Sehr verehrter Herr Prä sident, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Das wäre „oinaweg“ gekommen. Die Einleitung war halt etwas modi fiziert.
„Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren“ heißt unser Thema. Die psychosoziale Prozessbegleitung ist eine sehr intensive Form der Begleitung für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach einem Gerichtsverfahren durch besonders qualifizierte Fachkräfte.
Erst am 21. Dezember letzten Jahres hat die Bundesregierung das Opferrechtsreformgesetz beschlossen. Diesem richtigen und notwendigen Schritt folgt heute auch die Landesgesetz gebung mit den Ausführungsbestimmungen. Wir, die AfDFraktion, unterstützen dies vollumfänglich. Das Opferrechts reformgesetz sieht nämlich gemäß § 406 g der Strafprozess ordnung erstmals den Rechtsanspruch auf psychosoziale Pro zessbegleitung für durch schwere Gewaltstraftaten Verletzte vor.
Das gerichtliche Strafverfahren soll ein vergangenes Gesche hen aufklären und die Wahrheit ermitteln, damit das Gericht auf einer verlässlichen Grundlage die Schuld oder die Un schuld eines Angeklagten feststellen kann. Vielfach setzt dies voraus, dass Menschen dem Gericht von ihren Wahrnehmun gen als Zeugen berichten. Das müssen wir selbst denjenigen zumuten, die Opfer einer Straftat, auch einer schweren, see lisch ungemein belastenden Straftat geworden sind. Das sind Menschen, die an ihren Erlebnissen zumeist schwer tragen, vielleicht sogar traumatisiert sind. Gerade sie müssen wir bei ihrem oft schweren Gang in den Zeugenstand begleiten und umfassend unterstützen.
Die Opfer von Straftaten dürfen sich im anschließenden Ge richtsverfahren nicht alleingelassen fühlen – nicht von ihrem Umfeld, nicht von ihren Angehörigen und Freunden, aber eben auch nicht von der Gesellschaft und der Politik. Auch hier zeigt sich, wie ernst es dem Rechtsstaat wirklich ist, den Op ferschutz gebührend über den Täterschutz zu stellen.
Dabei geht es aber nicht nur um die Stärkung des Opferschut zes. Nein, meine Damen und Herren, es geht auch um die Stär kung der Opferrechte. Vor allem besonders belasteten Opfern eine emotionale und psychologische Unterstützung im Straf verfahren zur Seite zu stellen halten wir für richtig und not wendig. Es geht insbesondere darum, wie von Gewalt- und Sexualstraftaten Betroffenen in Zukunft geholfen werden kann, Strafverfahren insgesamt besser zu bewältigen.
Sehr viel Wert legen wir, die AfD-Fraktion, auch darauf, dass die Qualifikation der Betreuer einen hohen Stellenwert hat.
Denn diejenigen, die die Prozessbegleitung vornehmen, müs sen nicht nur Empathie für die Opfer mitbringen, sondern sie brauchen auch eine psychologische und vielleicht auch eine pädagogische und juristische Grundbildung. Es bedarf regel mäßiger Fortbildungen, um eine stetig hohe Qualität im Rah men der Betreuung gewährleisten zu können.
Früher wurden die Betroffenen nur als Zeugen gesehen. Gott sei Dank hat sich diese Sichtweise verändert. Ganz folgerich tig wurde auch der Opferschutz gestärkt – in Zeiten steigen der Gewaltkriminalität ein richtiges Signal, das wir ausdrück lich begrüßen.
Letztlich profitiert auch die Justiz davon, wenn stabile Opfer zeugen hochwertige Aussagen machen, die dann auch juris tisch Bestand haben. Dabei sollten wir indes nicht nur an Frau en und Mädchen oder kleine Jungen denken, die etwa Opfer von Gewalttaten oder sexuellen Übergriffen geworden sind, sondern auch an Senioren, die beispielsweise durch den En keltrick geschädigt worden sind. Viele ältere oder in ihrer Be wegungsfreiheit eingeschränkte Menschen sind bei Verbre chen überfordert. Das Gleiche gilt für Kinder und Jugendli che.
