Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Ich will, dass Sie mir zuhören!

Das ist kein Geschäftsord nungsantrag. Dafür gibt es andere Wege.

Das ist Ihre Fan tasie. Das ist ein Geschäftsordnungsantrag!

Dazu können Sie sich gern an das Präsidium – –

Das ist ein Ge schäftsordnungsantrag.

Nein, das ist kein Geschäfts ordnungsantrag. Wir debattieren jetzt nicht. Sie verlassen jetzt bitte das Redepult. Ansonsten muss ich Ihnen einen weiteren Ordnungsruf erteilen. Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe nun – –

Herr Abg. Stein zur Geschäftsordnung.

(Zuruf: Das gibt’s doch nicht!)

Nein, Moment.

(Abg. Udo Stein AfD: Ich habe hier von einem Kol legen das Wort „Depp“ – – Das möchte ich jetzt ein fach einmal melden!)

Herr Abg. Stein, Sie haben jetzt nicht das Wort.

(Widerspruch des Abg. Udo Stein AfD)

Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf – das Thema wäre eigentlich auch für das Plenum ganz gut –:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Verkehr – Leiser ist gesünder – Lärmschutz in Baden-Württemberg – Drucksache 16/8174

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Mar wein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Leiser ist gesünder“ passt jetzt wie die Faust aufs Auge. Sie merken wahrschein lich, dass es so wirklich besser geht.

(Beifall)

Der Lärm ist eine der am meisten unterschätzten Gefahren für die Bevölkerung. Die Zahlen, die es von der WHO, von der EU gibt, sprechen für sich. Der Lärm betrifft wirklich alle – ob reich, ob arm, ob jung, ob alt, ob in der Stadt oder auf dem Land.

Das Umweltbundesamt hat im letzten Jahr eine Umfrage ge macht und gefragt, wie stark die Bevölkerung durch Lärm be einträchtigt, vielleicht sogar belästigt ist. Den Straßenverkehr nennen 75 % als häufigste Quelle.

(Unruhe)

Der Nachbarschaftslärm bringt es immerhin noch auf 60 %.

(Zurufe)

Ich glaube, das Farbenspiel ist jetzt vorbei.

(Zurufe)

Daher möchte ich betonen: Für diese Landesregierung ist der Schutz vor Lärm ein wichtiger politischer Schwerpunkt.

(Beifall)

Aus diesem Grund hat die damalige Landesregierung schon 2011 einen Lärmschutzbeauftragten installiert – übrigens als einziges Bundesland in Deutschland. Das zeigt Wirkung. Denn im Oktober 2020, also vor wenigen Wochen, wurde im Bun

desländerindex Mobilität & Umwelt veröffentlicht, dass Ba den-Württemberg im Ländervergleich die nachhaltigste Ver kehrspolitik betreibt und im Bereich Lärmminderung auf dem ersten Platz liegt – meines Wissens schon zum zweiten Mal.

(Beifall)

Die Lärmkartierung des Landes aus dem Jahr 2017 belegt, dass über 200 000 Menschen ständig gesundheitsgefährden den Lärmpegeln von über 65 dB(A) tagsüber bzw. 55 dB(A) nachts ausgesetzt sind. Die Lärmwirkungsforschung sagt da zu, dass diese Werte unbedingt unterschritten werden müssen, um Gesundheitsgefährdungen durch Lärm zu begrenzen.

Die WHO empfiehlt: Um Gesundheitsgefahren durch Lärm zu vermeiden, müssen die Lärmpegel nochmals deutlich nied riger liegen. Unser Ziel kann nur sein, den Schutz vor Lärm insgesamt zu stärken und insbesondere den Verkehrslärm zu verringern.

(Beifall)

Was haben wir in Baden-Württemberg in dieser Legislaturpe riode unternommen? Hier möchte ich drei Bereiche heraus greifen.

