Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Ich denke, man kann völlig zu Recht beklagen, dass die Re form nicht tiefgreifender ist, nicht konsequent genug war, oder dass die Chance verpasst worden ist – Sie haben es vorhin selbst erwähnt –, ein Flat-Tax-Modell zu entwerfen, das es grundlegend einfacher und gerechter gemacht hätte. Dieses Bedauern teile ich, teilt auch die grüne Partei. Darum ging es zum Zeitpunkt der Verhandlungen aber gar nicht mehr. Im Vermittlungsausschuss konnten nur noch die vorliegenden Modelle beraten werden. So wollen es die Bundesratsstatu ten. Deswegen reden wir nicht über „Wünsch Dir was“,

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

sondern über das, was jetzt im Vermittlungsausschuss tatsäch lich möglich war und was in der Folge jetzt zur Abstimmung steht. Der Vermittlungsausschuss ist zu einem Ergebnis ge kommen, einem Kompromiss, der versucht, weit auseinander liegende Positionen zusammenzubringen. Er ist, wie immer in der Politik, nicht mit der Durchsetzung von Maximalforde rungen verbunden; keine Frage. Ziel musste es sein, ein ver fassungskonformes Regelungswerk auf den Tisch zu legen, welches zwei Eigenschaften erfüllen muss:

Zum einen muss es Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen. Zum anderen – das sage ich auch als Haushälterin – geht es hier um eine wichtige Einnahmequelle der Länder, um 850 Millionen €. Wir werden bei den Haushaltsberatungen

noch sehen, dass das eine Menge Geld ist, mit dem man hier in Baden-Württemberg viel gestalten kann.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Wenn das Bundesverfassungsgericht das wieder zurückbe kommt, könnte es sein, dass die Erbschaftsteuer komplett aus gesetzt wird. Auch das könnte eine Konsequenz sein,

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das wäre klasse! Bravo! – Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

mit allen Problemen, die für das Land damit verbunden wä ren. Das, was das Land hier in die Infrastruktur investiert – das möchte ich auch einmal sagen –, kommt auch den Unter nehmen hier im Land sehr zugute, seien es Investitionen in die Bildung oder in die sonstige Infrastruktur.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich denke, meine Damen und Herren von der FDP, Sie soll ten sich diese Urteilsbegründung noch einmal sorgfältig durch lesen und sich daran erinnern, dass der gefundene Kompro miss unter dem Aspekt der Unternehmerfreundlichkeit ange sichts der unterschiedlichen Interessen, die hier auszutarieren waren, wirklich das Maximale herausgeholt hat.

Um es noch einmal zu wiederholen: Das Gericht hat die Ver schonung der Unternehmen bei der Erbschaftsteuer als zu weitgehend erachtet. Wahrscheinlich muss man FDP-Mitglied sein, um anzunehmen, dass der Kompromiss wesentlich un ternehmerfreundlicher hätte ausgehandelt werden können, oh ne dass er Gefahr laufen würde, augenblicklich wieder vom Verfassungsgericht kassiert zu werden, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Ich bin ge spannt, ob es dabei bleibt!)

Ich bin jedenfalls froh, dass der Vermittlungsausschuss nach langen Verhandlungen zu einer Einigung gekommen ist. Wa rum? Weil wir gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Vertrauen in die etablierte Politik, in die Institutionen, in Teilen der Be völkerung schwindet

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Noch weiter schwin den wird!)

und rechtspopulistische Kräfte Auftrieb verspüren, politische Handlungsfähigkeit beweisen müssen

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Genau!)

und zeigen müssen, dass wir in der Lage sind, in dieser wich tigen Frage einen Kompromiss zu schließen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Andreas Kenner SPD)

Deswegen war es notwendig, dass der Gesetzgeber hier die Entscheidung getroffen hat und nicht das Bundesverfassungs gericht quasi zum Gesetzgeber werden musste. Deswegen, meine Damen und Herren, entbehrt es jeglicher Faktengrund lage, hier zu behaupten, es gäbe einen faulen Kompromiss. Wir haben Rechtssicherheit geschaffen, wir haben einen gu

ten Kompromiss für die mittelständischen Unternehmer in Ba den-Württemberg geschaffen, und wir haben den Haushalt und die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer gesichert.

