Bei der Bürgermeisterwahl in Erdmannhausen 2020 gab es ein Jubiläum: die 50. Kandidatur von U. R. – übrigens CDUMitglied – in einer Gemeinde unter 20 000 Einwohnern.
Bei der Bürgermeisterwahl in Weinsberg 2020 wurde Viel fachkandidat S. S. bei der Kandidatenvorstellung nach Belei digungen und Provokationen das Wort entzogen, und er wur de der Halle verwiesen. Der Staatsschutz ermittelte wegen ei nes vermuteten Hitlergrußes.
Bei der OB-Wahl in Villingen-Schwenningen im Jahr 2018 erpresste Dauerkandidatin F. M. Herrn Marcel Klinge MdB damit, ihn zu outen, sollte er sich nicht für sie aussprechen.
Mit der Änderung von § 10 Absatz 3 des Kommunalwahlge setzes wollen wir dafür sorgen, dass es zu weniger solcher Schein-, Spaß- und Dauerkandidaturen bei Bürgermeisterwah len kommt.
In den vergangenen Jahren zeichnete sich der Negativtrend ab, dass oftmals immer wieder dieselben Personen in verschie denen Orten zu Bürgermeisterwahlen antreten. Zu besonders großen Problemen führen diese Spaßkandidierenden dann, wenn sie die Wahl anfechten und damit dafür sorgen, dass der gewählte Bürgermeister bzw. die gewählte Bürgermeisterin das Amt erst einmal nicht antreten kann. Der Verband BadenWürttembergischer Bürgermeister e. V. führt in seiner Stel lungnahme zu dem Gesetzentwurf das Beispiel der Stadt Ru tesheim an, in der eine gewählte Bürgermeisterin ihr Amt erst nach einem Jahr antreten konnte, und das, obwohl der bekann te Dauerbewerber nur 1 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Wir wollen mit der gesetzlichen Änderung erreichen, dass Kandidierende vor ihrer Bewerbung zumindest ein Mal vor Ort gewesen sein müssen, um Unterstützerunterschriften zu sammeln, und zwar auch in kleinen Kommunen. Bislang sieht das baden-württembergische Kommunalwahlgesetz lediglich vor, dass in Kommunen mit über 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern die Bewerbung zur Bürgermeisterwahl von einer bestimmten Anzahl von wahlberechtigten Personen unter zeichnet werden muss. Unser Vorschlag: Bewerbungen zur
Bürgermeisterwahl müssen in Gemeinden bis zu 3 000 Ein wohnern von zehn, in Gemeinden mit über 3 000 bis zu 10 000 Einwohnern von 20 und in Gemeinden von über 10 000 bis zu 20 000 Einwohnern von 30 zum Zeitpunkt der Unterzeich nung der Bewerbung wahlberechtigten Personen unterzeich net sein. Dies entspricht im Übrigen auch dem Erfordernis, das jeder Kandidat bzw. jede Kandidatin bei der Aufstellung für die Kommunalwahlliste erbringen muss, und erscheint uns als eine moderate Regelung, die für jeden Bewerber bzw. je de Bewerberin mit vertretbarem Aufwand umsetzbar ist.
Wir freuen uns, dass neben dem Verband Baden-Württember gischer Bürgermeister auch der Städtetag und der Gemeinde tag unsere Gesetzesinitiative unterstützen und begrüßen. Dies zeigt, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Daher wäre es schön, wenn auch die anderen Fraktionen, meine Kolleginnen und Kollegen, sich unserem Anliegen anschließen könnten.
Es gibt einen kleineren zweiten Bestandteil unseres Gesetz entwurfs. An uns wurde das Problem herangetragen, dass die aktuelle Regelung zur Aufstellung von Bewerbern für die Wahl der Ortschaftsräte immer wieder zu Problemen führe und deshalb Erleichterungen wünschenswert wären. Ich ge stehe gern ein, dass das kein Massenproblem ist und dass das Problem nicht alle Kommunen gleichermaßen betrifft.