Zum Ersten läuft auf kommunaler Ebene die Lärmaktionspla nung. Bei der Lärmaktionsplanung werden die Kommunen vom Land unterstützt. Es gibt keine Weisung; es wird über das Bundesrecht geregelt. Wir können aber die Kommunen unterstützen. Das haben wir vielerorts – auch durch verschie dene Veranstaltungen – gemacht. Es wurde auch leiser. Der Vergleich der Lärmkartierung von 2017 mit der von 2012 zeigt, dass die Lärmbelastung inzwischen zurückgegangen ist. An den Hauptverkehrsstraßen in Ballungsräumen sind jetzt etwa 20 % weniger Menschen diesen hohen Werten ausge setzt. Die Zahlen belegen also: Wir haben viel erreicht.

Dabei wollen und können wir aber nicht stehen bleiben. Ziel ist es, bis 2030 die Anzahl derer, die nachts vom Straßenlärm betroffen sind, um weitere 20 % gegenüber dem Stand von 2017 zu senken. Entsprechende Maßnahmen wären z. B. Tem polimits, lärmarme Straßenbeläge, der Umbau von Ortsdurch fahrten zu einer sicheren und verkehrsberuhigten Ortsmitte und die Ausweitung der Elektromobilität.

Ein weiteres Beispiel ist die Forderung, die Schwellenwerte von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts auf 65 und 55 dB(A) zu senken. Dort beginnt nämlich die Schwelle zur Gesund heitsgefährdung. Die Schwellenwerte von 70 bzw. 60 dB(A) sind allerdings im Bundesrecht verankert und werden seit Jah ren in höchstrichterlichen Urteilen auch immer wieder heran gezogen. Diese Werte sind aber eindeutig zu hoch.

Ich habe daher Lärmwirkungsfachleute, die auch für die WHO arbeiten, eingeladen und gebeten, aus der Sicht der Lärmwir kungsforschung ein Statement dazu abzugeben, in welche Richtung es ihrer Meinung nach gehen muss. Im Februar 2019 haben sie ein Memorandum of Understanding verfasst. Sie for dern eindeutig und dringend, in einem ersten Schritt die Schwel le der lärmbedingten Gesundheitsgefährdung um 5 dB(A) zu senken.

Dasselbe fordert auch der Sachverständigenrat für Umwelt fragen, das höchste Beratungsgremium der Bundesregierung,

in seinem aktuellen Bericht. Er empfiehlt, diese Werte in Wohngebieten bundesweit gesetzlich festzuschreiben.

Auch das Umweltbundesamt unterstützt die Linie, die wir ver treten. Das hat es bereits öffentlich getan.

(Beifall)

Wir haben die Forderung nach einer Absenkung der Werte in der 16. Bundes-Immissionsschutzverordnung auch in den Bundesrat eingebracht. Das hat dort aber leider keine Mehr heit gefunden.

Als Drittes: Motorradlärm, sicherlich auch ein ganz emotio nales Thema. Im Gegensatz zu dem Lärm durch Berufsver kehr in Ballungsräumen ist der Motorradlärm vor allem in ländlichen Gebieten der „Hauptaufreger“, was Lärm angeht. Sie kennen das selbst: Wenn Sie am Sonntag eine Wanderung im schönen Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb oder im Odenwald machen wollen, kommt Ihnen immer Motorrad lärm entgegen.

Ein Teil der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer – ein Teil, nicht alle – fährt sehr rücksichtslos: hochtourig durch die Ortschaften, dann noch sehr fordernd auf der freien Strecke, sodass man den Motorradlärm lange, nachdem das Motorrad schon vorbeigefahren ist, noch immer hört. Wer irgendwo in Tälern wohnt, kennt das Problem.

(Zuruf: Ja, wieder Verbote! – Unruhe)

Ein Teil der Motorräder ist auch manipuliert, also ganz offen und absichtlich manipuliert, damit sie lauter werden. Aber auch die serienmäßigen Motorräder, und zwar alle, von allen Herstellern weltweit, werden seit Jahren immer lauter – statt leiser werden sie immer lauter; das muss man sich einmal zu Gemüte führen. Die Zahl der Motorradfahrerinnen und Mo torradfahrer steigt ständig, inzwischen sind es 4,5 Millionen. Das heißt auch: Es wird fast nur als „Spaßgerät“ genutzt, für die normale, tägliche Fahrt zur Arbeitsstelle so gut wie gar nicht.

(Zurufe)

Insbesondere Motorräder mit Verbrennungsmotoren verursa chen erheblichen Lärm – mit Elektro natürlich nicht.