Angesichts dieser Umstände und Möglichkeiten zu diesem Zeitpunkt finde ich, dass es richtig ist, dem Gesetzentwurf zu zustimmen. Alles andere wäre verantwortungslos und fahrläs sig – gegenüber den Unternehmen und gegenüber dem Land Baden-Württemberg.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Paal.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schweickert, Sie haben vorhin viel zum Thema „Mittelstand in Baden-Württemberg“ gesagt. Ich kann nach dem, woran ich mich erinnere, fast alles oder sogar alles unterschreiben. Ich hoffe auch schwer, dass Sie un seren Koalitionsvertrag gelesen haben. Denn darin werden Sie sehr viel zum Thema Mittelstand finden – und sehr viel Gu tes, was wir hier im Interesse einer mittelstandsfreundlichen Politik inklusive aller Zusätze und Nebenabreden, die es so gibt, vorhaben.

Ich würde mich freuen, wenn wir hier auch einmal darüber re den könnten. Denn genau das war auch der Grund – deshalb ist Ihre Schlussfolgerung falsch –, warum es so wichtig war, dass wir in Berlin im Vermittlungsausschuss ein mittelstands freundliches Ergebnis für Baden-Württemberg erreichen, ei ne Entlastung, eine Befreiung gerade auch für die mittelstän dischen Unternehmen und für die Familienbetriebe im Land, und zwar im maximal zulässigen Umfang. Die Frage der Zu lässigkeit ist nun einmal wichtig, wenn wir unter Umständen mit dem Bundesverfassungsgericht Probleme bekommen.

Und wir müssen bestehende Mehrheiten akzeptieren. Aus den Zeiten, in denen die FDP in Berlin noch in der Regierung war, ist mir keine Initiative in Sachen Erbschaftsteuer/Flat Tax be kannt. Da hätte man es ja vielleicht auch machen können.

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Wir müssen mit den realen politischen Gegebenheiten zurecht kommen,

(Abg. Winfried Mack CDU: So ist es!)

und deshalb ist dieser Kompromiss richtig und gut, auch für den baden-württembergischen Mittelstand.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wir haben jetzt erlebt, dass nach gut eineinhalbjährigem Ver handlungsmarathon – so viel auch zum Stichwort „fauler Kompromiss“ – Bund und Länder sich im September auf die Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer geeinigt ha ben – endlich; ich glaube, darüber sind wir uns einig. Die im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gefun dene Einigung schafft für die Unternehmen Planungs- und Rechtssicherheit.

Es war höchste Eisenbahn. Der Termin stand ja auch fest. Die Unsicherheit – das ist das Entscheidende – bei den Unterneh men war sehr groß. Ich verstehe, wie gesagt, die Wortwahl der FDP nicht. Hier von einem „faulen Kompromiss“ zu sprechen war vielleicht die falsche Begriffsschublade, doch den zwei ten Teil in der von Ihnen gewählten Überschrift verstehe ich überhaupt nicht. Sie sagen: „auf Kosten des Mittelstands“. Denn genau das Gegenteil ist der Fall. Das Vorhaben kommt dem Mittelstand in unserem Land zugute, liebe FDP.

Die Unternehmen und vor allem die Mittelständler in unse rem Land sowie die Familienunternehmen haben lange auf Antworten gewartet. Hier möchte ich auch die potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger ansprechen, die jetzt eben falls Rechtssicherheit bekommen haben.

Teilweise wurde in Unternehmen übrigens Zurückhaltung bei Investitionen geübt, weil die steuerlichen Folgen nicht ab schätzbar waren. Auch hier herrscht jetzt wieder Sicherheit, und die Unternehmen können in die Zukunft investieren.

Ich muss Ihnen sagen: Die CDU-Fraktion ist froh, dass wir die Erbschaft- und Schenkungsteuer im Sinne Baden-Würt tembergs geregelt haben bzw. hoffentlich am Freitag verab schieden werden

(Zuruf von der AfD)

und jetzt ein Gesetz bekommen, das auch Bestand haben kann. Deshalb ist der gefundene Kompromiss gut. Es ist eine, wie wir meinen, leistbare Regelung für den Mittelstand und für die Familienunternehmen in unserem Land, und es ist – ich habe es schon gesagt – eine Rechtssicherheit, die jetzt kommt.

Frau Walker hat es gerade erwähnt; auch ich weiß nicht, was die FDP denn gewollt hätte, wenn dieses Gesetz, dieser Kom promiss am Freitag nicht durchgeht. War es Ihr Ziel, dass das Bundesverfassungsgericht dann alle Ausnahmetatbestände ab schafft und wir dann eine volle Besteuerung der Unternehmen bekommen? Das wäre ganz sicher nicht im Sinne des Mittel stands hier in Baden-Württemberg. Diese Möglichkeit hätte aber bestanden, und deshalb war der Termin wichtig, und es war wichtig, dass wir diesen Kompromiss jetzt erzielen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

Konsequenter wäre dann gewesen – Sie haben es ja auch an gedeutet –, die Abschaffung der Erbschaftsteuer oder die Flat Tax zu fordern. Das haben Sie heute hier zum ersten Mal ge macht. Nur muss man die politischen Realitäten akzeptieren. Kompromisse sind halt Kompromisse; dabei muss man mit den realen politischen Gegebenheiten zurechtkommen. Hät ten Sie im Übrigen die Abschaffung der Erbschaftsteuer durch bekommen, hätten Sie ganz sicher auch die Schuldenbremse gerissen.

