Erweiterung von direktdemokratischen Elementen auf der Ebene der Landkreise kommt.
Das bedeutet, auch wenn Sie es gern hätten: Auch unter ei nem grünen Ministerpräsidenten und einer grün geführten Landesregierung wird es nicht dazu kommen, dass die demo kratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger in den Land kreisen verbessert werden kann, und das – darauf haben Sie zu Recht hingewiesen –, obwohl es sich um Vorschläge für Regelungen handelt, die es in allen anderen Bundesländern
mit Landkreisen gibt – außer in Hessen –, und dort ausschließ lich gute Erfahrungen gemacht wurden, Herr Kollege Hocken berger. Aus anderen Bundesländern wissen wir nämlich, dass Bürgerentscheide und Bürgerbegehren für die Landkreise ers tens mit vertretbarem Aufwand verbunden sind und zweitens auch nicht komplexer sind als die Durchführung auf Gemein deebene.
Auch bei der Evaluierung durch das Innenministerium – Herr Kollege Hockenberger, Sie haben darauf hingewiesen; wenn Sie es genau lesen, erkennen Sie, glaube ich, dass es hinsicht lich der Landkreise eher eine Meinungsumfrage als eine Eva luierung war; das wäre zutreffender – haben die Landkreise kaum vorgebracht, dass der Aufwand zu hoch sei oder die Fra gestellungen zu komplex seien. Wir konnten zumindest nichts Substanzielles daraus lesen. Das entkräftet auch das Argu ment, kreiskommunale Themen eigneten sich für Bürgerbe gehren nicht, weil diese zu komplex seien.
Im Übrigen zeigt die Gesamtevaluierung, die sich im Wesent lichen um Neuregelungen seit 2015 kümmerte, dass sich alle Befürchtungen, die es hinsichtlich der Ausweitung von Bür gerbeteiligung gab, gerade nicht bewahrheitet haben. Das ist auch ein Argument für uns, jetzt den nächsten Schritt zu ge hen.
Auch das Argument, Kreiseinwohner seien je nach Gemein de von Kreisbürgerentscheiden zu stark unterschiedlich be troffen, kann mit Blick auf andere Bundesländer widerlegt werden. Fast alle Kreisbürgerentscheide bezogen sich auch auf Themen, die die gesamte Kreisbevölkerung – unabhängig von der Gemeinde – betrafen; ich nenne z. B. die Abfallent sorgung oder die Gesundheitsversorgung.
Insofern wird Baden-Württemberg auch künftig einen Son derweg bei der Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene gehen, für den es aus unserer Sicht keine guten Argumente gibt. Chance vertan!
Sehr geehrte Frau Landtagsprä sidentin, sehr geehrte Kollegen, meine Damen und Herren! Es dürfte keine Überraschung darstellen, dass die Idee der Li beralen grundsätzlich auf unsere Gegenliebe stößt. Einwoh neranträge, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide begrüßen wir. Wir, die AfD, waren von Anfang an schon immer für die Im plementierung direktdemokratischer Elemente auf jeder Ebe ne des Gemeinwesens.
Dass die FDP auf diesen Zug aufspringt, könnte man despek tierlich als Themenklau bezeichnen. Das tun wir aber nicht. Vielmehr begrüßen wir zunächst die Vorlage als eine Sache, die dem Anliegen dient.
Es spricht zunächst nichts Überzeugendes dagegen, den Bür gern in eingeschränktem Umfang im Zuständigkeitsbereich der Kreistage diese Mitwirkungsrechte einzuräumen. Warum
soll ein in fast allen Bundesländern schon etabliertes Verfah ren in Baden-Württemberg nicht funktionieren?
Interessant ist, dass Grün-Rot und Grün-Schwarz in dieser Richtung bisher nichts umgesetzt haben. Von der Kollegin Eri kli haben wir vorhin gehört, woran das liegt. Das ist durchaus bemerkenswert, weil dieses Mal ausnahmsweise die Grünen von der CDU ausgebremst werden. Gewöhnlich ist es in die sem Haus umgekehrt.
Vielleicht geht es auch ein bisschen um die Fragen: Wer be kommt den „Schwarzen“ oder den „grünen Peter“? Wer ist schuld daran, dass etwas nicht vorangeht? Man könnte natür lich auch darüber rätseln, inwieweit es der CDU ein Anliegen ist, da nicht zu viel Einfluss auf die Kommunen zu nehmen. Wollte man den Kommunen, deren Bürgermeister fast über all im Kreistag sitzen und sich selbst kontrollieren, keine Scherereien machen? Wollte man den Filz bestehen lassen und nicht weiter aufdecken und den Bürgern keine Möglichkeit geben, da hineinzugrätschen, oder wollte man, dass Lieblings projekte der Grünen mit Schwerpunkt auf der Kreisebene wie die Genehmigung von Windmühlen dem Bürgervotum entzo gen bleiben?
Wenn dem so war, würden mit der Annahme dieses Gesetz entwurfs zu einem kleinen Teil die Verhältnisse geradegerückt. Es gäbe damit kein politisches Refugium mehr, das der Mit bestimmung der Bürger entzogen würde. Zumindest müssten sich die Kreisräte den lästigen Bürgerwünschen vermehrt stel len.
Wir können allerdings bei der Altersabsenkung für die An tragsberechtigung bei den Einwohneranträgen auf 14 Jahre nicht mitgehen. Dies stellt für uns einen nicht nachvollzieh baren Bruch mit den Bürgerbegehren und deren 16-JahreGrenze dar. Eine Absenkung ist aus unserer Sicht auch unnö tig. Wir halten die Absenkung auf 14 Jahre generell für einen Fehler. Schon die Absenkung des Mindestalters für die Teil nahme an Kommunalwahlen von 18 auf 16 Jahre im Jahr 2012 durch Grün-Rot haben wir kritisch gesehen. Im Alter von 14 Jahren besteht nach unserer Ansicht in aller Regel noch kein ausdifferenziertes politisches Bewusstsein, das eine Teilnah me an direktdemokratischen Verfahren erfordern würde.
Der nächste Schritt wäre wahrscheinlich eine Herabsetzung des Mindestalters für die Teilnahme an Kommunalwahlen auf 14 Jahre, zwölf Jahre, zehn Jahre und irgendwann auf vorge burtlich, sofern die Kinder nicht abgetrieben werden, was ja auch ein Thema bei den Grünen ist – das Thema Lebensrecht usw.
Wir wissen: Die Grünen würden sich diese Herabsetzung des Mindestalters wünschen. Die Begeisterungsfähigkeit und Gut gläubigkeit der Jugend kann man wunderbar ausnutzen, und das wird von falschen Propheten auch immer wieder gern ge tan.
Wir sollten den 14-Jährigen die Möglichkeit geben, ihr eige nes politisches Bewusstsein zu entwickeln. Da gibt es bereits viele Mitgestaltungsmöglichkeiten wie das Jugendparlament und anderes.
Wir haben deshalb den Änderungsantrag gestellt, die vorge sehene Altersgrenze von 14 Jahren auf 16 Jahre anzuheben.