Die aktuelle Rechtslage führt immer dann zu Problemen, wenn bei Wahlversammlungen in kleinen Ortschaften nur zwei Mitglieder erscheinen. Es tritt verstärkt auf, wenn es in dieser Ortschaft nur sehr wenige Mitglieder – möglicherwei se insgesamt nur drei Mitglieder – gibt. In diesem Fall kommt eine Aufstellungsversammlung nicht zustande und ist eine so genannte Höherzonung auf die Gemeindeebene ausgeschlos sen. Das hat zur Folge, dass die Wählervereinigung bzw. Par tei keinen Wahlvorschlag einreichen kann.
Deshalb wollen wir in § 9 Absatz 2 des Kommunalwahlgeset zes den zweiten Halbsatz streichen. Damit soll sichergestellt werden, dass unabhängig von der Anzahl der Mitglieder in ei ner Ortschaft eine Höherzonung auf Gemeindeebene erfolgen kann. Dies ist insbesondere für den Fall relevant, dass nur zwei Mitglieder zur Bewerberaufstellung für die Ortschafts ratswahl erscheinen und damit nach jetziger Rechtslage das Einreichen eines Wahlvorschlags für die Ortschaftswahl aus geschlossen ist.
Insbesondere zu diesem Thema freue ich mich auf die Aus schussberatungen und auf den Austausch von guten Argumen ten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bürgermeisteramt ist anspruchsvoll und verlangt den Amtsinhaberinnen und Amts inhabern vieles ab: Oberhaupt der Verwaltung, Vorsitz des Ge meinderats, Personalführung, Bürgerbeteiligung, Tagesge schäft inklusive Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen und eine langfristige strategische Planung, um die Kommune weiterzuentwickeln. Das verdient hohe Anerkennung.
Was das Bürgermeisteramt nicht verdient, sind Verunglimp fungen und Späßchen, die darauf abzielen, das Amt lächerlich zu machen. Spaßkandidaturen auf Kosten von ernst gemein ten Kandidaturen belasten viele Bürgermeisterinnen und Bür germeister auch ganz persönlich und können die Attraktivität des Amtes reduzieren.
Uns Grünen ist es ein großes Anliegen, auch in Zukunft kom petente Personen für dieses wichtige Amt zu gewinnen. Da her sehen wir es als Aufgabe der Landespolitik, genau hinzu schauen, was wir tun können, um die Attraktivität des Bürger meisteramts zu steigern.
Durch das Sammeln von Unterschriften sollen demnach Spaß kandidaturen mit einem gewissen Aufwand verbunden und damit erschwert werden. In vielen Bundesländern gibt es sol che Auflagen in Gemeinden jedweder Größe.
Bei allem Verständnis für dieses Anliegen stellen wir uns den noch zwei Fragen: Ist eine solche Gesetzesänderung der rich tige Weg, um das Anliegen tatsächlich umzusetzen? Und: Ist es der richtige Zeitpunkt?
Die Kommunen werden nicht mit Spaßkandidaturen über rannt. Sie haben einige Beispiele genannt. In Anbetracht des Zeitraums, auf den Sie sich bezogen haben – Beispiele aus den Jahren 2018, 2019, 2020 – relativiert sich das sehr. Seit der Bürgermeisterwahl in Bad Herrenalb mit über 30 Bewer bungen gab es in Baden-Württemberg nichts Vergleichbares.
Man muss auch sehen: In Bad Herrenalb ist aufgrund des gro ßen medialen Echos, auf das die Wahl gestoßen ist, auch das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an dieser Wahl sehr groß gewesen. 500 Personen waren bei der Kandidatenvor stellung. Bedenken Sie die Gemeindegröße; über dieses Inte resse würde sich manche Gemeinde dieser Größe sehr freu en.
Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wis sen sehr genau, wer es ernst meint, wer fähig ist, das Amt aus zuüben. Die Wählerinnen und Wähler sollten Sie wirklich nicht unterschätzen.