Die psychosozialen Prozessbegleiter unterstützen aber nicht nur Opferzeugen, sondern auch deren Angehörige umfassend vor und nach den Strafverfahren sowie während der Strafver fahren. Die psychosoziale Prozessbegleitung beginnt im bes ten Fall schon deutlich vor der Hauptverhandlung, im Einzel fall auch schon sofort bei der Anzeigenerstattung, und kann je nach Bedarf auch nach Beendigung des Strafverfahrens noch andauern.
Um sich nicht dem Vorwurf der Beeinflussung auszusetzen, werden die genaueren Umstände der Tat während des Betreu ungsverlaufs nicht thematisiert. Hierdurch und durch eine an feste Grundsätze gebundene transparente Arbeit kann die not wendige Akzeptanz bei den Prozessbeteiligten gewährleistet werden.
Es ist auf jeden Fall begrüßenswert, dass mit dem heutigen Tag ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren in Kraft treten wird. Somit fin det die hier eingebrachte Vorlage unsere vollständige Unter stützung.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und werte Kollegen! Der Gesetzentwurf, den wir heute in ers ter Lesung beraten, dient der Umsetzung des von SPD-Bun desjustizminister Heiko Maas erarbeiteten und vom Bundes tag im Dezember 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte, was im Übrigen auch deutlich macht, dass die polemischen Behauptungen – da spreche ich jetzt Sie an –, die Sie gestern noch gemacht haben, man würde sich nur um Täter kümmern, schlicht und ergreifend nicht richtig, son dern falsch sind.
Denn dass das Thema Opferschutz gerade bei uns eine große Rolle spielt, haben wir in den zurückliegenden Jahren unter
Beweis gestellt. Was wir heute auf den Weg bringen, ist ein Meilenstein, richtigerweise gesagt: ein weiterer Meilenstein, denn wir fangen in der Tat nicht bei null an. Aber es ist auch wahr und richtig: Gelegentlich bedarf es auch des Anstoßes durch die europäische Ebene, und die europäische Ebene hat den Anstoß gegeben, dass wir uns hier weiterentwickeln und zügiger vorankommen, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Das im Entwurf vorliegende Gesetz konkretisiert die Anfor derungen. Diese halten wir zweifelsohne für wichtig, denn die Aufgabe der Begleitung von Opfern ist eine herausfordernde und schwierige Aufgabe, die an Prozessbegleiter in BadenWürttemberg gestellt wird.
Meine Damen und Herren, neben den zweifelsohne bedeut samen Aspekten des Opferschutzes – diesem räumen wir selbstverständlich einen enorm hohen Stellenwert ein – kommt der professionellen Prozessbegleitung und auch der Wahrheitsfindung im Strafprozess eine wesentliche Rolle zu, was dann letztendlich auch den Opfern dient. – Frau Erikli, Sie haben ja ein beredtes Beispiel genannt.
Der Kollege Stickelberger hat in seiner damaligen Funktion als Justizminister die deutliche Aussage getroffen: Ein ver ängstigter oder gar traumatisierter Zeuge – das trifft ja nun wirklich für viele Opfer zu, gerade für die jugendlichen Op fer etwa einer Gewalt- oder Sexualstraftat – ist in der Regel im Rahmen des Prozesses auch kein guter Zeuge, es sei denn, er erhält eine professionelle Begleitung.
Kollege Stickelberger war es auch, der in seiner Funktion als Justizminister in der vergangenen Legislaturperiode drei Pi lotprojekte in drei Gerichtsbezirken auf den Weg gebracht hat, Projekte, die sich insbesondere – ich hatte es angedeutet – an Kinder und minderjährige Jugendliche gerichtet haben, die Opfer einer schweren Sexual- oder Gewaltstraftat geworden sind. Diese drei Projekte, die von der Bewährungshilfe Stutt gart durchgeführt worden sind und die – das will ich auch noch einmal in Erinnerung rufen – von den damaligen Regie rungsfraktionen GRÜNE und SPD unterstützt und mit rund 400 000 € Landesmitteln bezuschusst worden sind, haben in der Tat dazu geführt, dass wir wertvolle Erfahrungen in der psychosozialen Prozessbegleitung sammeln konnten, was uns jetzt in der weiteren Umsetzung dieses Gesetzes auch von enormem Vorteil sein wird.