Mit dieser Einigung stellen wir sicher, dass der Mittelstand bei uns jetzt investieren kann und dass Arbeitsplätze sicher sind. Genau das möchte ich hier auch noch einmal betonen. Um das geht es der Koalition, um das geht es der CDU. Es geht um die Arbeitsplätze. Es geht natürlich um Mittelstand, es geht um die Unternehmerinnen und Unternehmer, aber dort in den Unternehmen gibt es Arbeitsplätze. Dort sind Arbeit

nehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, und die haben jetzt durch diesen Kompromiss die Sicherheit, dass auch dann, wenn Generationswechsel anstehen, wenn Erbschaften anste hen, die Arbeitsplätze in den Unternehmen gesichert werden können. Deshalb ist dieser Kompromiss auch eine gute Nach richt für die Arbeitsplätze hier im Land bei den kleinen und mittleren Unternehmen.

Meine Damen und Herren, die Familienunternehmen in Ba den-Württemberg zeichnet aus, dass sie über Generationen hinweg langfristig denken. Sie prägen die Stärke unseres Lan des, sie prägen unser Land insgesamt, und diesen Wert – da rin sind wir uns hoffentlich einig – wollen wir bewahren. Des halb wird es der CDU immer wichtig sein, dass wir Familien unternehmen nicht über Gebühr belasten und dass die nächs te Generation auch Interesse hat, Betriebe weiterzuführen.

Dass wir beim Thema „Nachfolge, Nachfolgemoderation und Nachfolgeregelungen“ etwas tun müssen, ist uns, denke ich, allen klar. Die nächste Generation übernimmt nicht zwangs läufig ein Unternehmen. Hier müssen wir auch über das Erb schaftsteuergesetz hinaus noch Maßnahmen ergreifen, damit sichergestellt ist, dass Unternehmen in die nächste Generati on übergeführt werden.

Wir, die CDU-Landtagsfraktion, haben zwölf Kriterien auf gestellt, die wir in die Verhandlungen in Berlin eingebracht haben, die ich jedoch jetzt nicht alle durchgehen kann. Ich kann Ihnen aber sagen: Wenn man die Tabelle abhakt, steht hinter den meisten: „okay“ oder „im Rahmen des Kompro misses akzeptabel“. Ich finde, gerade wenn man Kompromis se aushandelt, ist das ein gutes Ergebnis.

Ein Beispiel ist der Kapitalisierungsfaktor – Sie haben dies vorhin erwähnt, Herr Dr. Schweickert –: statt 17,86 jetzt 13,75. Das wäre eine wesentlich realistischere Beurteilung des Un ternehmens. Auch hieran kann man herummäkeln und sagen, es hätte auch anders sein können. Aber so ist es jetzt verein bart, und so kann auch die Wirtschaft damit leben. Dies zei gen übrigens auch Presseerklärungen der entsprechenden Ver bände. Wir haben jetzt einen realistischen Unternehmenswert, der dadurch entsteht, und dies reduziert dann auch die Steu erlast möglicher Erben.

Ein weiteres Beispiel ist die Regelung für Kleinbetriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern. Übrigens sind in Baden-Württem berg über 70 % der Unternehmen Betriebe mit einem bis fünf Mitarbeitern. Die Befreiung dieser Betriebe von der Lohn summenpflicht ist ein deutlicher Beitrag zu deren bürokrati scher Entlastung. Das Abschmelzmodell für größere Unter nehmen – es entlastet Unternehmen bis zu einem Wert von 26 Millionen €, danach wird abgeschmolzen bis auf die soge nannte Mindestverschonung – ist ebenfalls, den Mittelstand betreffend, eine gute Nachricht. Auf gar keinen Fall erkenne ich hierin einen faulen Kompromiss für den Mittelstand in Ba den-Württemberg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politik hat bewiesen, dass sie im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten handlungs fähig ist – im letzten Moment, aber immerhin –, und die Ge mengelage beim Thema Erbschaftsteuer – dies gehört eben falls zur Wahrheit – ist bei Verhandlungen in Berlin, wie sie ist. Damit befinden wir uns nicht unbedingt unter vielen Freun den. Wir haben in Baden-Württemberg mit unserer Mittel