Durch die von Ihnen vorgeschlagenen Hürden werden Dauer bewerberinnen und Dauerbewerber nicht abgeschreckt. Schau en Sie sich die Liste der Bewerberinnen und Bewerber in Stuttgart an. Darauf hat es auch eine Dauerbewerberin ge schafft.
Auch sollten wir uns fragen, ob es eine angemessene Antwort auf ein paar Spaßkandidaturen ist, gleich ein Gesetz zu schaf fen bzw. zu ändern. Unsere Demokratie muss auch etwas aus halten können. Das hat vor 14 Tagen auch Professorin Susan ne Baer, Bundesverfassungsrichterin, hier im Rahmen der Landtagsveranstaltung WERTSACHEN ausgeführt.
Der Rahmen unseres Grundgesetzes, das Fundament unserer Demokratie ist weit, und wir müssen Toleranz aufbringen. Denn auch das Unbequeme gehört zum Wesen einer Demo kratie und ist wichtig für die sich ständig wandelnde Gesell schaft.
Es gibt auch andere Aspekte, die an der Attraktivität des Bür germeisteramts nagen, sei es die Ungewissheit über die Zu kunft nach dem Ende der Amtszeit oder die schwierige Ver einbarkeit von Familie und Amt. Hier sehen wir wichtige An satzpunkte für Verbesserungen.
Wir sollten uns das Kommunalwahlgesetz insgesamt genau er ansehen und jetzt keinen Flickenteppich beginnen. Sie ha ben ja auch die Wahlanfechtungen genannt. Das ist ein Punkt, unter dem viele Gemeinden tatsächlich leiden. Die Amtsver wesung, die daraufhin eintritt, belastet die Kommunen und auch die gerade Gewählten. Wenn Sie keine Dauerkandidaten verhindern können, wäre das ja nach wie vor gegeben.
Ein letzter gewichtiger Grund gegen diese Gesetzesänderung ist der Zeitpunkt. Die Coronapandemie bringt viele Einschrän kungen mit sich, vor allem beim persönlichen Kontakt. Da von sind auch Unterschriftensammlungen betroffen. Gerade in dieser Zeit dafür zu sorgen, dass ein persönlicher Kontakt praktisch erzwungen wird, widerspricht der gewissenhaften Haltung, mit der wir dieser Pandemie begegnen.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist aber weit herge holt! – Abg. Rüdiger Klos AfD: Wir schaffen die Landtagswahl ab?)
Zu den vorgesehenen Änderungen bei Ortschaftsratswahlen: Die kommunalen Landesverbände befürchten, dass dies zu Unklarheiten führt. Hier gilt es, genau hinzusehen. Die dafür nötige Zeit werden wir uns nehmen und Optionen der Rege lung rechtzeitig vor den Kommunalwahlen 2024 hier beraten. Dafür ist ja wirklich noch ausreichend Zeit.
Zusammenfassend: Wir teilen das Anliegen des Gesetzent wurfs und auch der kommunalen Landesverbände und dan ken für deren differenzierte Rückmeldung.
Es entspricht dem Wunsch der Grünen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wortwörtlich in Amt und Würden zu se hen. Aber der Gesetzentwurf ist zum jetzigen Zeitpunkt un passend und würde einen Flickenteppich hervorrufen.
Wir werden uns – versprochen! – in der nächsten Legislatur periode ausführlich mit dem Kommunalwahlgesetz beschäf tigen
(Abg. Reinhold Gall SPD: Jetzt kann es aber nur Zu stimmung geben! Das ist ein Fachmann! Er kann nur zustimmen!)
Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Das Bürgermeisteramt ist eines der wichtigsten und erfüllendsten öffentlichen Ämter, die man in einer Demokratie verliehen bekommen kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An dreas Schwarz GRÜNE – Abg. Karl Klein CDU: Ja wohl!)