Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politik hat bewiesen, dass sie im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten handlungs fähig ist – im letzten Moment, aber immerhin –, und die Ge mengelage beim Thema Erbschaftsteuer – dies gehört eben falls zur Wahrheit – ist bei Verhandlungen in Berlin, wie sie ist. Damit befinden wir uns nicht unbedingt unter vielen Freun den. Wir haben in Baden-Württemberg mit unserer Mittel

standsstruktur ein Alleinstellungsmerkmal, und wir müssen in Berlin und auch in Brüssel aufpassen, dass wir nicht unter die Räder kommen und dass wir dort Lobbyarbeit für den Mittel stand betreiben. Deshalb ist dieses Ergebnis ein gutes, wenn man weiß, dass wir nicht überall in diesen Verhandlungen Ge treue an unserer Seite haben. In anderen Ländern wäre das vielleicht sogar egal gewesen. Deshalb haben wir jetzt einen Kompromiss, der stabilitätsorientiert und mittelstandsfreund lich ist.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Mittelstandsfreund lich? – Weitere Zurufe)

Nein. – Alles in allem zeigen auch die Bewertungen und Re aktionen der Verbände, wenn Sie diese lesen, dass der Kom promiss in Ordnung ist – übersetze ich einmal frei. Natürlich gibt es immer noch Wünsche und Forderungen, wie man es hätte besser machen können, aber er ist insgesamt in Ordnung. Ich könnte Ihnen die Pressemitteilungen auch vorlesen.

Wir haben Rechtssicherheit und Planbarkeit. Die Unterneh men in unserem Land können für die Zukunft planen; das ist ebenfalls wichtig.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Wie lange denn?)

Übrigens – auch das ist wichtig – berücksichtigt der Kompro miss die besondere Bedeutung der Familienunternehmen und trägt zur Sicherheit der Arbeitsplätze – ich habe es gerade ge sagt – in Baden-Württemberg und damit auch zur Wettbe werbsfähigkeit der Unternehmen im Land bei. Die Erbschaft steuer – so viel gehört zur Wahrheit ebenfalls dazu; Kollegin Walker sagte es gerade – ist eine wichtige Einnahmequelle, die wir für unser Land brauchen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Nicht genug!)

Deshalb ist der Kompromiss mit der Belastung der Unterneh men ein Kompromiss, der tragfähig ist. Vorsichtige Schätzun gen gehen übrigens davon aus, dass wir für 2017 in BadenWürttemberg ein Mehr an Erbschaftsteuereinnahmen im ein stelligen Millionenbereich bekommen werden. Man sieht da ran schon, dass sich die Belastung im Rahmen halten wird. Wir müssen allerdings schauen, wie sich das Ganze noch ent wickelt.

Hoffen wir – und es sieht gut aus –, dass am Freitag im Bun desrat diesem Kompromiss im Sinne der mittelständischen Familienunternehmen und der Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer zugestimmt wird. Ich danke ausdrücklich dem Minis terpräsidenten – ich wünsche ihm gute Besserung – sowie Thomas Strobl, dass sie sich im Vermittlungsausschuss für die Betriebe, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in un serem Land eingesetzt haben.

In diesem Sinn, Herr Professor Dr. Schweickert, wird diese Koalition zum Wohle dieses Landes mittelstandsfreundlich weiterarbeiten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Meuthen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kollegen Abgeordnete, meine Damen und Herren, verehrte Gäste auf der Zuhörertribüne! Zunächst einmal herz lichen Dank an die Fraktion der FDP/DVP, dass Sie dieses Thema auf die heutige Agenda genommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das ist ein wichtiges und aktuelles Thema. Richtig so.

Meine Damen und Herren, der französische Ökonom Frédéric Bastiat schrieb zu seinen Lebzeiten, was einen guten von ei nem schlechten Ökonom unterscheidet: Der schlechte Öko nom sieht nur die unmittelbaren Folgen einer Reform, der gu te Ökonom erkennt auch die darüber hinausgehenden Folge wirkungen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: So ist es! – Abg. Winfried Mack CDU: Sehr weise!)

Mit Politikern, Herr Mack, verhält es sich ähnlich.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie sind zwischen zeitlich auch einer!)

Die schlechten Politiker erkennen nur das, was unmittelbar ersichtlich ist. Die guten hingegen erkennen auch das, was auf den ersten Blick nur schwer zu sehen ist, was aber weit in die Zukunft hineinreicht.