Das heißt im Klartext: Dem vorliegenden Gesetzentwurf kann ich für die SPD-Fraktion nur positive Aspekte abgewinnen. Die SPD wird dem Gesetz – das kann ich heute schon sagen – deshalb auch zustimmen.
Herr Justizminister, wir sind der Auffassung, in den sich jetzt anschließenden Ausschussberatungen sollten wir schon noch einmal die eine oder andere Stellungnahme im Rahmen der Anhörung diskutieren und bewerten. Aber das ändert nichts daran, dass das Gesetz grundsätzlich gut ist und unsere Zu stimmung erfährt.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf über die psy chosoziale Prozessbegleitung diskutieren wir über die Umset zung von Bundesrecht zur Stärkung von Opferrechten infol ge einer EU-Richtlinie.
Was hilft Kindern, jugendlichen und erwachsenen Opfern von sexueller oder häuslicher Gewalt, von Misshandlung oder Menschenhandel, ein belastendes Strafverfahren zu bewälti gen? Sie müssen ausreichend informiert und umfassend sta bilisiert werden. Dies kann oftmals gerade für das Opfer an gesichts der emotionalen Schwierigkeiten eines entsprechen den Strafprozesses dazu beitragen, das Erlittene besser zu ver arbeiten. Durch die psychosoziale Prozessbegleitung soll den Betroffenen vor, während und nach der Hauptverhandlung psychologisch und pädagogisch kompetente Unterstützung gewährt werden und sollen die Betroffenen sachgerecht über die Rechte und die prozessualen Abläufe informiert werden.
Als Fachanwalt für Straf recht weiß ich das durchaus zu bewerten: Das ist richtig, gut und notwendig, auch um sicherzustellen, dass die Opfer von Straftaten das erlittene Leid nicht noch einmal im Strafver fahren durchleben müssen.
Doch so gut und richtig die Idee ist, so geht sie dann fehl, wenn die Qualität nicht stimmt, wenn beispielsweise die pro zessualen Rechte nicht präsent sind, wenn das Verfahren da durch verlängert bzw. für die Opfer belastender wird. In Kenntnis dieser Tatsache und aufgrund dieser Sorge haben z. B. auch Vertreter aus Justiz- und Anwaltskreisen weitere Anerkennungsvoraussetzungen eingefordert und haben Be denken in Bezug auf die Übergangsregelung vorgebracht.
Ich denke – Herr Kollege Gall hat das auch angesprochen –, wir werden diese Bedenken im Rahmen der weiteren Bera tungen noch einmal genauer erörtern und darüber diskutieren müssen. Aber insgesamt, denken wir, ist dieses Verfahren ein sinniges und stimmiges, dem wir beitreten und das wir gern unterstützen.
Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aus sprache ist damit beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/712 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so be schlossen und Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.
Wahl von beratenden Mitgliedern und deren Verhinde rungsstellvertretern im Stiftungsrat des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM)
Dem Stiftungsrat des Zentrums für Kunst- und Medientech nologie gehören gemäß § 7 Absatz 1 der Stiftungssatzung u. a. bis zu vier Vertreter des Landes Baden-Württemberg an. Bei der Benennung dieser Mitglieder hat sich in der Vergangen heit die Praxis ausgebildet, diese Positionen auf Vorschlag des Landtags und unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der Fraktionen zu besetzen.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2016 hat Frau Ministerin There sia Bauer darum gebeten, vier Abgeordnete als beratende Mit glieder des Stiftungsrats und für diese bis zu vier Verhinde rungsstellvertreterinnen bzw. -stellvertreter zu benennen.
Nach § 17 a der Geschäftsordnung entfällt entsprechend dem Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers für die vier zu wählenden beratenden Mitglieder und ihre Verhinderungs stellvertreter bzw. -vertreterinnen jeweils ein Sitz auf die Frak tion GRÜNE, die Fraktion der CDU, die Fraktion der AfD und die Fraktion der SPD.
Ein gemeinsamer Wahlvorschlag der Fraktion GRÜNE sowie der Fraktionen der CDU, der AfD und der SPD liegt auf Ih ren Tischen (Anlage 2). Die Fraktionen haben eine offene Wahl vereinbart. Wer dem Wahlvorschlag zustimmt, den bit te ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dem Wahlvorschlag ist einstimmig zugestimmt.