In den Parteien, die derzeit über die Erbschaftsteuer leider noch zu befinden haben,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Leider noch!)

finden wir auffällig viele schlechte Politiker, die sich überdies offensichtlich von schlechten Ökonomen haben beraten las sen.

(Beifall bei der AfD)

Anders kann man gar nicht erklären, dass sie in ihrer ausge prägten Kurzsichtigkeit nach wie vor an der Erbschaftsteuer festhalten.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das ist der schie re Neid!)

Dabei ist das Beachten der Folgewirkungen dieser Reform ausgesprochen wichtig. Dies liegt daran, dass die unmittelba ren Folgen aus einer rein etatistischen Sicht – das ist die Sicht dieser Regierung: rein etatistisch – häufig durchaus verhei ßungsvoll sind. Da kommt eine knappe Milliarde zusammen. Die letztendlichen Folgen stellen sich dann aber deutlich un heilvoller dar.

So ist das mit der Erbschaftsteuer. Die regierenden Kräfte er kennen, dass man mit der Erbschaftsteuerreform den Rubel zunächst einmal im Rollen halten kann. Das sei wichtig, um behauptete Steuerausfälle zu verhindern – so das Credo. Da bei haben wir ein Problem in dieser Republik derzeit nicht, nämlich Steuerausfälle.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Da leuchten dann auch schon die Augen der neosozialistischen Sozialkleptokraten,

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Jawohl!)

denen sich in der Zwischenzeit auch einst so stolze, ehedem bürgerlich-konservative Parteien wie die CDU angeschlossen haben.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Ehedem konser vativ, jawohl!)

Ebenso wird von den Kartellparteipolitikern erkannt, dass sich die Verteidigung der Erbschaftsteuer sozialdemagogisch bes tens verkaufen lässt. Man fährt hier immer – das ist für die Erbschaftsteuer typisch – die emotionale Schiene und richtet sich an die niederen Instinkte des Menschen, an den Neid.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Richtig!)

Eine wirkliche Substanz in der Argumentation dahinter sucht man jedoch vergebens.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Die mangelnde Substanz in der Argumentation lässt sich aber leicht übertünchen, indem die eigene, auf einem wackligen Fundament stehende Argumentation dann mit leeren Worthül sen und Wieselwörtern wie z. B. „soziale Gerechtigkeit“ auf gefüllt wird – so, als ob Gerechtigkeit maximale Gleichheit wäre.

Schlechte Argumente schön und emotional ansprechend ver packt: So etwas nennt sich dann egalitäre Kampfrhetorik – ei ne besondere Spezialität linker Robin-Hood-Imitatoren.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, ist eine solche Ethik der reinen Umverteilung höchst unsozial, auch höchst gefährlich übrigens.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Räuberisch!)

Dies erkennt freilich nur der gute Politiker, der mit dem etwas breiteren Horizont, derjenige, der ein bisschen über den Tag hinausschauen kann. Er erkennt dann zunächst einmal, dass die Erbschaftsteuer gar keine fiskalisch wichtige Steuer ist. Sie macht weniger als 1 % des gesamten Steueraufkommens aus und wirbelt dafür einen unglaublichen Staub auf. Er er kennt auch, dass die Erhebung dieser Bagatellsteuer extrem kostenaufwendig ist.

(Abg. Winfried Mack CDU: Wer ist „er“? Der gute Politiker?)

Sie nicht.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD – Zu ruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Man kommt im Erbfall nicht darum herum, das vererbte Ver mögen zu bewerten, es also in einem Geldbetrag auszudrü cken.

(Abg. Winfried Mack CDU: „Ich, der gute Politiker“! Das ist ja lächerlich!)

Das geht nun bei Geldvermögen; da mag das sein. Auch bei Wertpapieren geht das noch. Komplizierter und auch nicht mehr realistisch umsetzbar wird es aber, wenn es sich bei der Erbmasse um Immobilien oder eben um Betriebsvermögen handelt. Der geringe Ertrag – oder gar der fiskalische Verlust –, der aus einer Erbschaftsteuer resultiert, steht in keiner Re lation zu dem unverhältnismäßig kostenintensiven bürokrati schen Aufwand, der um diese Steuer herum betrieben wird.